Dutzende unerledigte Mails, nonstop geht das Telefon, im Hintergrund weinen die Kinder: Stress in der Arbeit und im Homeoffice belasten uns stark. Hektik, Zeitdruck und Reizüberflutung sind, vor allem auf Dauer, vermutlich die Krankmacher Nummer eins. Wir leben in einer Zeit der ständigen Erreichbarkeit, in der Abgrenzung immer schwieriger wird: Die Schnelligkeit beherrscht unseren Alltag.
Die Stressoren können wir nicht ganz verändern. Was können wir sonst tun? Wir können und sollten uns einen Ausgleich schaffen, etwas nur ganz für uns allein – zum Abschalten und die Seele baumeln lassen. Was könnte da besser sein als Sport? Viele Arten von Sport, vor allem Ausdauersport, sind als Ausgleich perfekt geeignet! Was Sie dabei beachten sollten, welche Sportarten sich sonst noch eignen, und wie das Ganze sich auf unser Hormonsystem auswirkt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Früher der Säbelzahntiger, heute der cholerische Chef
Was passiert bei Stress im Körper eigentlich genau? Der Körper produziert Hormone: Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Cortisol trägt deshalb auch den Beinamen „Stresshormon“. Durch die Ausschüttung erhöht sich unsere Atemfrequenz, unser Herzschlag, der Blutzucker und der Blutdruck. In der Steinzeit waren diese Hormone überlebensnotwendig, damit wir rechtzeitig reagieren konnten. Sie haben uns in Alarmbereitschaft versetzt, wenn Gefahr drohte, zum Beispiel in Form eines Säbelzahntigers. Die Hormone stimmten uns in Sekundenschnelle auf Flucht oder Kampf ein. Heute ist es der cholerische Chef, der unseren Cortisolspiegel schlagartig ansteigen lässt. Oder das sinnlose, stundenlange Meeting, die vielen Mails und Einflüsse von außen, die tagtäglich auf uns einströmen. Deshalb ist es nach einem stressigen Büro-Alltag umso wichtiger, unsere Hormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen, indem wir beispielsweise eine lockere Runde laufen.
Was ist Cortisol?
Cortisol ist, wie oben schon beschrieben, ein wichtiges Hormon, das unser Körper in stressigen Situationen ausschüttet. Seine eigentliche Funktion: Uns vor Stress zu schützen. Denn es sorgt zuerst einmal für eine Stressanpassung und macht uns belastbarer. Ohne Cortisol, das in der Nebennierenrinde produziert wird, wären wir nicht lebensfähig. Es ist also besser als sein Ruf – jedenfalls kurzfristig betrachtet. Denn ein langfristig erhöhter Cortisolspiegel schadet der Gesundheit, weil sich der Körper dann nicht mehr entspannen kann, sondern auf Dauerstress programmiert ist.
Kurzzeitiger Stress, leichte Aufregung und Nervosität, kann uns sogar einen Kick geben. Ohne Herausforderungen wäre das Leben eintönig; viele Menschen suchen den besonderen Kick (z. B. durch Extremsport). Das Stresslevel für eine gesunde Balance zwischen aufregender Anspannung und Entspannung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich: Während die einen täglich mehrere Herausforderungen suchen, brauchen andere ein ruhiges, beschauliches Leben. Sich selbst zu analysieren ist dabei wichtig. Krank macht uns nur starker Stress und Dauerstress, der uns psychisch und körperlich zusetzt.
Welcher Sport senkt Cortisol?
Um Stress langfristig besser in den Griff zu bekommen, sollte man sich einen Ausgleich suchen. Dieser Ausgleich sorgt dafür, den Hormonhaushalt wieder in die richtige Balance zu bringen, weil stressabbauende Hormone produziert werden und wir uns dadurch entspannen. Da ist Sport die beste Wahl – insbesondere Ausdauersport. Mit einem lockeren Lauf in der Natur versorgen wir unsere Zellen und Muskeln mit Sauerstoff und bringen unseren Stoffwechsel in Gang. Die Produktion von Glücksstoffen steigt, während Blutzucker, Blutfette und der Cortisolspiegel sinken. Wir kommen entspannt zurück. Spätestens nach der warmen Dusche und den Dehnübungen sind wir tiefenentspannt, zufrieden mit uns und dem Tag und schlafen deutlich besser. Viel besser, als wenn wir nur auf einen Büroalltag zurückblicken. Denn mit dem Sport hatten wir einen schönen Ausgleich, eine bewegte Auszeit nur für uns selbst. Moderates, lockeres Laufen im Wohlfühltempo eignet sich hervorragend zum Stressabbau. Das Laufen durch die Natur, an Wald oder Seen entlang, ist besser geeignet als im Fitnessstudio. Die Natur, vor allem die Farbe Grün, wirkt beruhigend auf uns, die frische Luft stärkt unser Immunsystem.
Welche Sportarten eignen sich noch zur Stressbewältigung?
Im Grunde genommen eignet sich jeder Sport, der Freude bereitet. Es ist dabei wichtig, den Sport nicht als Wettkampf anzusehen, sondern als Lebensfreude, die Entspannung bringt. Wer einen stressigen Alltag hat, sollte sich nicht auch noch Stress in der Freizeit machen. Da darf der Sport dann wirklich nur zum Vergnügen ausgeführt werden. Neben dem Laufen sind Radfahren und Schwimmen zur Stressbewältigung geeignet. Wer es ruhiger angehen möchte, ist auch mit Walking oder Nordic Walking gut bedient. Es gibt aber noch weitere Sportarten, bei denen – insbesondere durch die bewusste Atmung – schnell ein Entspannungsgefühl einsetzt.
Diese Sportarten und Entspannungstechniken sind echte Stresskiller:
- Yoga
- Pilates
- Tai Chi
- Autogenes Training
- Meditation (z. B. Achtsamkeitsmeditation oder auch Laufmeditation)
Übrigens wirkt sich Lachen auch positiv auf unseren Cortisolspiegel aus. Na klar, denn dabei werden ja Glückshormone freigesetzt. Wer regelmäßig lacht, lebt stressfreier. Wenn Sie also das Glück haben, einen lustigen Laufkollegen oder eine witzige Lauffreundin zu kennen, mit der Sie auf der Laufrunde was zu lachen haben, kommen Sie doppelt erholt nach Hause. Wenn Sie Sport gezielt zur Stressbewältigung und zum Stressabbau einsetzen, sollte sich der Sport immer gut anfühlen und Sie nicht überfordern. Für Läufer und Läuferinnen heißt das: Nehmen Sie es locker und joggen Sie im gemütlichen Tempo, also so, dass Sie sich ohne Probleme unterhalten und dabei auch noch lachen könnten. Laufen Sie nicht zu schnell und auch nicht zu lang. Unser Tipp: Eine locker-leichte 45-Minuten-Runde ist für erfahrene Läufer zum Abschalten geeignet. So senken Sie mit Joggen den Cortisolspiegel.
Wird beim Joggen auch Cortisol ausgeschüttet?
Ja, während des Trainings werden auch Stresshormone ausgeschüttet, aber nur bei hoher Belastung. Dies hängt stark von Ihrem Leistungsniveau ab. Unser Tipp mit der 45-Minuten-Runde im regenerativen Tempo richtet sich an erfahrene Läufer. Sind Sie aber Anfänger, kann genau diese Runde Sie schon komplett auspowern. Wichtig für den perfekten Ausgleich auf längere Sicht ist die Regelmäßigkeit. Wer regelmäßig trainiert, kann sich mit leichten Läufen bestens erholen, weil er seinem Körper auf Dauer beibringt, deutlich weniger Stresshormone während einer Belastung zu produzieren.
Bei erfahrenen Läufern überwiegen irgendwann die Glückshormone (bei leichten Trainings), sie schütten keine bzw. kaum mehr Stresshormone aus. Ein trainierter Körper kann zudem Stresshormone besser abfedern. Wir trainieren sozusagen mit einer Regelmäßigkeit unsere Stresstoleranz. Das kennt jede Läuferin, die über ein wenig Lauferfahrung verfügt: Nach dem Laufeinstieg fällt plötzlich auch der Alltag leichter, so schnell bringt uns nichts mehr aus der Ruhe. Was ist da passiert? Das regelmäßige Ausdauertraining wirkt sich nicht nur positiv auf unseren Puls (den Trainings- und den Ruhepuls) aus. Auch auf unsere Leistung im Job! Wir bekommen sprichwörtlich in jeder Beziehung einen längeren Atem und reagieren gelassener auf Stressoren. Das haben bereits viele clevere Chefetagen erkannt, die ihren Mitarbeitern Firmensport anbieten, um diese ganzheitlich zu stärken.
Wie merke ich, dass mein Cortisolspiegel zu hoch ist?
Unser Cortisolspiegel variiert im Verlauf des Tages. Morgens ist er am höchsten, im Tagesverlauf nimmt er in der Regel ab und wird immer geringer, der geringste Stand ist gegen Mitternacht. Der Cortisolspiegel ist also bei den meisten Menschen nachmittags nur noch halb so hoch wie morgens. Sollte dieser Uhrzeitenrhythmus aus den Fugen geraten und das Cortisol dauerhaft erhöht sein, kann das unserer Gesundheit schaden.
Die Symptome eines erhöhten Cortisolspiegels durch Dauerstress sind:
- ein geschwächtes Immunsystem (Anfälligkeit für Infekte)
- Bluthochdruck
- Gewichtszunahme (v.a. am Bauch und im Gesicht)
- Konzentrationsschwäche und Schlafstörungen (innere Unruhe)
- Ängste und Stimmungsschwankungen (bis hin zu Depression bzw. Burn-out)
- langfristig kann es zu Krankheiten des Fettstoffwechsels kommen
Unser Körper produziert in ruhigen Zeiten zehn bis 25 Milligramm Cortisol pro Tag. Sind wir starkem Stress ausgesetzt, können es sogar bis zu 300 Milligramm sein. Wer Symptome aufweist, kann seinen Spiegel beim Arzt messen lassen. Die Hausärztin nimmt dabei eine Blut-, Speichel- oder Urinprobe, die im Labor ausgewertet wird.
Wie kann ich mit Jogging mein Cortisol senken?
Im Folgenden geben wir Ihnen (für vier verschiedene Leistungstypen) einen kleinen Ratgeber mit Tipps zur Stressbewältigung durch Laufen und Alternativsport.
Einsteiger ohne sportlichen Hintergrund
Sie sind komplett neu in der Welt des Sports, haben ein paar Kilo zu viel und möchten sich mithilfe von Laufen einen sportlichen Ausgleich verschaffen? Dann ist es empfehlenswert, langsam einzusteigen: beispielsweise mit Walking oder Nordic Walking. Falls Sie mehr möchten, könnten Sie sich einer Laufgruppe für Einsteiger anschließen und mit „Laufen mit Gehpausen“ beginnen, um zu lernen, eine halbe Stunde laufen zu können und darauf sukzessive aufzubauen, bis Sie auch länger am Stück laufen können. Wenn Sie sich einen Pulsmesser zulegen, können Sie dabei Ihre Herzfrequenz kontrollieren und Ihren Körper besser kennenlernen.
Die sportliche Einsteigerin
Sie bringen Sporterfahrung mit? Dann können Sie gleich loslegen. Um sich die nötige Anleitung und Motivation zu holen, könnten Sie sich zum Laufen verabreden, zum Beispiel mit einer Nachbarin, die ebenfalls mit Ausdauersport beginnt. Oder Sie suchen sich einen routinierten Läufer, der gemeinsam mit Ihnen seine kleine Regenerationsrunde in für ihn langsamem und für Sie perfektem Einstiegstempo dreht. Kontrollieren Sie dabei Ihren Puls.
Der Aufsteiger
Sie laufen schon mindestens ein Jahr und haben den ersten Halbmarathon erfolgreich absolviert. Teilen Sie nun Ihr Training gut ein. Auf jede Laufveranstaltung folgt eine Regenerationsphase! Nutzen Sie diese Zeit zum Stressabbau und zur Erholung. Streuen Sie auch mal kurze Läufe bis maximal 30 Minuten in einem langsamen Tempo in Ihre Woche ein. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung beim Laufen, lernen Sie die tiefe Bauchatmung.
Die Profi-Läuferin
Sie laufen seit vielen Jahren, nehmen an Volksläufen und Marathons teil, haben Ihre Bestzeiten erreicht und sind bereits zur „Lebensläuferin“ geworden. Jetzt dürfen Sie nur noch lernen, mit oder von Ihrem Lieblingshobby gezielt abzuschalten. Machen Sie doch mal alles anders als sonst. Testen Sie eine neue Sportart aus: Wie wäre es, etwas ganz weit weg vom Ausdauersport als Ausgleich zu suchen (z. B. Surfen oder Klettern). Eine Sportart, in der jeden Moment etwas Neues auf Sie zukommen kann, die nicht berechenbar ist und bei der man mal keinen Pulsgurt trägt. Vielleicht auch eine Ballsportart, bei der Sie auf ein Team angewiesen sind? So bekommen Sie den Kopf frei für etwas komplett Neues. Dieser Perspektivenwechsel hilft Ihnen später dabei, wieder frisch in die nächste Laufsaison zu starten.
Fazit: Suchen Sie in stressigen Phasen Ausgleich und Entspannung
Cortisol ist ein wichtiges Hormon, das unser Körper in Stress-Situationen ausschüttet. Zu viel davon ist aber schädlich. Verschaffen Sie sich deshalb in stressigen Lebensphasen einen Ausgleich durch:
- moderaten Ausdauersport wie Jogging, Radfahren und Schwimmen
- Wer es lieber ruhiger mag, für den eignet sich Nordic Walking oder Yoga, das zudem die bewusste Atmung schult
- Trainingsdauer und Intensität beachten: wichtig ist, nicht zu übertreiben (nicht zu lange und nicht zu intensiv, damit der Sport auch wirklich ein Ausgleich ist)
- Machen Sie zudem jeden Tag eine kleine Entspannungsübung (Bauchatmung, mentales Training, Achtsamkeitsübungen)
- Achten Sie auf ausreichend Regeneration