Sechs Profi-Tipps
Sechs Geheimnisse erfolgreicher Läufer

Hartes Training pusht die Leistung, ist aber nicht immer zu schaffen. Die Profis zeigen wie's leichter geht.
Sechs Geheimnisse erfolgreicher Läufer
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In der Vorbereitung auf den Boston-Marathon 2019 lief der US-Amerikaner Scott Fauble 2.645 Kilometer in zwölf Wochen. Aber wenn man ihn fragt, welche dieser Kilometer seiner Meinung nach dafür sorgte, dass er in 2:09:09 Stunden erstmals unter 2:10 Stunden blieb, ist er vollkommen sicher: „Die Tempodauerläufe von bis zu 28 Kilometer Länge. Aber das sind auch die Trainingseinheiten, vor denen ich den größten Respekt habe.“ Top-Athleten wissen genau, welche Trainingseinheiten sie am meisten fordern, und sie wissen auch, dass genau diese Laufeinheiten ihrer Leistungsfähigkeit am meisten auf die Sprünge helfen. Erfreulicherweise gilt das nicht nur für Profis – auch für Freizeitläufer lohnt es sich, ab und zu im Training an die eigenen Grenzen zu gehen. So erfreulich finden Sie das gar nicht? Sie haben gehofft, Sie könnten auch ohne Anstrengung besser und schneller werden? Vergessen Sie’s!

Jeder Läufer, der schneller und ausdauernder werden will, braucht dazu intensive Trainings. Doch es gibt durchaus Möglichkeiten, sich diese harten Belastungen ein wenig zu erleichtern. Die besten Tricks haben natürlich die Eliteläufer auf Lager, die mehrmals pro Woche intensiv trainieren.

Profi-Tipp Nr. 1: Aufwärmen

Eliteläufer verwenden vor einem intensiven Training viel Zeit auf das Aufwärmen, um ihren Körper auf die explosiven Muskelbelastungen vorzubereiten. Sie laufen sich 20 bis 40 Minuten ein, machen anschließend Koordinationsübungen, Steigerungen, Sprints und stretchen leicht. Das sorgt für einen regen Blutfluss und steigert die Temperatur in den Muskeln, wodurch diese extrem flexibel werden. „Wenn ich 28 Kilometer in hohem Tempo laufen will, soll jeder einzelne Kilometer zählen, auch der erste, deshalb wärme ich mich gründlich auf“, sagt Scott Fauble.

Unser Rat an Sie

Sie haben bestimmt nicht so viel Zeit für Ihr Lauftraining wie Scott, aber das ist kein Grund, sich das Warm-up komplett zu sparen. Vor jeder intensiven Einheit müssen Sie sich mindestens zehn Minuten langsam einlaufen und anschließend drei Steigerungen machen. Sonst fällt Ihnen nicht nur das schnelle Laufen extrem schwer (vor allem zu Beginn), sondern Sie riskieren auch eine Muskelverletzung.

Profi-Tipp Nr. 2: Tempo kontrollieren

Profis haben in der Regel einen Trainer, der jede ihrer harten Laufeinheiten begleitet. Der Coach überprüft das Tempo anhand von Zwischenzeiten. Wenn sein Athlet einen Tempolauf zu schnell angeht, greift er sofort ein und bremst ihn, denn ein zu schneller Start in die Belastung führt zu einem Laktatüberschuss in den Muskeln, der die Laufbewegung hemmt. „Grundsätzlich ist es sinnvoller, die zweite Hälfte der Tempoeinheiten schneller zu laufen als die erste. Das ist das Ziel“, sagt Olympiasieger Dieter Baumann, der einst auch den besten deutschen Marathonläufer, Arne Gabius, trainierte.

Unser Rat an Sie

Suchen Sie sich für Ihre Tempoläufe eine vermessene Strecke (400-Meter-Bahn), auf der Sie regelmäßig Ihr Tempo kontrollieren können. Legen Sie vor dem intensiven Training Distanz, Tempo und Zahl der Wiederholungen fest. Überprüfen Sie vom ersten Meter an regelmäßig die Pace und drosseln Sie das Tempo sofort, wenn Sie zu schnell sind. Nur wenn Sie sich nach zwei Dritteln der Belastung unterfordert fühlen, dürfen Sie das Tempo erhöhen.

Profi-Tipp Nr. 3: Nichts erzwingen

An manchen Tagen fühlt man sich beim Laufen großartig, an anderen Tagen mies. Top-Läufer haben ein feines Gespür dafür und reagieren darauf, indem sie durchaus auch mal ein Tempoprogramm zusammenstreichen. „Mit Gewalt geht gar nichts“, sagt Gary Lough, der mit Ex-Marathon-Weltrekordhalterin Paula Radcliffe verheiratet ist und inzwischen auch Mo Farah trainiert. Lough: „Es kommt immer mal wieder vor, dass wir aus zehn Tempo-Wiederholungen acht machen müssen – und wir denken nicht im Traum daran, die fehlenden später nachzuholen.“

Unser Rat an Sie

Wenn Sie an einem Tempotag spüren, dass Sie die geplanten Intensitäten nicht durchhalten können, dann reduzieren Sie zunächst das Tempo. Falls auch das nichts bringt, reduzieren Sie die Belastungsdauer. Fühlen Sie sich auch dann noch unwohl, beenden Sie das Tempoprogramm komplett und laufen Sie locker aus. Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, dieses Programm irgendwann nachzuholen.

Profi-Tipp Nr. 4: Erfolge festhalten

Jordan Hassey, Drittplatzierte des Boston-Marathons 2019, macht oft Tempoläufe über 800 Meter. Ihr (inzwischen suspendierter) Trainer, Alberto Salazar, bevorzugte dabei 6 bis 10 Wiederholungen. Zu Beginn der Saison ist das Tempo (für sie) noch gemäßigt und liegt bei etwa 2:36 Minuten. Später im Jahr, wenn es auf die wichtigen Rennen zugeht, liegt es bei 2:12 Minuten. „Bevor wir loslegen, führt Alberto mir immer die Tempi der letzten Male vor Augen und sagt: ,Und heute bist du noch schneller!‘ Und das stimmt. Aufgrund der immer gleichen Abfolge der Programme kann man seine Entwicklung gut verfolgen und daraus Selbstvertrauen ziehen.“

Unser Rat an Sie

Auch in Ihrem Training sollte es Standardprogramme geben, die Sie immer wieder absolvieren, etwa 6 x 800 Meter. Vergleichen Sie die Zeiten, die Sie dabei erzielen. Wenn Sie schneller werden, dann läuft in Ihrem Training alles richtig. Sie werden einfach nicht besser? Dann müssen Sie etwas an Ihrem Training korrigieren.

Profi-Tipp Nr. 5: Ruhetage einhalten

„Man muss die Ruhetage ernst nehmen“, weiß Scott Fauble. Wer zwischen intensiven Belastungen zu hart oder zu viel trainiert, stört die Regenerationsprozesse in der Muskulatur. Fauble: „Das führt nur dazu, dass die nächste harte Einheit nicht so läuft, wie geplant.“ Ein Teufelskreis. Und wie macht’s der Profi? Hall läuft am Tag nach seinem 28-Kilometer-Tempodauerlauf statt seiner üblichen zwei täglichen Laufeinheiten nur einmal 40 Minuten ganz langsam. „Dabei habe ich zwar immer ein schlechtes Gewissen“, meint der US-Amerikaner, „aber spätestens beim nächsten Tempolauf bin ich froh, dass ich mich zurückgehalten habe.“

Unser Rat an Sie

Egal wie gut Sie sich an Ruhetagen fühlen, halten Sie sich an die Regenerationsvorgaben! Denken Sie daran: Sie sparen sich die Kraft für die wichtigen Laufeinheiten. Außerdem sind Sie kein Profi. Für Sie gibt’s an diesen Tagen bestimmt tausend Dinge, die wichtiger sind als Laufen.

Profi-Tipp Nr. 6: Austraben

Wenn Arne Gabius seine Tempoläufe auf der Bahn absolviert, bleibt er nach einer Belastung nicht etwa stehen, sondern trabt langsam aus. „So kann sich der Kreislauf viel besser auf die verschiedenen Ansprüche einstellen. Alles Abrupte hemmt, egal ob man stehen bleibt oder lossprintet“, sagt der Marathon-Rekordhalter (2:08:33 Stunden).

Unser Rat an Sie

Wenn Sie nach intensiven Belastungen sofort stehen bleiben, kann Ihr Kreislauf sich nicht so schnell auf die Veränderung einstellen, der Abtransport der Stoffwechselendprodukte im Muskel kommt zum Stehen. Folge: Die nächste Belastung fällt doppelt schwer. Machen Sie es wie Arne: Fallen Sie in einen ganz langsamen Trab. Nach 30, 40 Metern dürfen Sie dann eine Gehpause machen.

Fazit

Auch als Freizeitläufer profitieren Sie von diesen sechs Profi-Tipps: Immer gut aufwärmen und Tempo kontrollieren, nichts erzwingen und Erfolge festhalten, sowie Ruhetage einlegen und nach hartem Training immer austraben. So werden Sie schon in kurzer Zeit mehr Erfolge in Training und Wettkampf erleben. Und wer weiß, vielleicht sind Sie so ja schon auf dem Weg zum Profi-Läufer.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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