- Was bringen Carbonschuhe?
- Welche Carbonschuhe sind die besten?
- Wie weiß ich, ob ein Carbonschuh zu mir passt?
- Für wen sind Carbonschuhe geeignet?
- Sollte ich Carbonlaufschuhe auch im Training tragen?
Seit Nike 2017 den Vaporfly 4% auf den Markt gebracht hat, hat fast jede größere Laufschuhmarke nachgezogen und Modelle mit Carbonplatte in der Mittelsohle entwickelt. Seitdem purzeln die Rekorde – ob nationale oder internationale – auf der Straße. In Carbonschuhen haben Brigid Kosgei (2:14:04 Stunden) und Eliud Kipchoge (2:01:09 Stunden) die Marathonweltrekorde förmlich pulverisiert.
Die Schuhe haben einen derart großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, dass sich der Leichtathletik Weltverband (World Athletics) sogar veranlasst sah, Regularien zu entwickeln, um den Laufschuhmarken klare Grenzen aufzuzeigen. Seitdem dürfen die Mittelsohlen der Wettkampfschuhe maximal 40 Millimeter hoch sein – auf der Bahn sind gar nur 25 Millimeter erlaubt. Doch einige Hersteller machen trotzdem dickere Mittelsohlen mit Carbonelementen und empfehlen diese Modelle ausdrücklich für das Training.
Wir leben längst im Carbonzeitalter. Kaum ein Profi rennt bei einem Wettkampf auf der Straße noch in Schuhen ohne Carbonelement in der Mittelsohle mit. Auch viele Hobbysportlerinnen und -sportler setzten bei Rennen auf Carbonschuhe. Und nicht nur dort, sondern auch im Training, bei Dauerläufen und Tempoeinheiten, sind viele in den Schuhen unterwegs. Aber ist es überhaupt ratsam, Carbonschuhe im Training zu laufen? Bevor ich darauf eingehe, möchte ich zunächst ein paar andere Fragen beantworten.
Was bringen Carbonschuhe?
Ich selbst habe mehrere Dutzend Studien und Untersuchungen gelesen, die eindeutig belegen, dass Carbonschuhe durch die unterstützenden Eigenschaften (versteifte Abrollbewegung, reaktive Dämpfung) die Laufökonomie verbessern. Von einer besseren Laufökonomie spricht man dann, wenn weniger Sauerstoff benötigt wird, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu laufen. Die Verbesserung der Laufökonomie kann dabei 0,1 bis über 6 Prozent betragen – beim Vaporfly 4% versprach Nike eine Verbesserung von den namensgebenden vier Prozent. Wer weniger Sauerstoff benötigt, kann entsprechend schneller laufen.
Allerdings kann die Laufökonomie auch ins Negative verändert werden. Es gab Untersuchungen, bei denen einige Carbonmodelle im Vergleich zu normalen Laufschuhen überraschend schlecht abschnitten und sogar einen negativen Effekt auf den Sauerstoffbedarf hatten – die Probandinnen und Probanden benötigten also mehr Sauerstoff und liefen letztlich langsamer.
Welche Carbonschuhe sind die besten?
Wie bei allen anderen Laufschuhen auch lässt sich diese Frage nicht pauschal für alle Läuferinnen und Läufer beantworten, sondern ist höchst individuell. Körperstatik und Laufstil, aber auch Lauftempo und muskuläre Voraussetzungen spielen eine Rolle dabei, ob der Schuh zum Läufer oder zur Läuferin passt. Ihr kommt also nicht an einer Anprobe oder besser noch Laufschuhberatung mit Probelaufen vorbei. Bei Carbonschuhen ist zudem eine gewisse Eingewöhnungszeit einzuplanen, bis ihr euch wirklich im schnellen Schuh wohlfühlt.
Dennoch möchte ich hier drei Top-Carbonschuhe vorstellen, bei denen auf jeden Fall eine Anprobe lohnt:
Der Nike Air Zoom Alphafly Next% 2 läuft sich extrem ungewohnt (vor allem in Kurven), ist aber einfach verdammt schnell. » Zum ausführlichen Testbericht
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Der Asics Metaspeed Sky+ läuft sich überraschend unaufgeregt und sicher, fast wie ein normaler Lightweight-Trainer. » Zum ausführlichen Testbericht
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Im Adidas Adizero Adios Pro 3 läuft es sich wie auf einem Trampolin. Der Adios Pro macht auf der Straße richtig viel Spaß. » Zum ausführlichen Testbericht (Vorgängerversion)
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Wie weiß ich, ob ein Carbonschuh zu mir passt?
Wenn ihr sichergehen wollt, dass ihr einen Carbonschuh tragt, der euch auch hilft, solltet ihr zunächst auf euer Körpergefühl hören. Fühlt sich der Schuh beim Laufen gut und schnell an, ist er es vermutlich auch. Um es genauer zu testen, eignet sich aber folgender Feldtest:
Lauft wie bei einem Intervalltraining mehrfach eine vordefinierte Strecke (beispielsweise einen Kilometer) in eurem angestrebten Wettkampftempo und wechselt dabei zwischen einem normalen Laufschuh- und einem Carbonmodell. Lauft ihr bei gleicher Belastung (Herzfrequenz) schneller oder bei gleichem Tempo mit geringer Belastung, liegt es vermutlich am Carbonschuh.
Ihr könnt eure Laufökonomie auch in einem Lauflabor im Rahmen einer Spiroergometrie (Leistungsdiagnostik) ermitteln lassen, um ganz sicherzugehen, wie viel Sauerstoff ihr bei eurer angestrebten Wettkampfpace mit Carbon und ohne Carbon benötigt.

Für wen sind Carbonschuhe geeignet?
Viele denken, dass Carbonlaufschuhe nur etwas für die schnellsten Läuferinnen und Läufer sind. Doch das Gegenteil scheint richtig zu sein: Zwar profitieren auch Top-Athlet*innen, was man ja unter anderem an den zahlreichen nationalen und internationalen Rekorden der vergangenen Jahre sieht, aber bei vergleichsweise langsamen Proband*innen scheint der positive Effekt noch größer zu sein.
These: (Aus)trainierte Athletinnen und Athleten sind besser auf die Anforderungen beim Laufen vorbereitet und profitieren daher im Verhältnis nicht so sehr von den unterstützenden Eigenschaften der Carbonschuhe als weniger Trainierte.
Wenn ihr einen Marathon in vier Stunden lauft, profitiert ihr also im Zweifel mehr als diejenigen, die vorn das Rennen gewinnen. Lassen wir die geringe Haltbarkeit der Mittelsohlenmaterialien, die oft schon nach 250 Kilometern einen Teil ihrer Reaktivität verlieren, sowie den hohen Kaufpreis jenseits der 250-Euro-Marke mal außen vor, sind Carbonlaufschuhe tatsächlich eine leistungsfördernde Option für alle Leistungsklassen.
Sollte ich Carbonlaufschuhe auch im Training tragen?
Die Frage lässt sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Daher möchte ich einmal auf die wichtigsten Vorteile und Nachteile von Carbonschuhen und somit auf das Für und Wider eingehen.
- Die Vorteile: Da Carbonlaufschuhe dazu führen können, dass man weniger Sauerstoff benötigt, wodurch man wiederum schneller laufen kann, führen sie in der Tat zu einem größeren Trainingseffekt. Zudem deuten unterschiedliche Untersuchungen auf eine geringere muskuläre Ermüdung während und nach harten Trainingseinheiten und langen Läufen hin. Auch außerhalb wissenschaftlicher Untersuchungen berichten vielen Läuferinnen und Läufer davon, dass sie in Carbonschuhen weniger schnell ermüden und sich anschließend frischer fühlen. Somit können Carbonschuhe dazu führen, dass sich im Training die Regenerationszeit verringert und mehr beziehungsweise intensiver trainiert werden kann, was letztlich die Leistungsfähigkeit erhöht.
- Die Nachteile: Im gleichen Atemzug mit den Vorteilen sind aber auch die weniger positiven Aspekte zu nennen. So greifen die sehr steifen und arg gedämpften Carbonschuhe stark in die Laufbewegung ein. Biomechanik-Expertinnen und -Experten beobachten seit der Einführung der Carbonlaufschuhe vermehrt Verletzungsmuster, die bis dahin selten waren. Es scheint so, als treten im Bereich Fußwurzelknochens verstärkt Ermüdungsbrüche auf, während gleichzeitig Achillessehnenbeschwerden zunehmen. Ob ein Kausalzusammenhang mit der durch Carbonschuhe feststellbaren größeren Schrittlänge und längeren Bodenkontaktzeit besteht, muss sich noch zeigen. Aber in meinen Augen ist es logisch, dass die Carbonschuhe einen Einfluss auf unser Laufen haben – sonst würden sie uns ja nicht schneller machen.
Stelle ich die Vorteile (geringere Ermüdung, größerer Trainingseffekt) den Nachteilen (höheres Verletzungsrisiko) gegenüber, fühle ich mich wie in einer Zwickmühle. Einerseits scheinen sie den gewollten Effekt des Trainings zu vergrößern, andererseits aber auch das ungewollte Risiko einer Verletzung.
Als Trainer rate ich meinen Athletinnen und Athleten daher: Gewöhnt euch während der Wettkampfvorbereitung an die Schuhe, die ihr im Rennen tragen wollt. Drei, vier lange Läufe und das ein oder andere schnellere Training sollten reichen, um sich an die Schuhe zu gewöhnen, aber kein allzu großes Risiko hinsichtlich möglicher Verletzungen einzugehen. Die berühmte 80/20-Regel, laut der man 80 Prozent der Trainingskilometer im ruhigen Tempo und 20 Prozent im intensiven Bereich laufen sollte, lässt sich meines Erachtens gut auf Carbonschuhe übertragen: Lauft maximal 20 Prozent eurer Kilometer mit Carbon und den Rest ohne. So überwiegen hoffentlich die Vorteile – und bei Preisen jenseits der 250-Euro-Marke spart ihr zudem Geld, denn lange halten die Wettkampfschuhe meist nicht. Wer keinerlei Wettkampfambitionen hat, muss sich meiner Meinung überhaupt nicht mit der Thematik auseinandersetzen.