Wer am Start eines sehr herausfordernden Rennen steht oder sich eine ambitionierte Zielzeit vorgenommen hat, kann es am Start schon einmal mit der Angst zu tun bekommen. Die Wettkampfangst ist viel stärker als die normale Aufregung und Nervosität vorm Startschuss und kann sogar in Panik übergehen. Oft ist es so, dass im Training auch intensive und fordernde Trainingseinheiten eher locker von der Hand gehen. Im Rennen dagegen fühlen Sie sich hingegen verkrampft und zurückhaltend – der Kopf macht nicht mit, es rollt nicht. Zum Glück gibt es einige Tipps und Methoden, um die Wettkampfangst loszuwerden.
Woher kommt die Angst vor einem Wettkampf?
Angst ist eine natürliche Reaktion auf Gefahren und bereitet den Körper auf eine Flucht vor. Diese Schutzreaktion vor einer Gefahr- oder Angriffssituation ist ein Urinstinkt und war die längste Zeit der Menschheitsgeschichte überlebenswichtig. Sportliches Leistungsmessen ruft oft ähnliche psychische und körperliche Reaktionen bei Sportlerinnen und Sportlern hervor – auch wenn es nur ums Finishen oder eine neue Bestzeit geht und nicht um Leben oder Tod. Eine Ursache für die ähnliche Reaktion kann sein, dass das Selbstwertgefühl des Sportlers einer Gefahr ausgesetzt ist. Wettkampfangst kann dann entstehen, wenn die Anforderungen des bevorstehenden Laufs oder das selbstgesteckte Ziel dabei die eigenen Fähigkeiten übersteigen könnten.
In einer Wettkampfsituation gibt es verschiedene Faktoren, die auf Sie einwirken können und die über kurz oder lang Stress auslösen. Der Lauf bringt Sie an Ihre körperlichen Grenzen und wirkt sehr erschöpfend, die Gegner sind stärker als Sie, das Wetter ändert sich schlagartig und Sie sind nicht darauf vorbereitet. Das alles und noch viel mehr sind Ursachen für Stress und Anspannung verursachen. Die Anspannung vor einem Wettkampf ist an sich nichts Negatives und kann Ihnen sogar zu einer besseren Leistung verhelfen. Wenn Sie Stress, Anspannung und Nervosität jedoch negativ wahrnehmen, verursacht das Angst. Auch negative Erfahrungen aus früheren Rennen können Wettkampfangst hervorrufen. Meist erinnert man sich an die schlechten Erfahrungen viel besser und länger als an die positiven und wird vor dem Start aufgrund ähnlicher Rahmenbedingungen und Sinneseindrücke davon wieder eingeholt.
Wie äußert sich eine Wettkampfangst?
Man kann sagen, dass sich Wettkampfangst auf drei Ebenen äußert:
- auf der somatischen (körperlichen) Ebene,
- auf der kognitiven Ebene und
- auf der Verhaltensebene
Auf der somatischen Ebene zeigt sich die Wettkampfangst durch physiologische Reaktionen. Dazu zählen zum Beispiel: erhöhter Blutdruck, erhöhte Atemfrequenz, schwitzen, feuchte Hände, trockener Mund, Zittern oder Übelkeit.
Die kognitive Ebene der Wettkampfangst umfasst spezielle Gedankenprozesse wie Unentschlossenheit, Furcht, Reizbarkeit, vermindertes Selbstbewusstsein, die Vorstellung zu versagen, Vermeidungsgedanken und mangelnde Konzentrationsfähigkeit.
Auf der dritten Ebene, der Verhaltensebene treten bestimmte Verhaltensmuster auf, wodurch sich die Wettkampfangst bemerkbar macht. Das kann Nägelkauen, nervöse Unruhe, Verkrampftheit, Trägheit, Introvertiertheit oder Übervorsichtigkeit sein.
Mithilfe dieser aufgelisteten Anzeichen können Sie selbst überprüfen, wie und wann Wettkampfangst bei Ihnen auftritt. Jedoch müssen nicht alle Symptome besorgniserregend sein. Eine erhöhte Herzfrequenz, schnellere Atmung und Adrenalinproduktion können sich auch positiv auf Ihre Leistung auswirken, da dadurch die benötigte Grundanspannung vor dem Wettkampf ausgelöst und der nötige Fokus auf die Bewältigung der Herausforderung gelegt wird.
Wie viel Wettkampfangst ist normal?
Wenn Sie kurz vor Ihrem ersten Wettkampf stehen, dann ist es normal, dass Sie aufgeregt sind, ja sogar etwas Angst davor haben. Schließlich müssen Sie sich einer neuen und ungewohnten Situation stellen. Die Wettkampfangst wird bei den meisten Läuferinnen und Läufern geringer, sobald sie mehr Rennen bestritten haben und eine Routine einsetzt. Eine gewisse Anspannung vor dem Start bleibt jedoch. Selbst Profisportler und Eliteathletinnen sind nach vielen Jahren im Wettkampfgeschehen immer noch aufgeregt. Diese Anspannung ist jedoch auch notwendig, denn der Körper kann so bessere Leistungen erbringen als im Normalzustand. Die Aufregung sorgt für eine perfekte Aktivierung und vermeidet, dass Sie zu locker oder gar energielos an den Start gehen. Wichtig ist jedoch, dass Sie die Nervosität „im Griff haben“ und trotzdem noch eine Wettkampf-Vorfreude vorhanden ist. Die Angst vor dem Lauf sollte nicht überwiegen.
Wie bekämpfe ich Wettkampfängste? Was hilft gegen Aufregung vor einem Wettkampf?
Die gute Nachricht ist, dass Sie etwas gegen Wettkampfangst unternehmen können. Es gibt verschiedene Methoden, die helfen, sich vor dem Wettkampf zu entspannen und positiv zu fokussieren. Am besten legen Sie sich einen Notfall-Plan zurecht, damit Sie immer direkt ein paar Strategien parat haben, um direkt reagieren zu können, wenn die Nervosität einsetzt. Suchen Sie sich aus den folgenden Tipps die raus, die Ihnen am ehesten zusagen und erstellen Sie daraus Ihren persönlichen Notfall-Plan, sozusagen als Erste Hilfe gegen plötzliche Wettkampfangst.
Entspannen Sie sich über die Atmung: Achten Sie speziell auf Ihre Ausatmung, welche etwas länger als die Einatmung sein sollte. Am einfachsten geht es, wenn die dabei im Kopf mitzählen. Einatmen 1-2-3. Halten. Ausatmen 1-2-3-4-5. Versuchen Sie beim Ausatmen die ganze Anspannung und Unruhe loszulassen.
Sie sind nicht das Ergebnis! Sagen Sie immer wieder zu sich selbst, dass dieser Lauf zwar ein Ergebnis liefern wird, aber Sie nicht dieses Ergebnis sind. Es gibt ganz viele andere Sachen, die Sie als Person ausmachen und egal, wie Ihre Zielzeit ausfällt – Sie sind trotzdem gut, so wie Sie sind!
Stellen Sie sich Ihren perfekten Rennverlauf vor: Anstatt daran zu denken, was alles schiefgehen könnte, stellen Sie sich die wichtigsten Szenen des Wettkampfes vor und wie Sie diese perfekt meistern werden. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, wie sorgfältig und ausdauernd Sie sich auf dieses Rennen vorbereitet haben und was Sie im Training dafür gemeistert haben.
Erstellen Sie eine Check- oder Packliste: Für Wettkämpfe wie einen Marathon oder andere große Laufevents empfiehlt es sich, vorher eine Packliste anzufertigen und diese akribisch abzuarbeiten. Die Liste gibt Ihnen bei der ganzen Aufregung ein Gefühl von Sicherheit und der Kopf kann sich auf andere Dinge konzentrieren. Auch bei einem Triathlon kann die Checkliste eine große Hilfe sein. Gerade bei den ersten Teilnahmen kann man schon einmal von den organisatorischen Sachen wie den Wechselzonen und dem Material von drei verschiedenen Sportarten überfordert sein.
Führen Sie einen Gedanken-Stopp ein: Sobald negative Gedanken aufkommen, wie zum Beispiel „Heute habe ich ein schlechtes Gefühl, also klappt es bestimmt nicht“ oder „Beim letzten Mal hat sie mich auch kurz vor dem Ziel geschlagen, heute vielleicht wieder“, stellen Sie sich in Ihrem Kopf ein großes Stoppschild vor. Denken Sie ein paar Sekunden an dieses Bild und versuchen Sie es dann gemeinsam mit den negativen Gedanken verschwinden zu lassen. Eventuell schaffen Sie es dann sogar noch, eine positive Selbstbotschaft oder einen Motivationsspruch an sich selbst zu richten. Beispielsweise „Ich habe ein gutes Gefühl, heute kann ich alles schaffen“ oder „Ich werde von Anfang an engagiert in das Rennen gehen“.
Formulieren Sie Ihr persönliches Mantra: Ähnlich wie bei der positiven Selbstbotschaft und einem Motivationsspruch hilft auch ein persönliches Mantra, um sich selbst Mut zuzusprechen oder sich zu fokussieren. Ein Mantra ist ein einzelnes Wort oder ein Satz, den Sie laut oder nur in Gedanken zu sich selbst aussprechen können. Beispiele für ein Mantra: „Ich hab schon so viel in meinem Leben geschafft, das schaffe ich auch“ oder „Ich atme Selbstbewusstsein ein und Ängste und Zweifel aus“.
Neben diesen Strategien gibt es noch ein paar weitere Entspannungstechniken wie progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Yoga oder Meditation. Diese Techniken benötigen jedoch ein gewisses Grundlagenwissen und Übung, um von deren Nutzen zu profitieren. Auf YouTube oder in Fachliteratur finden Sie viele Anleitungen dazu. Auch in Vereinen oder Volkshochschulen werden immer mal wieder Kurse zu diesen Techniken angeboten. Zu guter Letzt sollten Sie versuchen, die Nervosität vor dem Wettkampf anzunehmen und nicht zu verdrängen. Machen Sie sich bewusst, dass die Aufregung ein Zeichen dafür ist, dass sich Körper und Geist auf das Rennen einstellen. Alle Ihre „Systeme“ stellen sich auf die Herausforderung ein.
Den letzten, aber sehr wesentlichen, Tipp können Sie zwar kurz vor dem Rennen nicht mehr anwenden, wir möchten ihn hier aber dennoch nicht unerwähnt lassen. Er lautet: Bereiten Sie sich angemessen auf Ihr Rennen vor. Wenn Sie sich, beispielsweise mit einem entsprechenden Trainingsplan, über viele Wochen strukturiert auf Ihr großes Ziel vorbereitet haben, wissen Sie am Renntag, dass Ihr Körper für die Herausforderung gewappnet ist. Idealerweise dokumentieren Sie Ihre Vorbereitung detailliert. Dann können Sie sich die Aufzeichnungen in den Tagen vor dem Rennen noch einmal ansehen und sich so Ihrer guten Vorbereitung vergewissern. Das gibt Ihnen Sicherheit vor dem Start und hilft auch im Wettkampf selbst über ein kleines mentales Tief hinweg.
Fazit: Machen Sie die Aufregung zu Ihrem Verbündeten
Angst ist ein Urinstinkt und bereitet unseren Körper auf eine Gefahr- oder Angriffssituation vor. Das sportliche Messen bei Wettkämpfen ruft oft ähnliche Symptome bei den Athleten und Athletinnen hervor. Die Merkmale von Wettkampfangst treten auf drei Ebenen auf, der somatischen (körperlichen), der kognitiven und der Verhaltensebene. Symptome, die dabei auftreten können: Zittern, erhöhte Atemfrequenz, vermindertes Selbstbewusstsein, schlechte Konzentration, Nägelkauen und nervöse Unruhe.
Es gibt jedoch einige Methoden, die sowohl Laufanfängern als auch erfahrenen Sportlerinnen helfen können, ihre Wettkampfangst zu besiegen. Dazu zählen Strategien wie Atemübungen, positive Selbstbotschaften oder ein motivierendes Mantra. Seien Sie sich jedoch trotzdem darüber bewusst, dass eine gewisse Anspannung und Nervosität ganz normal und sogar notwendig ist, um einen Wettkampf zu bestreiten. Denn nur mit dieser Grundanspannung können Sie Ihren Körper in den Rennmodus versetzen und Höchstleistungen erbringen.