Halbmarathon mit über 60 Jahren

Trainingsplan für Altersklassen-Athleten
Halbmarathon mit über 60 Jahren

Veröffentlicht am 15.06.2023
Trainingsplan: Erster Halbmarathon mit Ü60. Sportliche ältere Frau joggt im Wald.
Foto: iStockphoto

Kann ich mit über 60 mit dem Halbmarathonlaufen anfangen?

Vorneweg: Ja! Sie können definitiv mit über 60 Jahren Ihren ersten Halbmarathon planen. Das ist sogar – wenn Sie grundsätzlich gesund sind – extrem sinnvoll. Wer im Alter noch sportlich aktiv ist, betreibt die beste Vorsorge für seine körperliche Gesundheit und das seelische Gleichgewicht im hohen Alter. Das ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Nicht nur bei Frauen bringt ein sinkender Hormonspiegel zum Teil gravierende Veränderungen mit sich, auch Männer bemerken spätestens nach dem 60. Geburtstag, dass die Muskulatur signifikant zurückgeht, das Bindegewebe schwächer wird und die Schnellkraft nachlässt. Umso mehr gilt für Sie das englischsprachige Zitat: Use it or lose it! Wer seine körperlichen Fähigkeiten nicht nutzt, wird sie ganz verlieren. Ja, es scheint wie ein Kampf gegen Windmühlen, aber Fakt ist: Wer nicht kämpft, hat bereits verloren.

Zwei wichtige Faktoren für Sportler über 60 Jahre

Krafttraining und Ernährung! Mehr als junge Läuferinnen und Läufer müssen Sie darauf achten, Ihre Muskulatur gezielt aufzubauen bzw. „am Leben“ zu halten. Einerseits gibt es keine bessere Verletzungsprophylaxe als ein stabiles Muskelkorsett, andererseits aktiviert ein anaboler Stoffwechsel die Hormonproduktion und das mentale Wohlbefinden. Schaffen Sie am besten eine tägliche Routine, die ein paar wenige, aber gezielte Kraftübungen beinhaltet, um Ihren Körper neben dem reinen Lauftraining zu unterstützen. Kniebeugen, Ausfallschritte oder Liegestützen kann man jeden Morgen im Badezimmer vor dem Zähneputzen machen.

Außerdem müssen Sie intensiver als Ihre jüngeren Sportsfreunde auf eine proteinreiche Ernährung achten. Versorgen Sie Ihren Organismus bereits beim Frühstück mit hochwertigem Eiweiß: Leinsamen, Haferflocken, Nüsse, aber auch Eier, Milch und Jogurt sind Protein-Lieferanten, die Ihnen geben, was ein aktiver Stoffwechsel benötigt. Auch nach dem Training kommt der Eiweißzufuhr eine besondere Bedeutung zu, denn gesetzte Trainingsreize können vom Körper nur erfolgreich verarbeitet werden, wenn Aminosäuren mit einer hohen biologischen Wertigkeit verfügbar sind. Mit über 60 Jahren hat der Körper gelernt, besonders effektiv zu arbeiten und kann in der Regel Kohlenhydrate sehr gut verstoffwechseln. Die Kohlenhydratzufuhr ist und bleibt auch der wichtigste Nährstofflieferant, wenn es um erfolgreiches Laufen geht, aber vergessen Sie die Proteine nicht und orientieren Sie sich am besten immer an diesem Grundsatz: Kohlenhydrate vor Belastungen, Eiweiß nach Belastungen!

Die beste Nachricht: Ihr Herz-Kreislauf-System ist auch mit über 60 Jahren noch trainierbar und reagiert auf entsprechende Trainingsreize mit einer Leistungssteigerung. Sie müssen nur ein paar wichtige Trainingsprinzipien beachten. Diese Prinzipien gelten für 28-Jährige ebenso wie für 62-Jährige.

Passen Sie die Intensitäten Ihren aktuellen Fähigkeiten an

Trainingsreize müssen eine bestimmte Reizschwelle des Körpers überschreiten, dürfen aber auch nicht zu hoch sein, damit sie den Körper zu leistungsfördernden Prozessen herausfordern. Dabei müssen Individualität und Alter berücksichtigt werden. Sie sind 63 Jahre alt, träumen von Ihrem ersten Halbmarathon und können die 10 Kilometer knapp unter einer Stunde laufen? Dann planen Sie am besten mit einem Renntempo von 6:15 min/km für Ihre Halbmarathon-Premiere. Sie sind unsicher, was die richtige Dosierung Ihres Trainings angeht? Dann laufen Sie einen 10-Kilometer-Testlauf – mit einem Prognose-Rechner können Sie aus dem Ergebnis Ihre richtigen Werte und Zielzeiten ermitteln.

Übrigens: Studien haben gezeigt, dass diejenigen, die mit 65 Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben in ein systematisches Lauftraining eingestiegen sind, in den darauffolgenden sieben Jahren eine stetige Verbesserung der Herz-Kreislauf-Werte erreichen konnten. Der reifere Sportler wird also mit 72 Jahren zwar nicht im Körper eines 28-Jährigen stecken, aber er wird ein größeres Herzvolumen und eine verbesserte Sauerstoffaufnahme haben, als ein anderer 72-Jähriger, der in den letzten sieben Jahren keinen Sport getrieben hat. Das soll heißen: In keinem Alter ist es zu spät, mit dem Training zu beginnen. Der Körper wird immer auf die Trainingsreize reagieren, aber die Reize müssen an Alter, Geschlecht und aktuellen Leistungs- und Gesundheitszustand angepasst sein.

Einmal laufen ist keinmal laufen

Wer nur einmal pro Woche läuft, setzt nicht genügend Trainingsreize, um langfristigen Erfolg zu erzielen. Wird der Körper durch Training gefordert, reagiert er mit Anpassungsvorgängen. Bleibt der nächste Reiz allerdings innerhalb einer bestimmten Zeitspanne aus, baut der Körper das verbesserte Niveau auch wieder ab. Auch Laufanfänger jenseits der 60 sind nach 72 Stunden regeneriert und müssen dann den nächsten Reiz setzen, um ihre Leistungsfähigkeit weiterzuentwickeln. Sonst war die bisherige Anstrengung umsonst. Dann glaubt der Körper, die Anstrengung war nur eine einmalige und die Verbesserungen der Körpersysteme, die er nach dem ersten Training bereits in Gang gesetzt hat und die eine Laufleistung fördern, werden wieder rückgängig gemacht.

Wer also das nächste Leistungsplateau erreicht hat, muss auf diesem dann auch weiter trainieren. Je trainierter Sie sind, desto kürzer werden die Zeitabschnitte, in denen der nächste Trainingsreiz gesetzt werden muss. Diejenigen, die es gewohnt sind, dreimal pro Woche zu trainieren, dürfen demnach regelmäßig alle 48 Stunden einen nächsten Reiz, der das Herz-Kreislauf-System belastet, setzen. Aber Vorsicht! Gerade im fortgeschrittenen Alter gilt der Grundsatz: Der Athlet ist immer nur so stark wie sein schwächstes Glied. Nehmen Sie Rücksicht auf ihren Bewegungsapparat. Selbst, wenn Ihr Herz-Kreislauf-System eine erneute Belastung verträgt, die Sehnen, Bänder, Muskeln und Gelenke müssen nach dem letzten Training auch wieder soweit sein, um wieder belastet zu werden.

Das Prinzip Superkompensation

Auf eine Belastung muss eine Erholung folgen, aber auch wieder eine Belastung, damit der Körper seine Leistungsfähigkeit entwickeln kann. Denn er nutzt die Erholung für einen wunderbaren Prozess, den auch ein Organismus jenseits der 60 perfekt beherrscht: Er baut seine Energiesysteme selbstständig aus. Der Vorteil des Alters: Zellen haben ein Gedächtnis und erinnern sich wieder und wieder an diesen Anpassungsmechanismus, den man Superkompensation nennt. Selbst, wenn eine Verletzung, Krankheit oder das Leben Sie mal ausgebremst haben sollte, ist keine Trainingseinheit umsonst! Ausdauertraining lohnt sich immer.

Das Problem bei der genialen Geschichte mit der Superkompensation: Der Körper reduziert seine Energiereserven wieder, wenn im entscheidenden Moment, also dann, wenn die Regenerationsprozesse abgeschlossen sind, kein neuer Trainingsreiz erfolgt. Denn ein starker Herzmuskel, eine verbesserte Lungenkapazität, gut funktionierende Mitochondrien in den Zellen machen dem Körper auch Arbeit, zu viel Arbeit, als dass er sie bei sinkendem Energieumsatz aufrechterhalten möchte. Die Kunst liegt also darin, die richtige Balance und den notwendigen Zeitabstand zwischen Laufeinheiten und Ruhetagen zu finden.

Training muss gesteigert werden, wenn Sie sich verbessern wollen

Trainingsreize müssen Schritt für Schritt gesteigert werden, um die gewünschten Anpassungsvorgänge immer wieder neu in Gang zu setzen. Es ist also notwendig, die Intensitäten und Umfänge des Trainings langsam, aber stetig immer weiter zu steigern, wenn man auch seine Leistungsfähigkeit immer weiter steigern will. Durch den wunderbaren Effekt der Superkompensation erreichen Läuferinnen und Läufer zwar immer wieder ein neues Leistungsniveau, um aber die Leistungsentwicklung fortzusetzen, müssen in einer nächsten Trainingsphase die Reize also entsprechend höher sein, als die in der vorherigen Trainingsphase. Das gilt vor allem, wenn Sie mit dem Halbmarathon ein ganz neues Ziel im Auge haben. Sie müssen in kleinen Schritten Ihr Laufpensum stetig steigern und dabei gilt der wichtige Grundsatz: Umfang vor Intensität! Steigern Sie immer erst die Länge Ihrer Laufeinheiten, bevor Sie das Tempo erhöhen.

Die Variation der Belastung ist wichtig

Bei ständig gleichbleibender Belastung steigert sich die Leistungsfähigkeit nicht. Gerade Läuferinnen und Läufer höheren Alters lieben es, wenn Sie immer wieder die gleiche Runde zur gleichen Tageszeit im gleichen Tempo laufen können. Bei schwindender Sehkraft und mangelnder Koordination ist das Laufen auf gewohnten Wegen sicherer und einfacher. Aber so stumpft das vegetative Nervensystem noch schneller ab. Erst variable Trainingsreize sorgen für ständig neue Stimulationslagen des Körpers. Lockere Dauerläufe, Tempoläufe, Tempodauerläufe, lange Läufe in immer wieder unterschiedlichem Gelände sind die Zutaten für erfolgreiches Training im Alter. Wer seine Halbmarathon-Vorbereitung unter Berücksichtigung dieser Trainingsakzente gestaltet, trainiert effektiver und gesünder. Sie müssen sich jetzt nicht auf technische Trails und damit koordinativ in Gefahr begeben, aber bauen Sie dennoch neue Reize in Form von Tempovarianten in Ihr Training ein. Es reicht, wenn Sie einmal pro Woche bewusst mit dem Tempo spielen. Kurze, aber hochintensive Belastungen von 30 bis 60 Sekunden mit 6 bis 12 Wiederholungen pushen den Stoffwechsel, fördern den Muskelaufbau, schulen die Koordination und machen auch mit über 60 Jahren eine erfolgreiche Läuferin, einen erfolgreichen Läufer aus Ihnen.

Zwei exemplarische Trainingswochen, wie Sie auch als älterer Laufeinsteiger für die 21 Kilometer in Form kommen:

Hier können Sie den detaillierten Plan inklusive wichtiger Trainingshinweise, Kraft-, Dehn- und Technikübungen als PDF-Druckversion kaufen und direkt herunterladen: