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Wie nachhaltig sind Superfoods?

Superfoods wie Chiasamen sind beliebt, aber es gibt auch Schattenseiten des Exotik-Trends – und hiesige Alternativen, die ebenso gesund sind.
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In diesem Artikel:
  • Was genau sind eigentlich Superfoods?
  • Quinoa: Das "Gold der Inkas" wird zum Fluch
  • Kleine Chiasamen, große Belastung für die Umwelt
  • Heimische Super-Alternativen für Gojibeere, Acerola und Co.
  • Fazit: Lieber auf heimische Superfoods zurückgreifen

Was genau sind eigentlich Superfoods?

Laut Wörterbuch-Definition versteht man unter einem Superfood „ein nährstoffreiches Lebensmittel, das als besonders förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden angesehen wird“ (Oxford English Dictionary). Tatsächlich sind viele der besonders in westlichen Großstädten angesagten Superfoods im Grunde normale Nutzpflanzen, die bei uns nur lange nicht bekannt waren, weil sie aus fernen Ländern stammen und wegen abweichender klimatischer Voraussetzungen hierzulange nicht oder nur schlecht angebaut werden können. Um sie interessant und bekannt zu machen, werden sie von den Importeuren mit geschicktem Marketing als Wundermittel für die Gesundheit beworben – unter anderem durch die frei erfundene Etikettierung als „Superfood“ und oftmals per Luftfracht importiert.

Laufen und Nachhaltigkeit

Angesichts der langen Transportwege stellt sich die Frage, ob Superfoods auch gut für die Umwelt und die Menschen in den Herkunftsländern sind.

Angesichts der großen Nachfrage aus Westeuropa und den USA nach Chiasamen aus Mexiko oder Gojibeeren aus China könnte man meinen, dass vom weltweiten Boom auch die Einwohner in den jeweiligen Herkunftsländern profitieren müssten. Da mehr produziert und verkauft wird, so sollte man denken, könnten sie letztlich ja wohl auch mehr Gewinn erzielen. Doch das stimmt leider nur zum Teil. In vielen Fällen führen der Trend zu Superfoods und das dadurch geweckte Gewinnstreben der Zwischenhändler und Importeure zu gefährlichem Raubbau und anderen Problemen. Nur ein kleiner Teil der Importe wird „fair gehandelt“.

Quinoa: Das "Gold der Inkas" wird zum Fluch

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Quinoa kann man verarbeiten wie Reis, er enthält aber mehr Protein.

Auch bei Läuferinnen und Läufern wird das proteinreiche Pseudogetreide immer beliebter. Mit dem Aufkommen des Trends hatte sich der Preis von 2009 bis 2013 in nur vier Jahren verzehnfacht. Und besonders die Bevölkerung der Anden leidet unter dem Quinoa-Boom. In Peru und Bolivien wird ein Großteil des Weizens angebaut. Dort herrscht dadurch eine Knappheit der Böden für Grundnahrungsmittel. Daraus folgt, dass der Preis für Lebensmittel steigt und die Bevölkerung gezwungenermaßen günstige aber nährstoffarme Pasta, Brot oder Kartoffeln kauft, um den eigenen Energiebedarf zu decken.

Kleine Chiasamen, große Belastung für die Umwelt

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Bei Chiasamen sollten Sie immer auf Bio-Ware setzen.

Auch der Import und Konsum von Chiasamen hat im letzten Jahrzehnt eine rasante Entwicklung durchgemacht – speziell in Europa. Bis 2013 durften die nährstoffreichen Samen nur als Zutat in Backwaren verwendet werden, bis die EU schließlich die Genehmigung für den Verkauf von Chia-Produkten erheblich erweiterte.

2014 ist der Markt förmlich explodiert, seit 2015 sind die kleinen Körnchen auch im letzten Discounter angekommen.

Dieser extreme Anstieg der Nachfrage hat zuerst auch den Preis in die Höhe schnellen lassen. Selbst Chia ohne Biosiegel wurde zeitweise für über 10 Euro pro Kilo gehandelt. Anschließend ist der Preis auf rund 2,50 Euro gesunken, weil der Anbau massiv ausgeweitet wurde. Die Anbaufläche in Südamerika ist innerhalb eines Jahres um 240 Prozent angewachsen. Außerdem kamen Australien und Afrika als Produzenten hinzu. Inzwischen steigt der Preis wieder an, die Frage ist nur, was davon bei den Produzenten vor Ort ankommt.

Chiasamen sind oft stark mit Pestiziden kontaminiert

Wird in so kurzer Zeit so viel mehr Ware benötigt, kommt es schnell dazu, dass gefälschte, minderwertige Produkte in Umlauf kommen. „Bei Chiasamen ist vor allem der Einsatz von Spritzmitteln in Südamerika ein großes Problem“, sagt Dr. Wilfried Bommert vom Institut für Welternährung e.V. „Zwar gibt es auch viele kleine Biobauern, deren Felder liegen aber oft neben den großen industriellen und werden von dort kontaminiert.“

Die Böden sind meist außerdem vom Sojaanbau belastet, und wenn Chiasamen als Zwischenfrucht angebaut werden, nehmen die Pflanzen die Rückstände auf. Vor allem Herbizide (Unkrautbekämpfungsmittel) wie Glyphosat, Diquat und Paraquat sind deshalb in den Pflanzen enthalten, zum Teil in einem Ausmaß, dass Ware, die trotzdem auf dem Markt ist, eigentlich gar nicht verkauft werden dürfte. Auch Schimmelpilzgifte, sogenannte Aflatoxine, sind in den Samen enthalten – diese können Krebs verursachen.

Tipp: Greifen Sie zu Bio-Chiasamen

Für den Endverbraucher gilt: Nur Bioware ist wirklich vertrauenswürdig – wie Ellen Scherbaum vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Stuttgart bestätigt. Dort werden jährlich etwa 400 Proben von verschiedensten Bioprodukten überprüft und mit konventionellen Lebensmitteln verglichen. „Konventionelle Ware weist in etwa 90 Prozent der Fälle deutliche Pestizidrückstände auf; im Mittel sind diese 180-mal höher als bei Bioprodukten“, sagt Scherbaum.

Die bei diesen Produkten nachgewiesenen Rückstände sind oft durch Abdrift von anderen Feldern oder durch Kontamination bei der Verarbeitung entstanden. Der immense Einsatz von Gift schädigt dabei nicht nur die Böden, die Umwelt und den Endverbraucher, sondern vor allem die Bauern, die das Gift auf die Pflanzen ausbringen müssen, und die Menschen, die in der Umgebung leben.

Dies ist natürlich nicht nur bei Chia ein Problem, sondern auch bei Soja, Mais und Baumwolle. Alle Felder werden großflächig mit den Herbiziden und Pestiziden besprüht und in den umliegenden Dörfern häufen sich oft mit gewisser Verzögerung die Fälle von Krebs oder Fehlgeburten sowie Probleme mit den Atemwegen oder dem Kreislauf.

Heimische Super-Alternativen für Gojibeere, Acerola und Co.

All dies ist aber kein Grund auf nährstoffreiche und gesundheitsfördernde Lebensmittel zu verzichten. Tatsächlich braucht man, wie so oft im Leben, auch auf der Suche nach gesunden Lebensmitteln nicht weit in die Ferne zu schweifen. Im Folgenden stellen wir Ihnen heimische Alternativen zu den exotischen Superfoods vor, damit Sie ohne schlechtes Gewissen Ihre Gesundheit fördern und genießen können.

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Leinsamen statt Chiasamen: Beschaffenheit und Inhaltsstoffe sind sich extrem ähnlich – Leinsamen aber kosten auch in Bio-Qualität nur einen Bruchteil.

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Hirse statt Quinoa: Nur 1 Gramm Eiweiß mehr steckt im Pseudogetreide Quinoa, außerdem 2 Gramm mehr Fett pro 100 Gramm. Zudem enthält Hirse 2,5-mal so viel Eisen wie Quinoa.

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Heidelbeeren statt Gojibeeren: Zuckerhaltige Gojibeeren sind zwar sehr gesund, aber vor allem im Sommer liefern auch kalorienarme Beeren Antioxidantien.

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Grünkohl statt Granatapfel: Diese grüne Wunderwaffe ist ein Nährstoffgarant. Im Sommer einfach zur TK-Variante greifen.

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Brokkoli statt Moringa: Das Kohlgemüse ist ganzjährig in guter Qualität erhältlich. Außer bei Vitamin A und E hat es die Nase vorn, eine Portion Brokkoli deckt sogar den Vitamin-K 1-Bedarf.

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Rapsöl statt Kokosöl: In Rapsöl steckt mit die beste Zusammensetzung an ungesättigten Fettsäuren überhaupt. Soll es doch mal exotischer sein, dann greifen Sie lieber zu Leinöl und Olivenöl. Die rangieren ebenfalls unter den Öl-Stars.

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Sanddorn statt Acerola: Zwar enthält Sanddorn nur halb so viel Vitamin C wie Acerola, aber das ist immer noch mehr als genug, denn ein Überschuss am wasserlöslichen Vitamin wird ohnehin nur wieder ausgeschieden.

„Der Preis, der für das Image von Superfoods draufgeschlagen wird, ist bei heimischen Produkten einfach nicht drin, da ist die Marge nicht so hoch“, erklärt Experte Bommert die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge. „Dabei enthalten alle unverarbeiteten Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Nüsse und Saaten eine Fülle von Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen, die extrem wichtig für den Körper sind. Eine ausgewogene mitteleuropäische Mischkost ist besser als eine Fixierung auf ein einzelnes Superlebensmittel. Darin stecken zwar ein paar Wirkstoffe in extrem hoher Menge, ein paar andere kommen dagegen aber kaum vor. Deshalb ist eine gute Mischung auf dem Teller viel gesünder. Wer sich dann auch noch nach der Saison richtet und möglichst regional einkauft, spart Geld und reduziert auch den CO2-Ausstoß.“

Fazit: Lieber auf heimische Superfoods zurückgreifen

Niemand muss ganz auf Superfoods verzichten. „Kaufen Sie aber nachhaltige Bio-Produkte, die zudem fair gehandelt werden“, rät Bommert. „Dann haben auch die Erzeuger und ihre Familien etwas davon.“ Der Marktanteil der Bioware entspricht allerdings derzeit nicht mal zehn Prozent.

Und vergessen Sie nicht: Superfoods ergänzen die Ernährung lediglich. Die Auswirkungen schlechter Gewohnheiten, wie viel Junkfood, Alkohol, Rauchen und zu wenig Schlaf können auch Quinoa & Co. nicht ausgleichen. Ihr Fokus sollte auf heimischen Produkten wie Spinat, Leinsamen und Beeren liegen – gern in Bioqualität. Denn diese sind auch supergesund – und nicht so teuer.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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