Hier im Norden, wo sich unsere Redaktion befindet, sagen wir: Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben. In den letzten Jahren begleitet uns der Wind auf der Laufstrecke immer häufiger. An heißen Sommertagen ist er eine willkommene Abkühlung, im Herbst geht er einem auf die Nerven, wenn er täglich weht. Tatsächlich wird Wind von Läuferinnen und Läufern unterschiedlich empfunden: Was sich für die einen wie eine steife Brise anfühlt, ist für andere wie ein orkanartiger Sturm. Aber egal, wie stark der Wind weht: Er kostet Kraft, physisch und psychisch. Und er macht uns stärker. Wir erklären, wann Windliebhaberinnen lieber nicht mehr draußen laufen gehen sollten und mit welchen Tipps auch Läufer, die den Wind nicht mögen, bedenkenlos laufen gehen können.
Wie wirkt sich Wind auf meine Laufgeschwindigkeit aus?
Wir laufen immer gegen den Luftwiderstand. Deshalb lautet die Empfehlung für ein übertragbares Training auf dem Laufband, die Steigung auf etwa 1,5 Prozent einzustellen. Bei Windstille ergibt sich der Strömungswiderstand durch unsere Laufgeschwindigkeit. Je höher das Tempo, desto höher der Widerstand.
Die Auswirkung von Wind auf die Laufgeschwindigkeit steigt mit zunehmendem Lauftempo bzw. Windstärke im Quadrat an. Ebenso wie bei Windstille ist der bremsende Effekt des Windes also stärker, je schneller Sie laufen. Wenn Sie mit 12 km/h gegen 15 km/h Windgeschwindigkeit anlaufen, laufen Sie gegen einen Widerstand von 27 km/h. Mit 17 km/h rennen Sie bei gleicher Windgeschwindigkeit gegen 32 km/h an. Allerdings scheint sich Gegenwind bei langsameren Läuferinnen und Läufern insgesamt stärker auf die Gesamtzeiten auszuwirken.
Wenn es um die Auswirkung von Wind auf die Laufgeschwindigkeit geht, kommt es besonders auf vier Faktoren an.
- Windrichtung: Eine Studie von 1980 zeigt: Gegenwind reduziert die Laufgeschwindigkeit doppelt so stark wie Rückenwind das Lauftempo erhöht. Mit einem Gegenwind von etwa 15 km/h verliert man pro Kilometer etwa 7,5 Sekunden, gewinnt bei gleichem Rückenwind allerdings nur etwa 3,7 Sekunden hinzu. Bei einem dreistündigen Marathon im Gegenwind würde man etwa 10 Minuten länger laufen, bei einem vierstündigen Marathon wäre man etwa 15 Minuten länger auf der Strecke. In einer Studie (1970) untersuchte L.G.C.E. Pugh die Auswirkung von Windgeschwindigkeit und Laufgeschwindigkeit auf den Sauerstoffverbrauch beim Laufen auf einem Laufband im Windkanal. Die Ergebnisse zeigen, dass der Sauerstoffverbrauch bei Gegenwind steigt und somit der Energieverbrauch erhöht ist.
- Streckenführung: Gegenwind direkt nach dem Start oder in der Mitte der Laufstrecke wirkt sich weniger stark auf die Laufgeschwindigkeit aus als Gegenwind kurz vor dem Zieleinlauf oder an einem Bergaufstück. Klar: Am Ende eines Laufs haben wir weniger Energie übrig, um unser Tempo gegen den Wind aufrechtzuerhalten.
- Laufgeschwindigkeit und Streckenlänge: Wer langsamer läuft, ist länger auf der Strecke und läuft damit länger im Gegenwind. Wer schon bei windigem Wetter auf der Laufstrecke unterwegs war, der weiß, dass es einen Unterschied macht, ob man 30 Minuten, eine Stunde oder 90 Minuten gegen den Wind ankämpft. Das ist der Grund, weshalb Läuferinnen und Läufer, die mit einer langsameren Pace laufen, durchschnittlich höhere Leistungseinbußen durch Wind erfahren als schnelle Läufer, obwohl der Windwiderstand bei einer schnelleren Pace höher ist und der schnellere Läufer somit eigentlich gegen einen höheren Strömungswiderstand anläuft.
- Windschattenlaufen: Dass Windschattenlaufen sinnvoll ist und schneller macht, ist lange bekannt. Nicht umsonst haben Profiläuferinnen und Profiläufer Tempomacher oder Hasen. Amateurinnen und Amateure wiederum kämpfen bei wichtigen Wettkämpfen darum, direkt nach dem Start in die richtige Gruppe zu laufen, weil es allein nicht nur mental, sondern auch physisch anstrengender ist. In einer weiteren Studie aus 1971 untersuchte Pugh, welche Veränderungen sich ergeben, wenn ein Läufer einen Meter, 1,5 Meter oder drei Meter hinter einem anderen Läufer im Windschatten läuft. Dabei ergab sich eine Reduktion des Windwiderstandes für den Windschattenläufer um 80 Prozent (1 Meter), 50 Prozent (1,5 Meter) oder 30 Prozent (3 Meter).
Für alle, die es ganz genau wissen wollen, gibt es hier einen Rechner für die Auswirkung von Wind auf die Laufgeschwindigkeit.
Kann man bei starkem Wind joggen?
Die Frage ist: Was ist starker Wind? Wo fängt Sturm an? Hier finden Sie die Windstärken im Überblick.
Die Antwort auf die Frage ist: Ja, man kann bei starkem Wind joggen gehen. Allerdings sollte man dabei einige Hinweise beachten:
Wann sollte man nicht mehr bei Wind joggen gehen?
Die Beaufort-Skala gibt einen Überblick darüber, welche Auswirkungen bestimmte Windstärken auf die Umwelt haben. Daran können Läuferinnen und Läufer recht gut ablesen, wie sicher das Laufen im Freien bei einer bestimmten Windstärke ist.
Der ADAC mahnt ab Windstärke 5 zur Vorsicht und empfiehlt, ab Windstärke 8 Motorräder und Autos stehenzulassen. Beim Skispringen stehen Wettkämpfe bereits ab Windstärke 3 auf der Kippe. Bei Laufwettkämpfen, insbesondere bei Bergläufen, ist spätestens „starker Wind“ (Windstärke 6) je nach Streckenverlauf die Begründung für eine Wettkampfabsage.
Windige Bedingungen herrschen nicht immer über einen langen Zeitraum. Manchmal ist Wind auch der plötzliche Vorbote eines Wetterumschwungs oder eines Gewitters. Die Windstärke ist in solchen Situationen schwer vorhersehbar, meist ist eher der nachfolgende Regen oder das Unwetter der limitierende Faktor fürs Laufen. In solchen Momenten hilft ein Blick in die Wolken: Bei sehr dunklen, flächendeckenden Wolken sollten Sie sich entweder auf den Heimweg machen oder dafür sorgen, dass Sie sich im Notfall sicher unterstellen können. Im aktuellen Smartphone-Zeitalter helfen Apps, die eine ziemlich genaue Wettervorhersage ermöglichen, zum Beispiel die WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes (DWD).
Was ziehe ich bei starkem Wind zum Joggen an?
Bei Wind fühlt sich die Außentemperatur kühler an, als sie tatsächlich ist. Man spricht vom Windchill(-Effekt), der eigentlich nur für Temperaturen unterhalb von 10 °C den Unterschied zwischen Messtemperatur und gefühlter Temperatur, abhängig vom Wind, darstellt. Bei höheren Temperaturen als 20 °C spielt die Luftfeuchtigkeit eine größere Rolle für das Temperaturempfinden als der Wind. Hier gibt der sogenannte Hitzeindex Auskunft über die gefühlte Temperatur.
Ziehen Sie bei windigen Bedingungen enge, windschnittige Kleidung an. Herumflatternde Kleidung sorgt zwar für Antrieb bei Rückenwind, macht das Laufen gegen den Wind jedoch deutlich anstrengender als notwendig. Und es gilt: Das Rennen gewinnt man nicht mit dem Wind, sondern gegen den Wind.
Empfehlenswert sind enge Tights, ein atmungsaktives Unterhemd und ein T-Shirt oder Langarmshirt. Manchmal sind auch zwei Langarmshirts übereinander sinnvoll. Darüber lieber eine Weste als eine Jacke. Das gilt vor allem im Sommer, wenn es abgesehen vom Wind eigentlich warm genug für ein kurzes Laufshirt oder ein Lauftop ist.
Wichtig ist, dass der Oberkörper nicht auskühlt. Wer lieber mit Trainingsjacke, Laufjacke oder Sportpulli läuft, sollte auf eine Kapuze verzichten. Läuferinnen und Läufer, die zu Halskratzen und Halsschmerzen neigen, ziehen am besten eine Jacke oder Weste mit hohem Kragen an.
Das Material Ihrer Laufbekleidung sollte atmungsaktiv sein, damit Sie nicht zu sehr schwitzen. Denn das erhöht das Risiko, sich eine Erkältung einzufangen. Läuferinnen, die anfällig für Blasenentzündungen sind, können über ihre Tights eine Shorts ziehen, die den Beckenbereich im Gegenwind warm hält.
Ein Loop oder ein Halstuch schützen bei kühlen Temperaturen den Hals und bei richtiger Kälte im Winter zusätzlich Nase und Mund. Im Herbst und Winter halten ein Stirnband oder eine Mütze Ohren und Kopf warm.
Für sehr lange Läufe, wenn Sie mit dem Rad zum Start Ihrer Laufstrecke fahren und dort keine Kleidung lagern können oder wenn Sie ein bestimmtes Ziel haben, an dem Sie mit dem Bus weiterfahren möchten und mit Wartezeiten rechnen müssen, lohnt sich die Anschaffung eines Mini-Regenponchos. Der passt in jeden Laufgürtel und ist winddicht.
Wenn Sie von der Arbeit oder einem anderen Ort nach Hause laufen möchten, auf windige Bedingungen aber nicht vorbereitet sind, kann ein großer Müllsack mit drei Zusatzlöchern für Kopf und Arme den Tag retten. Im Notfall reicht sogar ein kleiner Müllbeutel, den Sie am Bauch und/oder am unteren Rücken zwischen Unterhemd und Laufshirt klemmen. So schützen Sie sich vorm Auskühlen.
Verzichten Sie nach Möglichkeit auf Accessoires wie Schirmmütze oder Sonnenbrille. Das Risiko ist hoch, dass Sie sie bei starkem Wind auf der Laufstrecke verlieren.
Wie sollte ich meinen Laufstil bei Wind anpassen?
Ein spezieller Laufstil für Gegenwind? Ja, das ist sinnvoll. Allerdings ist es mit dem Gegenwind ähnlich wie mit dem Bergauflaufen: Die meisten Läuferinnen und Läufer verändern ihren Laufstil intuitiv und passen Körperhaltung, Schrittlänge und Schrittfrequenz sowie Lauftempo an die anspruchsvollen Gegebenheiten an.
Beim Radfahren führt Gegenwind mitunter dazu, dass wir bergab treten müssen. Beim Laufen mit Gegenwind fühlt es sich hingegen so an, als würden wir in der Luft stehenbleiben. Um den Vortrieb beim Laufen zu erhalten, sollten Sie deshalb die Schrittlänge verkürzen. Das ist weniger anstrengend und häufiger Bodenkontakt mit vielen Abdruckphasen hält das Tempo hoch.
Durch das Verkürzen der Schrittlänge erhöht sich fast automatisch die Schrittfrequenz. Bei starkem Wind ist das erste Ziel, die übliche Schrittfrequenz zu halten, und das zweite, sie zu erhöhen. Das spart Energie und erleichtert es, das Tempo aufrechtzuerhalten.
Beugen Sie im Gegenwind den Oberkörper leicht nach vorn und lehnen Sie sich in den Wind. Eigentlich passiert das automatisch, aber wer bewusst darauf achtet, kann dadurch gerade am Ende seiner Laufrunde ein wenig Energie sparen. Bei Rückenwind und Seitenwind können Sie bei Ihrem ganz normalen aufrechten Laufstil bleiben.
Sie haben die Schrittlänge verkürzt, die Schrittfrequenz erhöht, laufen leicht nach vorn gebeugt und es ist trotzdem furchtbar anstrengend, vorwärtszukommen? Dann hilft nur eines: Lauftempo reduzieren und langsamer laufen! Vielleicht wird an diesem Tag dann aus dem schnellen Lauf ein langsamer Dauerlauf oder aus dem Intervalltraining ein Training im Grundlagenausdauerbereich.
Was sollte ich bei Wind bezüglich der Laufstrecke beachten?
Bei leichtem Wind ist eine Laufrunde durch den Wald eine echte Alternative, weil der Wind dort häufig kaum spürbar ist und somit auch keinen nennenswerten Effekt auf Ihr Lauftempo und somit auf die geplante Trainingsintensität hat.
Eigentlich versteht es sich von selbst, trotzdem weisen wir explizit darauf hin: Laufen im Wald oder auf Strecken mit vielen Bäumen bei Windstärken über 5 kann gefährlich werden. Auch wenn es auf den ersten Blick bequemer erscheint, im windgeschützten Wald zu laufen: Suchen Sie bei starkem Wind und Windböen eine Strecke abseits von Wäldern über freie Feldwege aus oder verlegen Sie Ihr Training, wenn möglich, auf die Laufbahn im Stadion.
Vielen Läuferinnen und Läufern ist es ein Gräuel, die gleiche Strecke für den Hinweg und den Rückweg zu nutzen. Bei Wind ist diese Variante jedoch ein guter Tipp. Denn auf diese Weise können Sie Ihre Kräfte besser einteilen. Laufen Sie zuerst gegen den Wind, denn dann sind Sie noch frisch und motiviert. Auf dem Rückweg können Sie den Rückenwind entweder nutzen, um sich entspannt nach Hause pusten zu lassen oder um eine bessere Pace zu jagen.
Sie haben ein Tempotraining oder Intervalltraining auf der Tartanbahn geplant, aber in eine Richtung kommen Sie aufgrund des Gegenwindes kaum vorwärts? Wechseln Sie zwischendurch die Laufrichtung! Rennen Sie mal mit dem Wind und mal gegen den Wind. Das eine motiviert und das andere trainiert.
Wie gehe ich mit Wind am Wettkampftag um?
Windige Bedingungen am Wettkampftag stellen Läuferinnen und Läufer vor eine besondere Herausforderung und können die komplette Wettkampftaktik zunichtemachen. Besonders ärgerlich ist es, wenn Sie wochenlang oder monatelang für Ihre neue Bestzeit trainiert haben – und dann: Gegenwind!
5 Tipps für einen Wettkampf mit Gegenwind
Lauftempo anpassen
Lassen Sie zu, dass Sie bei Gegenwind langsamer laufen, auch wenn Sie genau bei diesem Rennen Ihre Bestzeit knacken wollten. Lassen Sie sich von sieben bis 20 Sekunden Temporeduzierung pro Kilometer im Gegenwind nicht aus der Ruhe bringen.
Höheren Energieverbrauch einplanen
Gegenwind kostet Kraft und Energie. Auf Langstrecken wie Halbmarathon, Marathon oder Ultramarathon sollten Sie mehr Verpflegung mitnehmen und/oder zu sich nehmen.
Regelmäßig trinken
Wind trocknet die Schleimhäute aus. Trinken Sie regelmäßig, damit Sie gut hydriert ins Ziel kommen und um trockenen Hals und Husten zu vermeiden.
Windschattenlaufen
Suchen Sie sich eine Gruppe und nutzen Sie den Windschatten anderer Läuferinnen und Läufer. Der „Belgische Kreisel“, den Radfahrer gerne nutzen, um schneller fahren zu können, hat sich bei Läufern in dieser Art (bisher) nicht etabliert, aber das Laufen in der Gruppe erleichtert den Kampf gegen den Wind für alle, wenn jeder sich mal in den Wind stellt.
Rückenwind ausnutzen
Nutzen Sie den Antrieb des Rückenwindes, um die Pace zu erhöhen. Aber vor allem: Atmen Sie durch und erholen Sie sich kurz von den Strapazen der Gegenwindstrecke.
Bei Bergläufen gibt es vor Wettkampfbeginn häufig Angaben und Hinweise zum Wetter. Dort wird unterschieden zwischen Windwarnung und Sturmwarnung. Aus Haftungsgründen entscheidet der Veranstalter über Wettkampffortführung oder Rennabbruch.
Fazit: Joggen bei Windgeschwindigkeiten bis Windstärke 5 ist kein Problem
Ein bisschen Wind ist kein Grund, das Lauftraining ausfallen zu lassen. Vorsicht ist jedoch ab Windstärke 5 geboten. Je windiger es ist, desto mehr sollten Sie auf enge, windschnittige Kleidung achten. Joggen Sie auf Strecken mit wenig Baumbestand, um das Risiko von Verletzungen durch herunterfallende Äste zu minimieren. Verkürzen Sie beim Laufen im Gegenwind Ihre Schrittlänge, erhöhen Sie die Schrittfrequenz und lehnen Sie sich leicht nach vorn in den Wind. Passen Sie Ihr Lauftempo den Wetterbedingungen an: Pro gelaufenem Kilometer verlieren Sie etwa 7,5 Sekunden im Gegenwind. Bei absehbarem Gewitter oder Unwetter sollten Sie sich in der Nähe einer sicheren Unterstellmöglichkeit aufhalten.