Muskelmasse aufbauen, Fett abnehmen – dieser vielversprechende Effekt soll durch das sogenannte Carb-Cycling erzielt werden. Die noch eher neuartige Ernährungsstrategie findet ihren Ursprung im Bodybuilding, wo durch gezielte Kohlenhydrat-Aufnahme die Muskeldefinition erhöht werden soll. Mittlerweile ist diese Methode jedoch nicht mehr nur dort zu finden. Kann diese Ernährungsweise daher auch im Laufsport sinnvoll sein? Welche Vorteile kann sie uns im Ausdauersport bringen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was ist Carb-Cycling?
Die Erklärung steckt im Prinzip schon im Namen: Kohlenhydrat-Zyklus. Im Fokus stehen Kohlenhydrate. Das Carb-Cycling basiert auf der zyklischen Anpassung der Kohlenhydrataufnahme an die körperliche Aktivität. Dadurch wird angeblich der Kohlenhydratstoffwechsel positiv beeinflusst, sodass die aufgenommene Energie an Trainingstagen in die Muskeln fließt und an Ruhetagen durch fehlende Kohlenhydrate die Pfunde purzeln. So entsteht das Versprechen eines gezielten Muskelaufbaus und einer zeitgleichen Fettabnahme.
Aufgrund der Aktualität dieser Strategie gibt es noch keine wissenschaftlichen Studien oder Untersuchungen, die dieses Versprechen stützen. Dennoch möchten wir uns den Trend einmal genauer anschauen und Tipps geben, worauf du achten solltest.
Wie funktioniert Carb-Cycling?
Der Kohlenhydrat-Zyklus basiert auf dem Wechsel zwischen kohlenhydratreichen und kohlenhydratarmen Tagen. Die High-Carb-Tage erlauben eine Kohlenhydratzufuhr von bis zu 50 % der täglichen Energiezufuhr – zugleich findet an diesen Tagen intensives, langes Training statt. Durch den hohen Kohlenhydratanteil sollen die Muskeln an diesen Tagen „gefüttert“ werden, um bestmöglich zu wachsen. An Ruhetagen oder trainingsarmen Tagen nehmen die Kohlenhydrate auf dem Teller wieder stark ab. Ihr Anteil sinkt dann unter 20 %. Gleichzeitig sollen Proteine und Fette etwas erhöht werden, um eine ausreichende Versorgung mit Kalorien, und Mikronährstoffen sicherzustellen. Dieser Rhythmus kurbelt die Fettverbrennung an, da an Low-Carb-Tagen Körperreserven statt Kohlenhydrate für die Energiebereitstellung im Körper verwendet werden. Eine reduzierte Kohlenhydratzufuhr führt bewiesenermaßen zu Gewichtsverlusten und hat positive Effekte auf den Insulinspiegel. Einige Pläne beinhalten außerdem Medium- und No-Carb-Days, um eine stärkere Differenzierung zwischen trainingsarmen und trainingsfreien Tagen zu erreichen.
Vorgesehen sind bei dieser Ernährungsstrategie neben dem Kohlenhydrat-Zyklus fünf Mahlzeiten am Tag, bestehend aus drei Hauptmahlzeiten und zwei Snacks. Dabei orientieren sich die ersten drei Mahlzeiten des Tages, sprich Frühstück, Snack und Mittagessen, streng an dem jeweiligen Zyklustag. Das Abendessen hingegen sollte an jedem Tag der Woche Low Carb sein. Beim Frühstück ist es wichtig, auf eine ausgewogene Kombination aus hochwertigem Protein, komplexen Kohlenhydraten und wertvollen Fetten zu achten.
Wie sinnvoll ist Carb-Cycling für Läufer?
Die meisten Läuferinnen und Läufer trainieren wohl kaum mit dem Ziel definierter Muskeln. Die versprochene Fettabnahme klingt da doch schon besser. Aber wie steigert Carb-Cycling unsere Performance?
Durch das gezielte Füllen der Glykogenspeicher bei intensivem Training und dem „Leerlaufen“ der Reserven an kohlenhydratarmen Tagen soll der Kohlenhydrat-Zyklus optimiert werden. Die Glykogenspeicher werden ausgebaut und es würde mehr Energie gespeichert werden können. Das hilft deinem Körper in Folge dabei, seine Energie auf langen Läufen besser konstant zu halten. Da die Energiegewinnung deines Körpers wahrscheinlich effizienter läuft, werden Leistungseinbrüche während des Trainings reduziert.
Ein weiterer positiver Effekt, der sich im Lauftraining bemerkbar machen kann, ist, dass durch die gezielte Kohlenhydrat-Aufnahme bestmöglich Energie bereitgestellt wird. So läufst du gewissermaßen mit dem Rhythmus deiner Energieaufnahme. Wenn dein Körper sie braucht, bekommt er genügend, um sich zu verbessern, wenn nicht, stellt er den Stoffwechsel auf die eigenen Reserven um – soweit die Theorie.
Welche Vorteile hat Carb-Cycling?
Trotz der fehlenden wissenschaftlichen Belege für die beschriebenen Effekte lassen sich einige positive Auswirkungen annehmen. So sorgt die hohe Kohlenhydratzufuhr an Trainingstagen für ausreichend Energie, während die gleichzeitig reduzierte Fettaufnahme die Verdauung beschleunigt. An kohlenhydratarmen Tagen hingegen wird die Fettverbrennung angekurbelt, da der Körper verstärkt auf seine Fettreserven als Energiequelle zurückgreift. Der Hauptgedanke dahinter ist es, die Körperzusammensetzung zu optimieren, indem der Muskelaufbau unterstützt und Fettabbau begünstigt wird.
Ein weiterer zuvor schon genannter Vorteil ist die hohe Kohlenhydrat-Verfügbarkeit an Trainingstagen. So kannst du energiegeladen in deinen nächsten Lauf starten. Durch den regelmäßigen Wechsel zwischen High- und Low-Carb-Tagen kann zudem die Insulinsensitivität verbessert werden, was langfristig zu einer effizienteren Energieverwertung führt.
Welche Nachteile hat Carb-Cycling?
Neben diesen angenommenen Vorteilen birgt Carb-Cycling jedoch auch ein paar Nachteile, die du vor dem Start berücksichtigen solltest. Zunächst kann der Blutzucker durch die stark wechselnde Kohlenhydratzufuhr erheblich schwanken, was insbesondere für Menschen mit sensiblen Blutzuckerwerten problematisch sein kann. Zudem können sich die Low-Carb-Tage gerade zu Beginn unangenehm anfühlen, da dein Körper vermutlich an eine konstante Zufuhr von Kohlenhydraten gewöhnt ist und sich erst umstellen muss.
Auch fehlende Langzeitstudien zu dieser Ernährungsstrategie sind ein Kritikpunkt, da mögliche Wirkungen auf Dauer sowohl positiv als auch negativ nicht ausreichend erforscht sind. Kohlenhydrate sind zwar wichtig für unsere Muskeln und fördern ihr Wachstum, jedoch begünstigen sie auch die Fetteinlagerung, da so langfristig überschüssige Energie im Körper gespeichert wird.
Wie berechne ich die richtige Kohlenhydrat-Menge?
Du bist neugierig und möchtest Carb-Cycling nun selbst einmal testen? So geht’s:
- Als allererstes musst du dafür deinen Energiebedarf und deine Makronährstoffverteilung kennen. Sprich, du rechnest zunächst erst einmal aus, wie viele Kalorien du am Tag benötigst und wie viele Kohlenhydrate, Fette und Proteine du dafür zu dir nehmen solltest. Als Hilfsmittel kannst du diverse sogenannte Nährstoffrechner im Internet finden.
- Im Anschluss planst du exemplarisch eine Trainingswoche für dich durch. Wann trainierst du intensiv, wann lockerer? An welchen Tagen legst du eine Pause ein?
- Dieser Trainingsplan hilft dir jetzt bei der Entscheidung, welche Tage für dich kohlenhydratreich werden und an welchen Wochentagen du möglichst auf den Makronährstoff verzichtest. (Zur Erinnerung: intensives Training = viele Kohlenhydrate; entspanntes Training/ Ruhetag = wenig Kohlenhydrate.) Möglichst wechseln sich diese Tage ab.
- Mit den von dir errechneten Daten kannst du dann die Kohlenhydrat-Menge für die High-Carb- (50–60 %) und Low-Carb-Tage (10–20 %) ableiten.
- Und schon hast du deinen persönlich abgestimmten Wochenplan. Überlege dir am besten im Vorfeld schon ein paar Mahlzeiten, die an den einzelnen Tagen gut in deinen Meal Plan passen.
Was esse ich am besten während des Carb-Cyclings?
Kohlenhydrate sind nicht gleich Kohlenhydrate – hier gibt es entscheidende Unterschiede. Achte darauf, dass die von dir gewählten Kohlenhydratquellen möglichst unverarbeitet sind. Pflanzenbasierte Produkte wie Bohnen, Getreide, Früchte und Gemüse solltest du bevorzugen. Diese sind auch für ein ausgewogenes Mikronährstoffverhältnis wichtig. An kohlenhydratarmen Tagen wählst du hingegen bestenfalls Gemüse mit einem geringen Kohlenhydratanteil, wie Spinat, Salat oder Blumenkohl. Einfache, industrielle Kohlenhydrate wie Zucker und Fertigprodukte solltest du nach Möglichkeit an jedem Tag vermeiden. Wir werfen mal einen Blick auf zwei Beispiele:
Beispieltag High Carb
- Frühstück: Porridge mit Früchten und Nüssen
- Mittagessen: Vollkorn-Sandwich, gebratenes Gemüse, Humus, Fetakäse,
- Abendessen: Nudeln mit Hackfleisch-Gemüse-Tomaten-Sauce
- Snacks: Trockenobst, Nüsse (Mandeln, Cashews), Knäckebrot, Obst
Beispieltag Low Carb
- Frühstück: Rührei mit Zwiebeln, Tomaten und Kräutern
- Mittagessen: Hähnchen-Gemüsepfanne mit Kokosmilch
- Abendessen: Gebackener Halloumi mit Ofengemüse
- Snacks: Oliven, Joghurt mit Nüssen (Pekannüsse, Macadamia)
Fazit: Strategie mit Potenzial, aber nicht für jeden
Carb-Cycling ist eine neuartige Ernährungsstrategie, die durch den gezielten Wechsel zwischen kohlenhydratreichen und kohlenhydratarmen Tagen den Stoffwechsel optimieren, die Fettverbrennung anregen und gleichzeitig den Muskelaufbau fördern soll. Während die Ernährungsweise im Bodybuilding bereits etabliert ist, kann es auch für uns Läuferinnen und Läufer positive Effekte hervorbringen.
Die Methode bietet potenzielle Vorteile wie eine verbesserte Energieverwertung, eine gesteigerte Insulinsensitivität und eine gezielte Anpassung der Kohlenhydratzufuhr an das Training. Allerdings fehlen bislang wissenschaftliche Langzeitstudien, die diese Versprechen belegen. Zudem erfordert Carb-Cycling eine gute Planung, eine bewusste Ernährungsauswahl und eine gewisse Anpassungszeit für den Körper.
Ob diese Ernährungsweise für dich sinnvoll ist, hängt von deinen individuellen Zielen und deinem Trainingsumfang ab. Wer bereit ist, Ernährung und Training strukturiert zu gestalten und mit seinem Stoffwechsel zu experimentieren, könnte von Carb-Cycling profitieren.