Gender Run: Warum Männer und Frauen unterschiedlich laufen

Läufer vs. Läuferin
Warum Männer und Frauen unterschiedlich laufen

Zuletzt aktualisiert am 11.07.2025
Unterschied Läuferin Läufer
Foto: iStockphoto

Beim Begriff Gender Run denken viele zunächst an ein gesellschaftliches Event – doch dahinter steckt deutlich mehr. In der Sportmedizin und Laufwissenschaft rückt zunehmend die Erkenntnis in den Fokus, dass Männer und Frauen beim Laufen unter verschiedenen physiologischen Voraussetzungen starten. Der sogenannte Gender Run beschreibt genau diese Unterschiede – mit Auswirkungen auf Training, Leistung und Gesundheit. Die Laufzeiten von Frauen haben sich in den letzten Jahrzehnten den Spitzenzeiten der Männer zwar angenähert, doch dass sie diese eines Tages einholen werden, ist unwahrscheinlich. Dies liegt in der Physiologie begründet, denn es gibt kleine, aber feine Unterschiede zwischen Frau und Mann, Läuferin und Läufer. Hier erährst du, warum Spitzenläuferinnen nicht so schnell sind wie ihre männlichen Gegenspieler und was es sonst noch für Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim Laufen gibt.

Biologische Grundlagen: Warum Männer und Frauen unterschiedlich laufen

Der menschliche Körper ist komplex – und geschlechtsspezifisch unterschiedlich gebaut. Besonders im Ausdauersport zeigen sich die Unterschiede deutlich. Dies sind die biologischen Faktoren, die einen Einfluss haben:

  • Muskelanteil: Der Anteil der Muskulatur ist bei Läuferinnen geringer als bei Läufern. Dadurch sind Frauen weniger stark, dafür aber in der Regel beweglicher als Männer. Männer verfügen über durchschnittlich 10–15 % mehr Muskelmasse, was zu einer höheren Maximalkraft führt.
  • Körperfettanteil (KFA): Frauen haben einen biologisch bedingten höheren KFA – wichtig für hormonelle Prozesse, aber leistungshemmend in Bezug auf Geschwindigkeit.
  • Herzgröße & Lungenvolumen: Männerherzen sind größer und pumpen mehr Blut pro Schlag – ein Vorteil für die Sauerstoffversorgung während des Laufens.
  • Maximale Sauerstoffaufnahme: Das Herz des männlichen Läufers kann ein größeres Blutvolumen pro Herzschlag pumpen. Dies wiederum erhöht seine maximale Sauerstoffaufnahme.
  • Hämoglobin: Der Gehalt an Hämoglobin ist bei Läufern höher als bei Läuferinnen. Hämoglobin ist der Stoff, der in den roten Blutkörperchen für den Transport des Sauerstoffs zu den Muskeln verantwortlich ist.

Läufer vs. Läuferin: Unterschiede in Herzfrequenz und Pulswerten

Warum ist der Puls bei Läuferinnen höher? Diese Frage stellen sich viele Frauen, die zusammen mit dem Partner, Freunden oder Laufkollegen trainieren und das Phänomen der unterschiedlichen Herzfrequenz entdecken, signalisiert der hohe Puls doch grundsätzlich eine niedrigere Ausdauerleistungsfähigkeit. Oft fragen Läuferinnen sich dann, ob sie zum einen schlechter trainiert sind und sich zum anderen womöglich überlasten, wenn sie permanent mit den Läufern Schritt halten. In der Leistungsdiagnostik kennt man diese weibliche Verunsicherung. „Viele Frauen lassen sich bei uns testen, um zu klären, warum sie mit Puls 150 laufen, wenn der Mann neben ihnen bei gleichem Tempo mit einer Herzfrequenz von 130 trainiert“, erklärt Ramin Vafa vom Zentrum für Leistungsdiagnostik (ZeLD) der Deutschen Sporthochschule Köln. „Doch die Herzfrequenz kann bei derselben Belastung und trotz identischer Stoffwechselsituation – sprich Laktatspiegel – völlig unterschiedlich sein.“

Ein zentraler Unterschied zwischen Männer und Frauen liegt im Herz-Kreislauf-System. Frauen haben im Schnitt eine höhere Ruhe- und Belastungsherzfrequenz, da sie im Vergleich zu Männern weniger Muskelmasse haben. Herz und Lunge sind im Durchschnitt kleiner. Das Herz muss deshalb häufiger schlagen, um dieselbe Blutmenge zu transportieren. Vergleicht man die maximale Sauerstoffaufnahme, zeigt sich ein deutlicher Unterschied: Männer können im Schnitt maximal 6 bis 6,5 Liter Sauerstoff in der Minute aufnehmen, Frauen nur 4 bis 4,5 Liter. Selbst wenn man das in der Regel unterschiedliche Körpergewicht berücksichtigt, bleibt der Luftfaktor entscheidend: Läufer bringen es in der Minute auf maximal 80 bis 90 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht, Läuferinnen kommen auf etwa 70 Milliliter.

„Der Hubraum ist bei Frauen einfach kleiner“, begründet Vafa das biologisch unterschiedliche Leistungslimit. „Da die Sauerstoffnachfrage bei Läuferinnen geringer ist, nehmen sie über die oberen Atemwege weniger auf und geben weniger ins Blut weiter. Zudem ist das Herz in der Regel kleiner als bei Männern und pumpt pro Schlag weniger Blut in die Adern. Somit ist das Herzminutenvolumen geringer und die Herzfrequenz höher. Herzfrequenzformeln können deshalb in die Irre führen, weil Frauen dadurch eventuell unterfordert werden.“

Unterschiede im Hormonhaushalt

Ein zentraler Einflussfaktor im Gender Run ist der unterschiedliche Hormonhaushalt von Männern und Frauen – insbesondere im Hinblick auf den weiblichen Zyklus. Frauen durchlaufen im Schnitt alle 28 Tage vier hormonell klar abgegrenzte Phasen: Follikelphase, Eisprung, Lutealphase und Menstruation. Diese Phasen beeinflussen das Laufverhalten und die Leistungsfähigkeit auf vielfältige Weise. In der zweiten Zyklushälfte – der sogenannten Lutealphase – steigt der Progesteronspiegel deutlich an. Progesteron führt zu einer leichten Erhöhung der Körperkerntemperatur, was wiederum das Temperaturempfinden beim Laufen beeinflusst. Viele Läuferinnen berichten in dieser Phase von einem früher einsetzenden Erschöpfungsgefühl, was auf den veränderten Energiehaushalt zurückzuführen ist. Zudem steigt der Grundumsatz, das heißt: Der Körper verbraucht mehr Kalorien – auch im Ruhezustand. Gleichzeitig kann der Puls bei gleicher Belastung um 5–10 Schläge höher liegen als in der ersten Zyklushälfte.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Verletzungsanfälligkeit: Durch die hormonellen Veränderungen in der Lutealphase – insbesondere durch den Einfluss von Östrogen und Progesteron – kommt es zu einer Lockerung von Bändern und Gelenkkapseln. Das kann zu einer erhöhten Instabilität führen, vor allem im Knie- und Sprunggelenkbereich. Studien zeigen, dass Kreuzbandrisse bei Sportlerinnen auffällig häufig um den Zeitpunkt des Eisprungs auftreten – ein Hinweis auf die hormonelle Komponente bei Verletzungen.

Männer hingegen verfügen über einen gleichbleibend hohen Testosteronspiegel, der nicht zyklisch verläuft. Testosteron fördert den Muskelaufbau, verbessert die Regenerationsfähigkeit und steigert die körperliche Belastbarkeit. Dies ermöglicht oft intensivere Trainingsreize bei kürzeren Erholungsphasen. Gleichzeitig wirkt Testosteron auch motivationsfördernd – es steigert die Risikobereitschaft und den Leistungsdrang, was sich bei Wettkämpfen und im Training psychologisch bemerkbar machen kann.

Unterschiede in der Mentalität

Neben den physiologischen Unterschieden zeigen sich im Gender Run auch deutliche Unterschiede in der mentalen Herangehensweise an den Laufsport. Psychologische Studien und Erfahrungswerte aus dem Coaching-Bereich deuten darauf hin, dass Frauen und Männer beim Laufen unterschiedlich denken, planen und auf Belastungen reagieren. Frauen laufen häufig strategischer und körperbewusster. Sie sind in der Regel besser darin, die Signale ihres Körpers wahrzunehmen und entsprechend anzupassen – sei es beim Tempo, bei der Ernährung oder bei der Regeneration. Diese Selbstwahrnehmung kann ein klarer Vorteil sein, insbesondere bei längeren Distanzen oder in Ausdauersportarten, in denen das Pacing (die richtige Einteilung der Energie) entscheidend ist. Frauen neigen dazu, weniger riskant zu starten, dafür aber konstant zu laufen – was in Wettkämpfen häufig zu negativen Split-Zeiten führt (die zweite Hälfte wird schneller gelaufen als die erste).

Männer hingegen neigen öfter zu einer aggressiveren Renntaktik. Viele männliche Läufer starten zu schnell, überschätzen ihr Tempo oder unterschätzen die körperliche Belastung auf längeren Strecken. Das kann an einem höheren Testosteronspiegel liegen, der mit einem stärkeren Wettkampftrieb, Ehrgeiz und Risikobereitschaft einhergeht. Zwar kann diese Herangehensweise in kurzen Distanzen von Vorteil sein, birgt aber auf längeren Strecken oder im Training das Risiko des Überpacens oder von Überlastungsverletzungen.

Männerherz als Standard

Mit Pulsformeln stehen viele Läuferinnen daher ständig auf Kriegsfuß – die Pulsvorgabe ist für viele eher nervige Tempobremse als sinnvolle Trainingsvorgabe: Das Lauftempo auf Zockel-Niveau, die Puste im grünen Bereich, die Beine möchten eigentlich ein wenig flotter vorankommen, nur das Herz schlägt mal wieder zu schnell. Chronische Unterforderung. Aber warum? Des Rätsels Lösung: In der Vergangenheit galt der männliche Läufer als Richtschnur für die Berechnung der optimalen Herzfrequenz, die Besonderheiten des weiblichen Herzens blieben bei der Entwicklung der Trainingsformeln unberücksichtigt.

Zur Bestimmung der Pulswerte fürs Training legen wir als Basis die maximale Herzfrequenz zu Grunde, die bei Frauen in der Regel etwas höher ist als bei Männern. Am besten wird diese durch eine Leistungsdiagnostik bestimmt (hier werden in der Regel auch Trainingspulsbereiche festgelegt), Faustformeln bieten nur eine grobe Annäherung.

Pulsformel für Läuferinnen nach Hottenrott

Von der individuellen maximalen Herzfrequenz ausgehend kannst du deine Trainingsbereiche dann beispielsweise mit unserem Puls- und Pace-Rechner bestimmen. Solltest du mit diesen Werten dennoch nicht zurecht kommen, lohnt es sich, eine vor einigen Jahren von Sportwissenschaftler Professor Kuno Hottenrott entwickelte spezielle Berechnungsmethode für Läuferinnen zu betrachten. Denn gerade bei niedrigen Intensitäten schlägt das weibliche Herz im Vergleich zum männlichen 10- bis 15-mal häufiger in der Minute – bei gleicher Beanspruchung des Muskelstoffwechsels. „Da das Herz der Frau kleiner ist, erhöht es zu Beginn einer Belastung zunächst die Frequenz und erst bei höherer Beanspruchung das Schlagvolumen“, so Professor Hottenrott. „Mit höherer Intensität gleicht sich die Herzfrequenz von Frauen der von Männern zunehmend an.“

Wir stellen hier eine leicht vereinfachte Variante vor:

Trainingspuls = (208 - 0,7 x Lebensalter) x 0,7 x Leistungsfaktor x Trainingsfaktor

(Hinweis: Der Term in der Klammer entspricht der maximalen Herzfrequenz. Solltest du deine HFmax mit einer Test-Methode bestimmt haben, trage hier diesen Wert ein.)

Der Leistungsfaktor richtet sich dabei nach dem generellen Fitnessstand, der Trainingsfaktor nach der aktuell geplanten Trainingsintensität:

Leistungsfaktoren

  • Leistungsfaktor für Laufeinsteigerinnen: 1
  • Leistungsfaktor für Fitness- und Freizeitläuferinnen: 1,03
  • Leistungsfaktor für Leistungsläuferinnen: 1,06

Trainingsfaktoren

  • Trainingsfaktor T für Fettstoffwechsel-Training: 1,1
  • Trainingsfaktor T für Herz-Kreislauf-Training: 1,166
  • Trainingsfaktor T für intensives Training: 1,236

Übrigens können auch Männer diese Formel anwenden, hier sind folgende Trainingsfaktoren zu berücksichtigen (die Leistungsfaktoren sind wie oben anzuwenden):

  • Trainingsfaktor T für Fettstoffwechsel-Training: 1
  • Trainingsfaktor T für Herz-Kreislauf-Training: 1,1
  • Trainingsfaktor T für intensives Training: 1,2

Beispielberechnung

Eine 45-jährige Fitness- und Freizeitläuferin macht ein Fettstoffwechsel-Training.

Trainingspuls

= (208 - 0,7 x Lebensalter) x 0,7 x Leistungsfaktor x Trainingsfaktor

= (208 - 0,7 x 45) x 0,7 x 1,03 x 1,1

= 140

Hormonschwankungen im Zyklus

Und noch eine Besonderheit bringt der weibliche Körper mit sich: die Hormonschwankungen innerhalb des Menstruationszyklus. Als winzige Botenstoffe machen Hormone uns griesgrämig oder glücklich, sorgen für Stress und Schlaf, regeln Hunger- und Lustgefühle. Kein Wunder, dass sie zudem sowohl als Fit- als auch als Schlappmacher wirken können. Nicht jede Frau reagiert spürbar auf die Schwankungen der weiblichen Sexualhormone – grundsätzlich können Frauen aber von einem geschickten Trainings-Timing profitieren.

Vier-Wochen-Trainingsplan für Frauen

1. Woche: Durchstarten!

Zu Beginn der Regel befinden sich die Hormone auf Tiefststand. Jede zweite Frau fühlt sich jetzt schlapp und hat ein kleines Leistungstief. Trotzdem müssen Sie das Training nicht sausen lassen – lockere Laufeinheiten sind dann richtig. Übrigens: 20 Prozent der Frauen fühlen sich während und kurz nach der Periode sogar fitter als sonst.

2. Woche: Drauflegen!

Vor dem Eisprung steigt der Östrogenspiegel, und viele Frauen fühlen sich daraufhin fit und leistungsfähig. Die Muskulatur reagiert dank der anabolen Wirkung des Hormons besonders gut auf Trainingsreize – ein idealer Zeitpunkt für intensive Läufe, anstrengende Extra-Einheiten und gezielte Kräftigungsübungen.

3. Woche: Dranbleiben!

Nach dem Eisprung nimmt der Östrogenspiegel ab und der Progesteronspiegel zu. Das Ausdauertraining kann durch Wassereinlagerungen und eine leicht erhöhte Körpertemperatur (um etwa ein halbes Grad) etwas schwerer fallen – vor allem bei Hitze. Zudem sind Bindegewebe und Bänder nun etwas lockerer, und die Verletzungsgefahr steigt.

4. Woche: Durchhalten!

Sinken die Hormonpegel, droht das prämenstruelle Syndrom (PMS): Schlechte Laune, Bauchschmerzen und empfindliche Brüste verderben die Lauflust, das Leistungsvermögen sinkt. Sport ist trotzdem das beste Rezept gegen Menstruationsbeschwerden, Sportlerinnen leiden seltener unter PMS als Fitness-Muffel. Laufen sorgt jetzt für Spaß und Entspannung.

Die Unterschiede von Läuferinnen und Läufern im Überblick

FAQ: Gender Run

Ist Gender Run ein anerkannter Begriff in der Sportwissenschaft?

Gibt es Gender-spezifische Laufuhren?

Welche Pulsformel ist für Frauen am besten geeignet?

Fazit: Mit diesem Wissen trainerst du smarter

Weniger Kraft, mehr Körperfett, eine niedrigere Ausdauerleistungsfähigkeit durch Herz, Lunge und Blut – scheinbar rennen Läuferinnen den Läufern immer ein wenig hinterher. Ein geschlechterspezifisches Training oder gar andere Trainingseinheiten brauchen wir, was die grundsätzlichen Trainingsinhalte betrifft, eigentlich dennoch nicht: Bei gleichem Sportpensum laufen im weiblichen und im männlichen Körper dieselben Anpassungsprozesse ab.

Entscheidend für die Laufleistung ist eben doch das individuelle Trainingspensum, und das ist keine Frage des Geschlechts. „Aus physiologischer Sicht und hinsichtlich der Trainierbarkeit und der Trainingseffekte gibt es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern, weil der Stoffwechsel – und um den geht es beim Ausdauertraining in erster Linie – tatsächlich gleich reagiert“, betont Ramin Vafa. „Man trainiert heute Männer und Frauen, was die grundsätzlichen Trainingsinhalte angeht, nicht mehr unterschiedlich.“

Allerdings gibt es eine Einschränkung: der weibliche Zyklus bedingt hormonbedingte Formtiefs. Darauf geht eine sinnvolle Trainingsplanung für die Frauen ein, deren Menstruationszyklus nicht durch Verhütung oder Alter ausgesetzt ist. Das betrifft aber nicht die grundsätzlichen Trainingseinheiten, die Trainingssystematik ansich, sondern die Intensitäten in den verschiedenen Zyklusphasen.