Sie sind in der Flaniermeile der thüringischen Hauptstadt unterwegs, schlendern über den Anger. Nun versuchen Sie einmal Folgendes: Biegen Sie in die Lachsgasse ab und stöbern Sie einfach „nur mal so“ im Laufladen Erfurt. Spoiler: Sie werden nicht weit kommen. Wie bei einem guten Restaurant werden Sie am Eingang von Absperrständern aufgehalten, ein Schild erklärt: „Wir zeigen Ihnen Ihren Platz.“ Ehe Sie sich versehen, kommt ein Mitarbeiter angewetzt.
Freundlicher Empfang an der Tür
Ein Relikt aus Corona-Zeiten? „Gerade an Samstagen hält das meinen Mitarbeitern den Rücken frei, wenn sie in Beratungsgesprächen sind. So können sie sich besser auf den aktuellen Kunden konzentrieren“, erklärt der 40-jährige Geschäftsführer Boris Lehmann. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr stieg er 2018 in das Laufgeschäft ein, das sein „Paps“ Frank mit Dieter Theuermeister 1992 eröffnet hat. Außerdem, fährt Boris fort, erziele man mit der Abholung an der Tür eine höhere Verbindlichkeit: Kunden, die beim Betreten des Geschäfts begrüßt und nach ihren Wünschen befragt werden, kaufen eher ein als Flaneure. Nebeneffekt: Um nicht warten zu müssen, vereinbaren viele einen Termin zur Laufschuhberatung.

Diese Marken unterstützen SUPPORT YOUR LOCAL DEALER:
Ausführliche 1:1-Beratung beim Laufschuhkauf
Für eine individuelle Laufschuhberatung nehmen sich Boris sowie die anderen acht „Laufenthusiasten“ des Laufladens, wie sie sich auf der Website vorstellen, bis zu eine Stunde Zeit. „Wenn man das so nennen möchte, ist eine Schwachstelle von uns, dass wir noch effizienter sein könnten, indem wir beispielsweise mehr Kunden parallel bedienen. Doch das wollen wir nicht.“ Eine ausführliche 1:1-Beratung kostet 75 Euro; sofern sie im Schuhkauf mündet, ist sie im Preis inkludiert. „Wenn es nichts wert ist, ist es den Kunden nichts wert“, meint Boris.

Physiotherapie im Laufladen
Seine akademische Ausrichtung hat Boris geprägt, das ist spürbar. Als Sportökonom weiß er, was die eigenen Dienstleistungen wert sind, ja, wert sein müssen. Der diplomierte Sportwissenschaftler in ihm kennt sich in den Bereichen Biomechanik und Leistungsdiagnose bestens aus. Für alles andere gibt es Kooperationen: Christian Goldhorn etwa arbeitet als Physiotherapeut mit einem heilpraktischen Ansatz im Laufladen.

Hinter der Milchglasfassade des eigens eingerichteten Behandlungszimmers prüft Christian mit den Kunden unter anderem Zusammenhänge von Ernährung und sportlicher Leistungsfähigkeit.
Sprechstunde für Läuferfragen
In der Ecke des Behandlungsraums steht eine Zweiercouch, die für die „Laufsprechstunde“ wichtig ist: Dort nehmen Boris oder ein Mitarbeiter mit Läufern Platz, die Fragen zum Laufeinstieg oder zu Beschwerden haben oder Inspiration für die nächste große Laufreise suchen. Die Couch wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, glaubt Boris. Nämlich wenn die Menschen nicht aufhören, sich weiter unter Druck zu setzen – sei es im Job, in der Familie oder im Sport. Dann brauche es jemanden, der zuhöre und helfe, Strategien zu entwickeln, sich aus der eigenen Umklammerung zu befreien – auch ein Grund, warum sich Boris zum Business Coach ausbilden ließ.
Ein Lauf-Liebe-Festival
„Wir wollen Leute für Bewegung begeistern, ihnen helfen, Körper und Geist durch Sport in Einklang bringen“, sagt er. Das funktioniere am besten draußen, in der Natur. Deshalb hat sich der Laufladen das Lauf-Liebe-Festival Anfang Oktober einfallen lassen: Gemeinsam mit dem ambitionierten Bäckermeister Max Stiebling („Die Teigmacher“) organisierte Boris eine Laufveranstaltung in Bad Tabarz, wo Läufer für einen günstigen Preis ein dreitägiges Rundum-Wohlfühlpaket bekamen: von Laufschuhtests und einer Tapas-Laufrunde durch den Thüringer Wald über Sauna-Sessions mit Läuferbieraufguss bis hin zu spannenden Vorträgen. „Wir wollen unseren Kunden Erlebnisse schenken, abseits vom Mainstream. Deshalb verzichten wir auch auf Begriffe wie Trailrunning. Wir laufen einfach im Wald.“
Nach dem Lauf ein Läuferbier. Prost!
Und was lieben Läufer nach dem Laufen? Genau: Bier. Auch hierfür haben die laufverliebten Erfurter ein Angebot. Im bayerischen Memmelsdorf brauen die Lehmanns (selbst, aber unter Aufsicht!) zu Ehren von Franks verstorbener Mutter Helga ein süffiges Helles, erstmalig zum 25. Ladenjubiläum. Zum 30-Jährigen würdigte der Junior den Senior mit der Kreation „Frank“, einem dunklen Bock.

Der aLLEgro: eine Laufschuh-Eigenkreation
Wo wir gerade bei „made in Germany“ sind: Gemeinsam mit der norddeutschen Schuhmanufaktur Lunge entwickeln die Lehmanns einen eigenen Laufschuh: den aLLEgro. Die vollwertige Eigenkreation findet auch als Alltagsschuh immer mehr Fans und steht für die Haltung des Laufladens, auf regionale oder nationale Hersteller zu setzen, bei der Sporternährung etwa auf Ultra Sports.

Wofür ist das alles gut, Boris? „Uns zeichnet aus, dass wir einen Motivationspunkt für die Leute darstellen, in welcher Form auch immer.“