Machen mich Ketone schneller?

Das bringen die Supplemente
Machen mich Ketone schneller?

Veröffentlicht am 21.09.2023
Beeinflussen Ketone die sportliche Leistungsfähigkeit?

Vielleicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen: Immer mehr Sportlerinnen und Sportler halten in ihren Profilen bei YouTube und Instagram kleine Fläschchen, die Ketone enthalten, in die Kamera. Diese Keton-Supplemente sollen den Fettstoffwechsel fördern, die Energiebereitstellung verbessern, die Ausdauer steigern, die Regeneration beschleunigen und den Geist fokussieren.

Was beinahe so klingt wie der Zaubertrank aus den „Asterix“-Comics, ist im Triathlon- und im Radsport bereits seit knapp einem Jahrzehnt verbreitet. Viele Profiathletinnen und -athleten nutzen Nahrungsergänzungsmittel, die künstliche Ketone enthalten, und schwören auf die propagierten Vorteile. So fuhr der Däne Jonas Vingegaard 2022 und 2023 auch mithilfe zugeführter Ketone zum Gelben Trikot bei der Tour de France.

Auch beim Laufen sollen exogene Ketone Wunder bewirken. Wir haben uns das einmal genauer angeschaut und die derzeitige wissenschaftliche Studienlage angeschaut.

Was sind Ketone und was bewirken sie im Körper?

Ketone sind chemische Verbindungen. Sie sind Teil des normalen Energiestoffwechsels und werden vom menschlichen Körper produziert, wenn Fette als Energieträger genutzt werden.

Für die Energiegewinnung, ob im Alltag oder beim Sport, greift der Körper eigentlich immer zuerst auf zugeführte Kohlenhydrate zurück. Wie lange diese Reserven ausreichen, ist abhängig vom Füllstand der sogenannten Glykogenspeicher in Muskeln, Organen und im Blut, in welchen Nahrungskohlenhydrate eingelagert werden.

Ketone entstehen erst, wenn die Kohlenhydratspeicher im Körper leer sind. Der Stoffwechsel ist dann gezwungen, auf Fette zurückzugreifen, da Proteine im Normalfall nicht als Energiesubstrat genutzt werden. Fette im Körper werden innerhalb des dann ablaufenden Prozesses zu Fettsäuren und diese zu Ketonkörpern abgebaut. Ketone sind also Abbauprodukte des Fettstoffwechsels. Der Körper kann diese Ketonkörper als weitere Energielieferanten nutzen. Vielleicht haben Sie in diesem Zusammenhang bereits von der Ketose gehört, einem Stoffwechselzustand, der etwas beim Fasten angestrebt wird.

Es gibt drei Arten von Ketonkörpern im Körper: Beta-Hydroxybutyrat, Acetoacetat und Aceton. Bei den Supplementen handelt es sich allerdings um andere chemische Verbindungen. Aceton wäre hochgradig gesundheitsgefährdend, weswegen man es gar nicht zu sich nehmen darf. Bei den Nahrungsergänzungsmitteln, die angeboten werden, unterscheidet man auch zwischen verschiedenen Ketonverbindungen – zum einen den sogenannten Ketonsalzen, den Ketonestern und den Ketonvorstufen.

Beeinflussen Ketone die sportliche Leistungsfähigkeit?

Es gibt mehrere postulierte positive Effekte der Ketonsupplementation und mittlerweile existieren einige Studien, die den Zusammenhang zwischen Keton-Einnahme und sportlicher Leistungsfähigkeit untersuchen. Aber: Viele Studien können keinen signifikanten Nutzen exogener, also zugeführter, Ketone auf die Leistung und Erholung von Sportlern nachweisen. Zwar gibt es Labor-Versuche an Mäusen, die einen Leistungsanstieg zeigen, jedoch wurden die Ketone hier intravenös verabreicht und nicht wie die üblichen Nahrungsergänzungsmittel oral eingenommen.

Dennoch wollen wir hier einmal beschreiben, welche angeblichen Vorteile Ketone auf unsere Leistungsfähigkeit haben sollen:

  1. Energiestoffwechsel
    Für Ausdauersportarten ist hier zunächst der Glykogenspareffekt zu nennen. Glykogen ist die Speicherform der Kohlenhydrate im Körper. Diese spielen im Ausdauersport eine eminent wichtige Rolle, da sie von allen Energieträgern am schnellsten verfügbar sind. Nun sind Ketone, wie oben beschrieben, auch eine Energiequelle, was die Vermutung nahelegt, dass durch die Einnahme exogener Ketone Glykogen im Körper eingespart werden kann. Gerade auf langen Distanzen könnte das eingesparte Glykogen dann noch für den Endspurt genutzt werden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Ausdauerleistung auf langen Strecken verbessert. Auf Grundlage derartiger These verkaufen sich Ketone im Sport als „Treibstoff für die Muskulatur“.
  2. Regeneration
    Da ein vollständiges Entleeren der Glykogenspeicher für den Körper sehr belastend ist, kann der unter Punkt 1 genannte Aspekt auf große Auswirkungen auf die Erholungszeit haben. Angenommen, der Körper greift vermehrt auf Ketone als Energiequelle zurück, dann würde dies bedeuten, dass man die eigenen Glykogenspeicher weniger stark entleert und folglich schneller wieder auffüllen kann. Somit ließe sich theoretisch häufiger, intensiver und länger trainieren.
  3. Signalwirkung
    Körpereigene Ketone fungieren auch als sogenanntes Signalmolekül mit Auswirkungen auf allerlei Adaptionsprozesse im Körper. Ob die Supplementierung von Ketonen ebenfalls eine solche Wirkung auf kurz- und langfristige Adaptionsprozesse des Körpers hat, wurde in zahlreichen Studien untersucht. Es gibt Hinweise einer möglichen kurzfristigen Signalwirkung auf Hormonsysteme. Davon sollen Schlaf, Erholung und Hirnleistung profitieren. Allerdings müssen diese Hinweise noch weiter erforscht werden.
  4. Flüssigkeitshaushalt
    Es gibt Hinweise, dass Keton-Supplemente bei bestimmten Athleten möglicherweise Einfluss auf den Urin-Output haben. Salopp gesagt: Man muss weniger pinkeln. Wenn weniger Urin ausgeschieden wird, könnte das positive Auswirkungen auf die Flüssigkeitsbilanz, damit auf die Thermoregulation und letztlich die Leistungsfähigkeit haben.

All die genannten Punkte sind bislang nur Hypothesen und müssen durch weitere Untersuchungen untermauert oder widerlegt werden. Offizielle Stellen, wie beispielsweise die Verbraucherzentrale, lehnen wegen mangelnder Studienbeweislage die Nutzung von Keton-Präparaten ab. Auch der Radsportweltverband (UCI) rät von der Einnahme ab, da die langfristigen Risiken ungeklärt seien.

Der kaum nachgewiesene Nutzen der Keton-Präparate liegt mitunter wohl auch an der empfohlenen Dosierung. Eingenommene Mengen seien zu gering, um spürbare Effekte zu erzielen. Höhere Dosen wiederum sind laut Verbraucherzentrale „gesundheitlich nicht unbedenklich“. Die notwendige Dosierung führt bei den meisten Anwendern zu Magen-Darm-Beschwerden. Die Keton-Vorstufen sind außerdem alkoholbasiert und wirken sich ab gewissen Mengen daher, wie auch alkoholische Getränke, auf die kognitive Fähigkeit und den pH-Wert des Körpers aus. Wenn der Körper übersäuert, kann das wiederum einen negativen Einfluss auf die Energiegewinnung haben, weil die energieliefernden Prozesse langsamer ablaufen.

Helfen Ketone beim Abnehmen?

Da Ketone etwas mit dem Energiestoffwechsel zu tun haben, gibt es nicht wenige, die auf Ketone als Abnehmmittel setzen – oder zumindest ihren Fettstoffwechsel durch entsprechende Supplementierung verbessern möchten. In der Diätindustrie wird proklamiert, dass durch die Ketoneinnahme der Körper vermehrt auf den Fettstoffwechsel umstellt und dadurch Körperfett verschwinden kann. Das Versprechen lautet hier: Gewichtsverlust ohne Schwitzen. Laut Beschluss des Bundesgerichtshofs dürfen derartige Produkte allerdings nicht mehr als „Fatburner“ betitelt und verkauft werden, da dies zu falschen Schlussfolgerungen der Verbraucher führen kann.

Wo kann ich Ketone kaufen?

Keton-Präparate gibt es mittlerweile vielfach online und im Sportfachhandel zu kaufen. Dabei variieren Preis und Qualität der Angebote erheblich. Je nach eigenem Geschmack kann dabei auf Tropfen, Pulver, Kapseln oder sogar spezielle Gummibärchen zurückgegriffen werden. Besonders häufig angeboten wird dabei sogenanntes „Himbeer-Keton“, welches normal für den typischen Geschmack der Beeren verantwortlich ist. Das natürliche Image der Beere hilft die Produkte möglichst gesund und mit der Aufschrift „ohne künstliche Zusätze“ vermarkten zu können.

Sind Ketone Dopingmittel?

Aufgepasst im Profisport! Welche Nahrungsergänzungsmittel im Leistungssport angewendet werden dürfen und welche nicht, schreibt die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) in ihrer Verbotsliste nieder. Bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Leistungssport lohnt es sich, diese daher immer mal wieder in den Blick zu nehmen. In Bezug auf Ketone gibt es hier Entwarnung. Sie sind nicht auf der Liste zu finden. Ihre Einnahme gilt demnach nicht als Doping. In der Konsequenz können sie aus rechtlicher Sicht uneingeschränkt in jeglichen sportlichen Wettkämpfen eingesetzt werden. Die einzige Einschränkung hinsichtlich der Ketone liegt in der Vermarktung.

Fazit: In der Theorie sind Ketone eine vielversprechende Angelegenheit

Sind die teilweise bis zu 20 Euro pro Tag für Keton-Supplemente gut investiertes Geld? Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand eher nicht. Ob schlussendlich eine Supplementierung sinnvoll oder eher schädlich ist und ob man versprochene Effekte tatsächlich wahrnehmen kann, ist auf Basis aktueller Forschung noch nicht eindeutig zu beurteilen. Eine regelmäßige Einnahme muss demnach individuell entschieden werden.

„Wenn man in der absoluten Weltelite unterwegs ist und annimmt, dass all die genannten hypothetisch positiven Effekte einen reellen Benefit haben, und sei es als Placebo, kann ich verstehen, dass manche es ausprobieren. Jeder reagiert anders und solange es keinen negativen Effekt hat, war es schlimmstenfalls für die Katz“, urteilt Caroline Rauscher, die als Pharmazeutin und Ernährungsexpertin viele Profiathleten betreut.