„Ich habe mich beim Intervalltraining blau gelaufen, aber am nächsten Tag habe ich einen auf Regeneration gemacht, ein paar Gels geschluckt, und dann hat die Superkompensation so was von eingesetzt ...“. Begreifen Sie, was dieser Läufer Ihnen sagen will? Oder sind die meisten Wörter Ihnen völlig unverständlich? Dann sind Sie hier richtig. Wir zeigen Ihnen, dass ambitionierte Läufer auch nur mit Wasser kochen und Sätze wie der obige irgendwann auch Ihnen fließend über die Lippen sprudeln können. Denn beim Laufen ist es wie bei allen anderen Sportarten: Die Szene entwickelt ihre eigene Sprache. Wir haben einige der gebräuchlichsten Redewendungen für Sie auseinandergenommen, sodass Sie nächstes Mal mitreden können. Und die, die meinen, sowieso schon alles zu verstehen, sollten hier einmal überprüfen, ob sie wirklich noch auf dem aktuellen Stand sind.
„Bloß nicht im Vier-Minuten-Tempo“
Echte Läufer definieren ihre Geschwindigkeit nie in Kilometer pro Stunde (km/h), sondern in Minuten pro Kilometer (Min./km). Bei einem „Vier-Minuten-Tempo“ braucht man also vier Minuten für einen Kilometer (= 15 km/h). Manchmal wird diese Begrifflichkeit noch verkürzt zu „Vierer-Tempo“ (= 4:00 Min./km). „Vierdreißiger-Tempo“ bedeutet, dass man 4:30 Minuten pro Kilometer läuft. Einige Läufer benutzen auch die englische Formulierung "Pace". Das Vierer-Tempo wird dann zu "Vierer-Pace" oder "einer Pace von vier Minuten".
„Zieh die Spikes an“
„Spike“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Stift“, „Spitze“ oder „Stachel“. Als „Spikes“ bezeichnet man unter Läufern die leichten Rennschuhe mit Dornen, die beim Laufen einen besseren Abdruck gewähren. Ursprünglich wurden diese Dornenschuhe nur für die kurzen Laufdistanzen in der Stadion-Leichtathletik genutzt. Da sie aus Gewichtsgründen kaum gedämpft sind und keinerlei Stabilität bieten, machen sie nur für Läufer Sinn, die keine Fußprobleme haben – und das sind die allerwenigsten. Seit einigen Jahren gibt es auch Schuhe mit Dornenbesatz für das Laufen auf Eis und Schnee (zum Beispiel von Icebug). Diese sind aber nur bei geschlossener Eis- und Schneedecke sinnvoll, denn auf Asphalt nutzen sich die Stifte schnell ab.
„Voll aus dem Training heraus“
Der Ausdruck bezeichnet eine Wettkampfteilnahme, auf die man trainingsmethodisch keine Rücksicht genommen hat. Um eine optimale Leistung zu gewährleisten, muss man eigentlich das Training in den letzten Tagen vor dem Wettkampf reduzieren, sodass die Energiedepots des Körpers am Wettkampftag komplett gefüllt sind. Diesen Vorgang nennt man „Tapering“ (engl. für Zuspitzen). Ein Wettkampf, an dem man „voll aus dem Training heraus“ teilnimmt, auf den man in der Trainingsgestaltung und -intensität also keine Rücksicht genommen hat, dient nicht der Erbringung einer Bestleistung, sondern ist nur ein Test auf dem Weg zum Höhepunkt. Der Ausdruck „voll aus dem Training heraus“ wird allerdings von ambitionierten Läufern und Profis gern auch als vorbeugende Aussage zur Relativierung für eine schlechte Wettkampfleistung benutzt bzw. in der anderen Variante als Ausrede nach dem Lauf für schlechtes Abschneiden.
„Ich spüre die Superkompensation“
Jede Form von großer Laufbelastung, sei es im Training oder im Wettkampf, bringt für den Körper eine Störung des biochemischen Gleichgewichts mit sich. Eine solche Anstrengung kostet sehr viele Brennstoffe, die leeren Energiespeicher müssen danach durch Essen und Trinken wieder aufgefüllt werden, um den Organismus für die nächste Beanspruchung fit zu machen. Dieser intensiven, kurzzeitigen Verringerung des Leistungsvermögens steht jedoch auch ein positiver Effekt gegenüber: Gibt man dem Körper ausreichend Zeit zum Erholen, füllt er in einer Art Überreaktion seine Energiedepots auf höherem Niveau als vor der Belastung wieder auf. Die Folge: Das Leistungsniveau steigt. Dieses Phänomen bezeichnet man als „Superkompensation“.
„Ich bin Mittelstreckler, kein Ultra“
Zu den Mittelstrecklern zählen alle Läufer, die Wettkampfdistanzen von 800 bis 1.500 Meter laufen. Langstreckler absolvieren Distanzen von 3.000 Meter bis Marathon (42,195 Kilometer). Als Ultraläufer oder „Ultras“ bezeichnet man alle, die längere Strecken als Marathon laufen.
„Ich laufe gerade an der Schwelle“
Die „Schwelle“ bezeichnet den Belastungsbereich, in dem Sauerstoffaufnahme und -verbrauch gerade noch in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und in dem der Energiebedarf der Muskulatur noch über den normalen Stoffwechsel gedeckt werden kann. Überschreitet man die, genauer gesagt, aerob-anaerobe Schwelle, kommt es zur sogenannten anaeroben Energiebereitstellung, was bedeutet, dass Glucose erst zu Pyruvat und schließlich zu Laktat, dem Salz der Milchsäure, umgewandelt wird. Dieser Prozess wird begleitet von starken Atmungsveränderungen – man kommt außer Atem – und einem rapiden Anstieg der Blutlaktatkonzentration, was schließlich die Hemmung der Muskelbewegung bewirken kann.
„Denk an den Windchill-Effekt!“
„Windchill“ kommt aus dem Englischen und heißt „Windkühle“. Der Windchill-Effekt beschreibt den Unterschied zwischen tatsächlicher Lufttemperatur und der gefühlten Temperatur, die in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit steht. Beim Laufen entsteht durch die Laufbewegung ein Fahrtwind, der auch Auswirkungen auf den Windchill-Faktor hat. Bei hohen Temperaturen zeigt sich kein Windchill-Effekt, er wird daher sinnvollerweise nur für Temperaturen ab 10 Grad und darunter berechnet. Beispiele: 5 Grad fühlt man bei 10 km/h Windgeschwindigkeit als 2,7 Grad, bei 15 km/h als 1,7 Grad. 0 Grad fühlt man bei 10 km/h als -3,3 Grad und bei 15 km/h als -4,4 Grad.