Beim Tempotraining denken die meisten an Intervalltraining und Tempodauerläufe, vielleicht noch an ein Fahrtspiel. Wenn du Abwechslung für dein Lauftraining suchst und neue Trainingsreize setzen möchtest, kann der Crescendo-Lauf eine spannende Alternative für dich sein. Ein Crescendo-Lauf oder progressiver Lauf ist eine qualitative Trainingseinheit, bei der du dein Tempo im Verlauf der Einheit steigerst. Du läufst also am Ende auf jeden Fall schneller als zu Beginn. In diesem Artikel findest du neben Definition und Anleitung auch Beispiel-Einheiten, die du in deinen Trainingsplan einbauen kannst.
Was ist ein Crescendo-Lauf?
Das Wort Crescendo stammt vom lateinischen und italienischen crecere ab, was so viel heißt wie wachsen, zunehmen. Die meisten kennen den Begriff wahrscheinlich aus der Musik, wo er sich auf die allmähliche Steigerung der Lautstärke in einem Stück bezieht. Im Lauftraining ersetzt man Lautstärke mit Geschwindigkeit oder Intensität und erhält eine Trainingseinheit in der man auf unterschiedliche Arten über den Verlauf der Einheit das Tempo steigert. Ein Crescendo-Lauf ist also eine Laufeinheit, bei der die Geschwindigkeit am Anfang am geringsten und am Ende am höchsten ist. Im Englischen heißt diese Trainingsform übrigens „progressive run“, manche Trainer*innen sprechen auch im Deutschen von einem „progressiven Lauf“.
Für wen ist ein Crescendo-Lauftraining geeignet?
Diese Trainingsform ist nicht für Laufanfänger geeignet, da sie ein Grundgefühl fürs Pacing und eine gewisse Geschwindigkeitsspanne voraussetzt. Hast du aber schon mal an einem Laufwettbewerb teilgenommen oder möchtest dich, egal auf welchem Level, durchs Training weiter verbessern, dann ist der Crescendo-Lauf vielleicht ein neuer, interessanter Trainingsreiz in deiner nächsten Rennvorbereitung.
Was bringt ein Crescendo-Lauf?
Wer schon mal im Rennen zu schnell gestartet ist und dafür später bezahlt hat, der weiß, wie wichtig Pacing und Geduld gerade auf den längeren Distanzen sind. Beim Crescendo-Lauf übst du ein Gefühl für Geschwindigkeit und der wahrgenommenen Intensität zu verschiedenen Zeitpunkten der Trainingseinheit. Die Methode ist eine gute Hybrid-Einheit zwischen Basistraining und Tempoläufen und schult insbesondere die Tempohärte bei zunehmender Belastung. Außerdem ist durch das geringe Anfangstempo das Aufwärmen bereits integriert und geht nicht in Überlegungen zur Zeiteffektivität unter. Und letztlich gibt es psychologische Vorteile: Viele Athletinnen und Athleten finden diese Einheiten weniger einschüchternd als vielleicht ein Intervalltraining oder einen Schwellenlauf und erholen sich davon auch schneller. Mit einer Pace zu starten, die sich leicht anfühlt, die Einheit in kleine Abschnitte zu teilen, bei denen die meisten in einer Geschwindigkeit gelaufen werden, die du gut umsetzen kannst und am Ende des Trainings am schnellsten zu sein, fühlt sich gut an.
Die Vorteile im Überblick
- Gute physische und psychische Vorbereitung auf den anstrengenden letzten Kilometer im Rennen
- Schulung des Körper- und Tempogefühls in unterschiedlichen Erschöpfungszuständen
- Verbesserung der Tempohärte bei zunehmender Belastung
- Zeitsparende Einheit durch Integration des Einlaufens
- Für viele ist ein progressiver Lauf eine kleinere mentale Hürde als etwa ein Intervalltraining
- Erfolgserlebnis durch schnelles Laufen am Ende
Wie funktioniert ein Crescendo-Lauf?
Das Tolle an dieser Methode ist, dass du sie in viele Trainingsformen integrieren, strukturiert oder unstrukturiert und spontan einbauen kannst. Du profitierst über lange und kurze Distanzen davon und kannst auch mit der Dauer und der Geschwindigkeitsspanne spielen. Hauptsache, du fängst entspannt an und steigerst dann bis zu einer beliebigen schnelleren Geschwindigkeit. Im Gegensatz zum Intervalltraining machst du dazwischen aber keine Pause. Hier sind ein paar Anregungen für deinen Crescendo-Lauf.
Trainingsbeispiele für deine Crescendo-Laufeinheiten
Der Kilometer-Crescendo
Wahrscheinlich der Klassiker des progressiven Laufs. Du suchst dir eine Runde, diese kann 1 oder 2 Kilometer lang sein. In jeder Runde läufst du 5–10 Sekunden schneller, ohne zwischen den Runden eine Pause zu machen. Du endest bei etwa 90 % der maximalen Herzfrequenz. Danach erfolgt ein kurzes Cool-down.
Du kannst natürlich auch Zeitabschnitte statt Streckenabschnitte für die Steigerung nehmen, also zum Beispiel alle 4–10 Minuten. Außerdem musst du nicht bis 90 % steigern, sondern kannst je nach Empfinden und Streckenlänge auch schon früher aufhören.
Der gesteigerte Long Run
Teile deinen langen Lauf in 3–6 Abschnitte von beispielsweise 5 Kilometern oder 20 bis 30 Minuten. Dein letzter Abschnitt sollte im Renntempo oder knapp darunter gelaufen werden. Den ersten Abschnitt läufst du so langsam, dass du dich pro Abschnitt um 10–20 Sekunden pro Kilometer steigern kannst. Laufe am Ende noch 10 Minuten ganz gemütlich aus.
Beispiel für eine Marathon-Zielzeit von 3:30 Stunden
- Abschnitt 1, 0–5 km: 6:00 min/km
- Abschnitt 2, 5–10 km: 5:45 min/km
- Abschnitt 3, 10–15 km: 5:30 min/km
- Abschnitt 4, 15–20 km: 5:15 min/km
- Abschnitt 5, 20–25 km: 4:55-5:00 min/km
- Cool-down: 10 Minuten sehr gemütlich traben
Der Long Run mit Endbescheunigung
Hierbei teilst du deinen langen Lauf in vier unterschiedlich lange Abschnitte ein.
- Abschnitt 1: 10–15 Minuten Warm-up in einer sehr angenehmen Geschwindigkeit
- Abschnitt 2: 30–150 Minuten bei 70–75 % deiner maximalen Herzfrequenz
- Abschnitt 3: 15–30 Minuten in deiner Wettkampfzielgeschwindigkeit plus/minus 5 Sekunden beziehungsweise mit einem RPE von 7–8 (gefühlte Anstrengung auf einer Skala von 1–10)
- Abschnitt 4: 10 Minuten Cool-down in einer sehr angenehmen Geschwindigkeit (Traben oder auch Gehen)
Der Crescendo-Dauerlauf
Teile deinen Dauerlauf in drei Abschnitte. Steigere deine Geschwindigkeit über die Abschnitte von einer empfundenen Anstrengung (RPE) von 2/3 über 4/5 bis 6/7, was etwa deinem Schwellentempo entspricht.
Die letzten 10 Prozent
Die letzten 10 Prozent deines gemütlichen Dauerlaufs gibst du Gas. Natürlich kannst du dir deinen finalen Abschnitt auch frei und spontan wählen.
Fazit: Der Crescendo-Lauf ist eine effektive Tempoeinheit mit wenigen Regeln
Der Crescendo-Lauf oder progressive Lauf ist eine Trainingsmethode, bei der du über eine beliebige Streckenlänge das Tempo kontinuierlich steigerst, ohne Pausen zu machen. In der Gestaltung sind der Kreativität wenige Grenzen gesetzt, Hauptsache am Anfang ist es langsam und hinten raus wird es schneller. Du wirst dadurch dein Geschwindigkeitsmanagement im Training und im Wettkampf verbessern und bekommst einen Boost für dein Selbstvertrauen im letzten Rennabschnitt. Die Einheit ist anstrengend, aber durch den sanften Einstieg und die weniger starren Zeit- und Geschwindigkeitsvorgaben für viele Athletinnen und Athleten mental erfrischender als andere Tempoeinheiten.