Der Gravelbike-Ratgeber

Was ihr über den Fahrradtrend wissen solltet
Der Gravelbike-Ratgeber

Veröffentlicht am 19.09.2024
Gravelbike
Foto: iStockphoto

Gravelbikes sind seit einigen Jahren der Trend der Fahrradbranche. Inzwischen hat beinahe jeder Hersteller gleich mehrere Modelle im Portfolio. Doch was zeichnet die Fahrräder, die wie geländegängige Rennräder aussehen, eigentlich aus? Worauf solltet ihr beim Kauf achten? Und wieso ist ein Gravelbike für uns Läuferinnen und Läufer ein ideales Trainingsmittel? All das beantworten wir euch in diesem Artikel.

Was ist ein Gravelbike?

Ein Gravelbike ist im Grund eine Kombination aus Rennrad, Cyclocross und Mountainbike. Entsprechend ist ein Gravelbike ideal für das Fahren auf Wald- und Feldwegen geeignet – macht aber auch auf der Straße richtig viel Spaß. Das Wort „Gravel“ ist übrigens Englisch und bedeutet „Schotter“. Letztlich geht es bei einem Gravelbike darum, dort weiterfahren zu können, wo mit einem Rennrad Schluss wäre.

Die noch recht junge und entsprechend experimentelle Kategorie der Gravelbikes zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt aus. Es gibt leichte, auf Agilität oder stabile, auf Komfort ausgelegte Modelle. Es gibt 1- oder 2-fach-Antriebe beziehungsweise Schaltungen. Es gibt Stahl-, Alu-, Carbon- oder sogar Titanrahmen. Es gibt unterschiedlich große Laufräder (wobei 28 Zoll am verbreitetsten ist).

Was alle Gravelbikes eint: Im Vergleich zum Rennrad bieten die breiteren und profilierteren Reifen, die überdies mit weniger Luftdruck gefahren werden, mehr Traktion und Komfort auf unebenem Terrain. Zudem weisen die meisten Rahmen eine etwas entspanntere, komfortablere Geometrie aus, womit sie besser für längere Strecken und technischere Passagen geeignet sind.

Unterschiede zwischen einem Gravelbike und einem Rennrad

Auch wenn Rennräder und Gravelbikes mit ihren gebogenen Drop-Bar-Lenkern auf den ersten Blick sehr ähnlich aussehen, unterscheiden sie sich in wesentlichen Punkten.

  • Reifen: Gravelbikes haben breitere Reifen (30 bis 50 Millimeter) mit leichtem Profil oder sogar richtig groben Stollen, um auf Schotter, Waldwegen oder weichen Untergründen besseren Grip zu bieten. Rennradreifen sind deutlich schmaler (23 bis 32 Millimeter), weisen kein oder nur wenig Profil auf und haben entsprechend einen spürbar geringeren Rollwiderstand. Ein Gravelreifen hat in der Regel einen höheren Pannenschutz, sodass Steine und Scherben nicht direkt zu einem Platten führen. Wer jetzt aber meint, einfach einen Gravelreifen auf einem Rennrad zu nutzen, wird feststellen, dass Rahmen und Gabel vermutlich nicht genug Platz (Reifenfreiheit) für die breiten Pneus bieten.
  • Rahmen: Gravelbikes haben in der Regel eine entspanntere Rahmengeometrie. Das bedeutet, dass die Sitzposition aufrechter ist, was mehr Komfort auf langen Strecken bietet und die Kontrolle auf unebenem Gelände verbessert. Rennräder hingegen haben eine sportlichere Geometrie mit tieferer und somit aerodynamischerer Sitzposition. Zudem ist der Radstand bei Gravelbikes meist etwas länger, was für mehr Laufruhe sorgt. Inzwischen gibt es aber auch Gravelbikes, die eher die Sitzposition und Agilität eines Rennrades aufweisen, aber genug Platz für die breiten Gravelreifen bieten.
  • Anschraubpunkte: Wie Reise- oder Trekkingräder bieten viele Gravelbikes Anschraubpunkte, um an Gabel oder Rahmen Packtaschen, Schutzbleche und Lampen zu befestigen. Bei Rennrädern gibt es diese Option in der Regel nicht.
  • Gewicht: Gravelbikes sind aufgrund robusterer Rahmen, breiterer Laufräder und dickerer Reifen schwerer als ähnlich ausgestattete Rennräder. Der Unterschied beträgt rund 0,5 bis 3 Kilogramm. Dadurch sind Gravelbikes im Vergleich zu Rennrädern etwas träger. Doch absolute Highend-Gravelbikes für mehr als 5000 Euro bringen inzwischen oft auch nur 7,5 Kilogramm oder weniger auf die Waage und sind damit kaum schwerer als Rennräder.

Für wen lohnt sich ein Gravelbike?

Gravelbikes sind extrem vielseitig. Klar, wer an Radrennen auf der Straße teilnimmt, benötigt ein Rennrad. Wer durch ruppiges Terrain in den Alpen fährt, kommt ohne ein Mountainbike nicht weit. Doch wenn es einfach darum geht, auf fast allen Untergründen zügig voranzukommen, ist ein Gravelbike ideal.

Gravelbike
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Die wichtigsten Vorteile eines Gravelbikes:

  • Vielseitigkeit: Wer gerne sowohl auf Straßen als auch auf unbefestigten Wegen fahren möchte, aber auch gerne auf Asphalt unterwegs ist, findet in einem Gravelbike eine extrem vielseitige Option.
  • Komfort: Es gibt sportlichere und bequemere Gravelbikes. Doch grundsätzlich machen es die aufrechtere Sitzposition und die breiteren Reifen angenehmer, stundenlang im Sattel zu sitzen.
  • Alleskönner: Die Ausfahrt am Wochenende, der Weg zur Arbeit oder die Bikepacking-Tour im Urlaub – mit einem Gravelbike ist all das möglich. Wer ohnehin ein neues Rad benötigt, bekommt mit einem Gravelbike quasi mehrere Fahrräder in einem.

Was muss ich beim Kauf eines Gravelbikes beachten?

Beim Kauf eines Gravelbikes solltest du auf folgende Aspekte achten:

SRAM
  1. Radtyp: Gravelbike ist nicht gleich Gravelbike. Es gibt robuste Modelle, die eher für Bikepacking-Abenteuer gedacht sind, leichte Varianten für den Renneinsatz und vielseitige Bikes, die alles können. Frage dich selbst, für welchen Einsatzzweck du ein Gravelbike suchst.
  2. Rahmenmaterial: Gravelbikes gibt es in verschiedenen Materialien, wie Aluminium, Carbon, Stahl und, ganz selten und sehr teuer, Titan. Aluminium ist leicht und robust, Carbon ist leichter und bietet gute Dämpfungseigenschaften, Stahl ist besonders robust und langlebig, aber schwerer. Für die allermeisten dürfte Aluminium der beste Kompromiss sein. Stahlrahmen sind besonders bei Leuten beliebt, die neben einer schlichten Optik ein besonders langlebiges Rad suchen. Wem es auf geringes Gewicht und maximale Performance ankommt, greift zu Carbon.
  3. Rahmengröße: Die richtige Rahmengröße ist entscheidend für Komfort und Kontrolle. Du solltest dich entweder von einem Fachhändler beraten lassen oder, falls du im Internet bestellst, die Größentabelle des jeweiligen Herstellers beachten, um sicherzustellen, dass das Bike zu deiner Körpergröße passt. Bist du genau zwischen zwei Rahmengrößen, gilt die Faustformel, dass du eher einen kleineren Rahmen wählst, wenn du es sportlich magst. Geht es dir um Komfort, ist die größere Größe besser.
  4. Schaltung/Übersetzung: Wie oben beschrieben, gibt es bei Gravelbikes die Wahl zwischen 1- und 2-fach-Antrieben, wobei sich 1-fach-Antriebe immer mehr durchsetzen. Beides hat die geschilderten Vor- und Nachteile. Viel wichtiger ist aber die Wahl der Übersetzung. Standard ist oft eine 1:1-Übersetzung. Bedeutet: 42 Zähne am Kettenblatt, 42 Zähne am großen Ritzel. Bei jeder Kurbelumdrehung drehen sich entsprechend auch die Reifen einmal. Das kann bei steilen Anstiegen sehr anstrengend werden, zumal wenn man mit Gepäck unterwegs ist. Die Lösung kann dann entweder ein kleineres Kettenblatt oder ein größeres Ritzelpaket – oder beides – sein. Das sollte man dann aber mit dem Fahrradmechaniker des Vertrauens besprechen.
  5. Reifen: Wichtiger als das Profil ist bei einem Gravelbike tatsächlich die Reifenbreite. Abhängig davon, ob du mehr auf Schotter oder Asphalt fahren möchtest, sind breitere Reifen mit mehr Profil fürs Gelände und schmalere Reifen für Asphalt besser geeignet. Mit 40 Millimeter breiten Reifen bist du für beinahe jedes Terrain gewappnet. Ganz wichtig: Früher galt die Regel, dass ein hoher Luftdruck den Rollwiderstand verringert. Inzwischen hat man aber festgestellt, dass vor allem im Gelände ein niedriger Luftdruck komfortabler und schneller ist, weil der Reifen Unebenheiten besser schluckt und nicht so sehr springt. Mit diesem Tool kannst du deinen idealen Luftdruck berechnen.
  6. Zubehör: Wenn du vorhast, längere Bikepacking-Touren zu machen oder das Rad für das Pendeln zur Arbeit nutzen möchtest, solltest du darauf achten, dass das Fahrrad Befestigungspunkte für Gepäckträger, Schutzbleche und Licht hat. Eventuell ist auch ein Nabendynamo eine Überlegung wert, um Front- und Rücklicht mit Strom zu versorgen.

Welches Gravelbike passt zu mir?

Die Wahl des richtigen Gravelbikes hängt von deinem Fahrstil, deinen Zielen und deinem Budget ab:

  • Für sportliche Fahrer: Wenn du ein schnelles, leichtes Bike für dynamisches Fahren auf Schotter und Asphalt suchst, solltest du nach einem Carbon- oder Aluminiumrahmen mit leichten Komponenten Ausschau halten.
  • Für Abenteurer und Bikepacker: Wenn du auf langen Touren mit Gepäck unterwegs sein möchtest, solltest du auf ein robusteres Bike mit Stahl- oder Aluminiumrahmen setzen, das Anschraubpunkte für Schutzbleche und Gepäckträger bietet. Auch besonders breite (45 Millimeter), grobstollige Reifen sind bei ruppigen Straßen ideal.
  • Für Alltagsfahrer und Pendler: Ein vielseitiges Gravelbike mit moderaten Reifen und einer komfortablen Geometrie ist ideal, wenn du es auch für tägliche Fahrten zur Arbeit und Freizeitaktivitäten nutzt. Auch hier sind Schutzbleche und eventuell eine Lichtanlage mit Nabendynamo eine gute Option.

Es ist ratsam, vor dem Kauf verschiedene Modelle auszuprobieren, um herauszufinden, welches sich für dich am besten anfühlt. Hier sind drei Empfehlungen für verschiedene Budgets.

Warum sind Gravelbikes bei Läufern gerade im Trend?

Generell ist Radfahren eine großartige Ergänzung zum Laufen. Der körperliche Trainingseffekt des Radfahrens ist dem beim Laufen sehr ähnlich: Die Anforderung an das Herz-Kreislauf-System, das Muskel-Nerven-Zusammenspiel und die Belastung für das metabolische System sind beim Radfahren vergleichbar. Positiv wiegt sogar, dass die Belastung für den Bewegungsapparat deutlich geringer ist. Die Gelenke, Sehnen und Bänder werden also beim Radfahren weniger belastet, weil sie schlichtweg weniger Gewicht tragen und keines abfangen müssen. Viele Gründe also, ergänzend zum Lauftraining mal aufs Rad zu steigen.

Graveln eignet sich für alle, die beim Radfahren Neues entdecken und auch mal oder hauptsächlich abseits der Straße unterwegs sein möchten.

Fazit

Wer sich für ein Gravelbike entscheidet, hat ein vielseitiges Fahrrad für alle möglichen Einsatzzwecke. Auf den breiten, profilierten Reifen geht es dort weiter, wo für ein Rennrad Schluss ist. Dabei ist ein Gravelbike auch auf Asphalt alles andere als langsam, weshalb viele es auch gerne zum Pendeln nutzen. Wer Packtaschen montiert, kann mit einem Gravelbike auch auf lange Radreisen aufbrechen. Kurzum: Gravelbikes versprechen beinahe grenzenloses Radvergnügen.