Rund neun Monate nach der Geburt ihrer Tochter Lola nimmt die 3000-m-Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause immer mehr Fahrt auf. Der Doppelstart am Samstag und Sonntag bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig wird ihr Aufschluss darüber geben, wie gut sie schon in Form ist, knapp ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris. Im exklusiven Interview mit RUNNER’S WORLD spricht sie über ihre Doppelrolle als Mutter und Athletin, ihren Zeitplan bis Paris und über den überraschenden Ausrüsterwechsel von Puma zu On.

In ihrer hessischen Heimat hat sich Gesa Krause wieder in Form gebracht. Den Feinschliff für Olympia holt sie sich in Südafrika und Kenia
Die neue Rolle als Athletin und Mutter
Gesa, wie geht es dir heute – neun Monate nach der Geburt deiner Tochter und sechs Monate vor den Olympischen Spielen in Paris?
Also im Großen und Ganzen geht’s mir sehr gut. Es ist ein sehr schönes neues Leben als Sportlerin und Mutter, das mich sehr erfüllt, das mir viel Energie gibt, dann aber auch natürlich vor neue Herausforderungen stellt. Doch ich war schon immer jemand, der Herausforderungen mochte und an ihnen gewachsen ist.
Die Aufmerksamkeit, die deine Tochter Lola natürlich beansprucht, geht die zulasten deines Fokus als Athletin?
Nein. Es ist einfach nur eine Frage, wie gut man sich organisiert. Das eigene Kind ist eine positive Ablenkung, weil es einem einfach so viel Lebensfreude gibt, die man als positive Energie auf den Sport ummünzen kann. Natürlich passiert einmal etwas Unplanmäßiges, doch dann improvisieren wir eben. Aber im Großen und Ganzen würde ich nicht sagen, dass mein Training und somit meine Performance darunter leiden.
Und auch nicht die nächtliche Erholung?
Die Nächte sind okay. Klar werde ich hier und da mal wach, doch das finde ich gar nicht so schlimm. Die Erholung ist anders. Ja, und man hat eben auch mittags weniger Zeit, sich jetzt irgendwie dann auch schon ins Bett zu legen. Abends gehe ich teilweise sehr früh ins Bett, gegen 21:30, 22 Uhr und dann ist es auch nicht so schlimm, wenn du nachts einmal geweckt wirst. Möglicherweise habe ich ein Glückskind, doch ich glaube auch das ist einfach so, wie man sich der Sache hingibt.
Ihr wart seit Lolas Geburt schon zweimal im Trainingslager: Wie habt ihr da die Organisationsfrage gelöst?
Mein Partner Robert und ich hatten die Unterstützung von unseren Familien. Beim ersten Trainingslager in Kenia hat Robert wenigstens einige Stunden am Tag arbeiten können und nach zwei Wochen sind meine Eltern nachgeflogen und haben den Bungalow direkt neben unserem gemietet. Und in Südafrika waren Roberts Eltern für die Anfangszeit dabei und da ist er dann nachgeflogen. Weil er einen Vollzeitjob hat, kann er nicht in jedem Trainingslager über die volle Zeit dabei sein.
Da steckt anscheinend eine Menge Planung dahinter.
Ja, das Schwierigste ist, die langen Zeiträume der Trainingslager abzudecken. Ich werde noch einmal insgesamt fünfeinhalb Wochen verreisen und da brauchst du halt immer eine Betreuung für die Kleine. Zwischen den Einheiten ist die Zeit mit ihr für mich eine sehr schöne Abwechslung.

Nach drei Jahren bei Puma ist Gesa Krause nun ein Gesicht der ambitionierten Schweizer Marke On
Der neue Partner: Ausrüstervertrag mit On
Auf den neuen Menschen in deinem Leben, deine Tochter, folgt jetzt auch ein neuer Partner. Wie kam es, dass du nach drei Jahren bei Puma zu On gewechselt bist?
Mein Vertrag ist zum Jahresende ausgelaufen. Wir sind über eine Vertragsverlängerung nicht übereingekommen. Dann habe ich mich umorientiert und sehr gute Gespräche mit On geführt. Es war Zeit für ein neues Kapitel in meinem Leben. On hat mich in dieser neuen Situation genau gesehen. Mit meinen Zielen und Träumen bin ich auf viel Sympathie gestoßen. Klar, am Ende ist es sehr wichtig, dass man an sich glaubt und an seine eigenen Ziele. Aber es ist trotz allem auch wichtig, dass Förderer und Sponsoren an einen glauben.
Die Trennung von Puma mag auch vor dem Hintergrund überraschen, dass die Marke dich während der Schwangerschaft unterstützt und auf dem Weg zu den Olympischen Spielen begleitet hat – eine schöne Geschichte.
Die Vorstellungen von Puma und mir gingen da einfach auseinander. Man wollte nicht so weiterarbeiten wie bisher. Da spielten die Vermarktung und das Finanzielle eine Rolle. Bei On bin ich einfach auf ein sehr, sehr positives Mindset und großen Support gestoßen. Da fühlte ich mich gesehen als Athletin, als Mama, und vor allem als jemand, der noch Potenzial hat. Als jemand, der seinen Weg geht, aber gleichzeitig einen neuen Weg einschlägt. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass On an mich glaubt und für die Chance, in den nächsten Jahren meinen Sport weiterzubetreiben und eine sehr junge und auch innovative Firma auf internationaler Bühne zu vertreten. Ich schaue nicht mehr weinenden Auges zurück, sondern mit einem Lächeln nach vorn.
On hat ein Athletenprogramm aufgezogen, den On Athletics Club, das sich damit rühmt, den Athleten und Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und eine starke individuelle Betreuung zu garantieren. Inwiefern war das ein Signal, das dich positiv gestimmt hat?
Die persönliche Ebene ist etwas, was ich sehr, sehr schön finde und das wurde mir von Seiten von On, aber auch von anderen On-Athleten signalisiert. Sie nehmen meinen Weg als Mama wahr und auch, dass das Ganze mit Familie gehen muss: dass ich beispielsweise mal eine Begleitperson für meine Tochter mitnehmen kann. Es gibt auch einige Angebote, die indirekt mit dem Sportlichen zu tun haben. Für die Performance gibt es aber viele Faktoren, die wichtig sind.
Wie lange läuft die Zusammenarbeit?
Der Vertrag läuft über drei Jahre.
Das ermöglicht dir eine Langfristigkeit in deiner Planung. Das heißt aber auch, dass du ausschließen kannst, dass du nach den Olympischen Spielen deine Karriere beendest?
Ja, auf jeden Fall. Mein Plan war nie, nach den Olympischen Spielen meine Karriere zu beenden. Mir war immer klar: Wenn ich mich zurückkämpfe, dann nicht nur für ein Jahr. Die Option, bis zu den Olympischen Spielen 2028 weiterzumachen, besteht immer. Aber so weit will ich jetzt noch nicht in die Zukunft schauen …

Das Ziel ist, bei Olympia im Finale des 3000-Meter-Hindernislaufs an den Start zu gehen. Doch Gesa Krause träumt von mehr ...
Der Status quo: Leistungs-Check bei der DM in Leipzig
Wir erwischen dich kurz vor den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig. Wie zufrieden bist du mit dem Formaufbau über die letzten Monate?
Bisweilen läuft eigentlich alles sehr gut und nach Plan. Klar, der ungeduldige Teil meiner Persönlichkeit wünscht sich natürlich, dass alles noch schneller geht. Man möchte immer gerne über sich hinauswachsen. Doch ich weiß auch, dass alles seine Zeit braucht. Ich bin noch nicht in absoluter Topform. Aber ich würde einfach mal sagen, ich bin auf dem Weg und in Topform soll ich jetzt ja auch noch gar nicht sein, sondern erst im Sommer.
Auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent: Wo stehst du gerade in Bezug auf dein maximales Leistungsvermögen?
Puh, das ist eine schwere Frage. Auf der 800-Meter-Distanz bin ich neulich eine Indoor-Bestzeit gelaufen. Von den Zeiten aus den bisherigen Rennen liege ich gut im Soll. Aber natürlich: Ich habe mir hohe Ziele gesteckt und Schwangerschaft hin oder her, strebt man halt danach Bestzeiten zu laufen. Die Hallensaison hat noch nicht viele Rennen hergegeben, bei denen ich wirklich schnell unterwegs sein konnte. Es ist ja auch nicht der Zeitpunkt, um 3000 Meter Hindernis zu laufen. Deswegen kann ich jetzt nicht sagen, dass ich auf jeden Fall schon 9:35 Minuten laufen kann. Aktuell haben wir Hallensaison. Das Hindernistraining beginnt danach. Ich würde sagen, ich bin auf einem guten Weg.
Du wirst in Leipzig sowohl über die 1500 Meter als auch über die 3000 Meter starten. Einen Doppelstart hatte der Ausrichter ausgeschlossen. Wie kommt’s?
Wir mussten einen Sonderantrag stellen und dem wurde stattgegeben. Ich bin sehr froh, dass es funktioniert. Denn ich bin in sehr wenige Rennen reingekommen in dieser Saison. Ich wäre gerne noch bei ein bis zwei Meetings gelaufen, um in einem schnellen Feld eine gute 3000-Meter-Zeit zu rennen. Aber ich habe keine Startplätze bekommen.
Woran liegt das?
Man war halt mal für ein Jahr weg. Das klingt sehr hart, aber im Sport ist man immer auch von Resultaten abhängig. Jetzt muss ich erst mal wieder beweisen, dass ich was kann. Die Deutschen Meisterschaften geben mir die Möglichkeit zur Standortbestimmung, aber eben auch ein Training in Form einer Doppelbelastung. Denn schließlich habe ich in diesem Jahr vor, zwei Turniere zu laufen: eine EM mit zwei Wettkämpfen und Olympia mit zwei Wettkämpfen und da braucht es einfach die Tempohärte und dafür ist die DM schon ein paar Mal eine gute Generalprobe.
Was ist dir bei den Deutschen Meisterschaften wichtiger: tolle Zeiten zu laufen oder eine Medaille zu gewinnen?
Meine Taktik möchte ich im Vorfeld natürlich noch nicht verraten (lacht). Am Ende geht es bei Deutschen Meisterschaften natürlich um Platzierungen. Und wenn es schnell wird, dann ist das schön, aber das geben die Rennen nur selten her.
Ganz realistisch gesehen: Wenn ich bei Olympia eine Medaille gewinnen möchte, dann muss ich auf jeden Fall eine neue Bestzeit laufen
Das große Ziel: Olympia – und der Traum von einer Medaille
Lass uns mal noch kurz deinen Zeitplan bis Olympia skizzieren.
Ich reise nach der Hallensaison zweimal ins Trainingslager, einmal nach Kenia, dann kurz nach Hause, und dann noch nach Südafrika. Dann folgt die EM im Juni in Rom.
Wo willst du dich für Olympia qualifizieren?
Ich hoffe inständig, dass es beim ersten Versuch in Shanghai am 27. April klappt.
Und falls nicht?
Dann gibt’s noch andere Optionen. Aber das ist der erste Versuch.
Wenn du über Olympia sprichst, sagst du, dein Ziel ist es, an der Startlinie des Finales über 3000 Meter Hindernis zu stehen. Was ist aber dein kühnster Traum?
Das habe ich 2021 schon mal ausgesprochen: eine Olympia-Medaille wäre ein Traum! Träume hat man und die erreicht man nicht immer. Und der Traum ist trotzdem da. Ganz realistisch gesehen: Wenn ich bei Olympia eine Medaille gewinnen möchte, dann sagt mir mein realistisches Ich, man muss um die 9:00 Minuten oder darunter laufen. Also auf jeden Fall eine Bestzeit (aktuell 9:03,30 Min, d. Red.). Das ist für mich einfach ein Fakt. Ob es am Ende bei Olympia für eine Medaille reicht, weiß niemand. Wenn ich keine Medaille gewinne, dann heißt das nicht, dass ich super-traurig oder enttäuscht wäre, das auf gar keinen Fall. Das erste Ziel ist das Finale, das zweite Ziel ist, das Finale so schnell wie möglich zu laufen. Alles, was on top käme, wäre geil!