Ist die Euphorie nach dem Zieleinlauf oder einem erfolgreichen harten Training verflogen, melden sich oft schnell die Laufmuskeln: In den nächsten Tagen tut gefühlt jede Bewegung weh. Das ist zwar harmlos, aber unangenehm und nervig – ganz zu schweigen von den Kommentaren der Mitmenschen, die dich rückwärts die Treppe runtergehen sehen. Die schlechte Nachricht: Auch nach dem Lesen dieses Textes ist es unwahrscheinlich, dass du Muskelkater immer vermeiden kannst. Die gute: Du kannst einiges tun, um seltener davon ereilt zu werden und den Schaden zu begrenzen.
Warum entsteht Muskelkater überhaupt?
Das ist tatsächlich auch heute noch nicht bis ins letzte Detail geklärt. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass Muskelkater durch Mikroschäden an den Muskelfasern entsteht. Insbesondere bei exzentrischer Belastung kommt es zu kleinsten Verletzungen an Faserstrukturen. Beim Laufen verlängert sich der arbeitende Muskel unter Spannung, zum Beispiel in der abbremsenden Aufprallphase bei jedem Fußaufsatz. Oberschenkel- und Wadenmuskulatur fangen die Stoßkräfte weich ab, indem sie die Bewegung kontrolliert bremsen. Deshalb kann der Muskelkater nach langen Downhills auch besonders stark ausfallen.
Die Mikroverletzungen führen zu Entzündungsreaktionen, die wiederum die Schmerzrezeptoren aktivieren – es tut weh. Häufig ist der Schmerzhöhepunkt erst am übernächsten Tag erreicht, wenn die Reparaturprozesse in vollem Gange sind. Dabei gelangen auch Muskelenzyme wie die Kreatinkinase (CK) in die Blutbahn. Erhöhte CK-Werte können Ärztinnen und Ärzte alarmieren. Wenn du in den Tagen nach einer sehr harten Belastung zur Blutabnahme gehst, erwähne unbedingt, dass du intensiv Sport getrieben hast, damit die Befunde korrekt eingeordnet werden.
Dieser Entzündungsmechanismus ist als Ursache von Muskelkater (auch DOMS, Delayed Onset Muscle-Soreness genannt) gut erforscht. Diskutiert werden die genauen Signalwege. So deuten neuere Studien wie diese darauf hin, dass neuronale Prozesse stärker an der Schmerzempfindung beteiligt sein könnten als bisher angenommen. Das könnte erklären, warum DOMS auch ohne klar erkennbare Muskelfaserschäden auftreten kann.
8 Tipps, um einen Muskelkater nach dem Training zu verhindern
Du kannst Muskelkater vorbeugen: mit klugem Training und guter Bewegungsökonomie. Das sind die wirksamsten Tipps:
Langsam steigern
Starke, ungewohnte Reize provozieren Muskelkater geradezu. Der Schlüssel liegt also in der Gewöhnung. Führst du deinen Körper langsam an neue Belastungen heran, passt er sich kontinuierlich an und der muskuläre Knalleffekt bleibt aus. Steigere deinen Trainingsumfang, die Dauer langer Läufe und den Anteil an Tempotraining schrittweise über mehrere Wochen. So haben deine Muskeln Zeit für Anpassungsprozesse, es kommt zu weniger Schäden und Schmerzen bei gleicher Belastung.
Streckenwahl beachten
Je nach Untergrund und Profil sind beim Laufen unterschiedliche Muskelfasertypen stärker gefordert. Belastest du weniger trainierte Fasern plötzlich sehr intensiv, werden sie auch mehr durch Mikroverletzungen geschädigt. Neben Umfang und Tempo spielt also auch deine Laufstrecke eine große Rolle für die Vorbeugung von Muskelkater. Bergabstrecken und ein mit Wurzeln oder Steinen durchsetzter Boden fordern dich ganz anders als flacher Asphalt. Baue solche Abschnitte zunächst nur häppchenweise in dein Training ein, damit sich die Muskulatur adaptieren kann. Statt eines hohen Berges genügen erst einmal Brücken und Hügel, die du mehrmals rauf und wieder runter läufst.
Gut aufwärmen
Ein kurzes Aufwärmprogramm vor einem intensiven Lauftraining bereitet deine Muskeln schonend auf die Belastung vor und kann Verletzungen sowie Muskelkater moderat vorbeugen. Das Warm-up kann dabei Einlaufen, Mobilitätsübungen und Steigerungen umfassen. Das Cool-down hat der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage zufolge dagegen kaum Einfluss auf die Verhinderung von DOMS, das gilt auch für Stretching.
Dysbalancen ausgleichen
Muskuläre Dysbalancen erhöhen das Risiko für DOMS. Ein unausgeglichenes Muskelverhältnis zwischen Vorder- und Rückseite oder zwischen rechter und linker Körperhälfte kann dazu führen, dass bestimmte Muskeln überproportional viel Arbeit leisten müssen. Diese Überlastung erhöht das Risiko für Mikroverletzungen und damit für Muskelkater. Ein laufspezifisches Krafttraining – insbesondere für Rumpf, Hüft- und Beinmuskulatur – sorgt für eine ausgewogenere Kraftverteilung beim Laufen. Übungen wie Ausfallschritte, einbeinige Kniebeugen oder Rumpfstabilisationstraining helfen dir, deine Schwachstellen zu reduzieren und die Belastung auf viele Muskelfasern gleichmäßig zu verteilen.
Lauftechnik verbessern
Auch ein sauberer, ökonomischer Laufstil kann helfen, Muskelkater nach dem Training zu vermeiden. Wenn du deinen Schritt leicht verkürzt und weich aufsetzt und dabei dein Körpergewicht über dem Körperschwerpunkt hältst, reduzierst du die Bremskräfte. Auch eine stabile Rumpf- und Hüftmuskulatur sorgt dafür, dass die Bewegung geschmeidig abläuft und keine Muskelgruppen überlastet werden. Technisch sauberes Laufen spart also nicht nur Energie, sondern schont auch die Muskulatur.
Exzentrisch trainieren
Gezieltes exzentrisches Training bereitet deine Muskeln optimal auf die Bremsbelastungen beim Laufen vor. Studien zeigen, dass kontrolliertes Nachgeben unter Last den sogenannten repeated bout effect (RBE) verstärken und Muskelfasern widerstandsfähiger machen. Beispielübungen sind Wadenheben mit langsamem Absenken, Training der Beinbeuger (Nordic Hamstring Curls) und Step-downs von einer Stufe. Setzt du solche Reize regelmäßig und dosiert ein, bekommst du seltener Muskelkater.
Passiv regenerieren
Kälte und Wärme können Reize setzen, die schwerem Muskelkater nach dem Training vorbeugen. Sauna nach dem Ausdauersport durchblutet und entspannt die Muskeln, was auf jeden Fall dein Wohlbefinden steigert. Wärme ist vor allem in den ersten 24 bis 48 Stunden angenehm, während sich ein Eisbad ab 48 Stunden nach der Belastung auszahlen kann. Die Empfehlungen sind hier nicht einheitlich, am besten hörst du auf dein Körpergefühl. Auch eine (Selbst)Massage kann helfen, DOMS vorzubeugen oder zumindest das Ausmaß zu verringern.
Aktiv regenerieren
Leichte Bewegung am Tag nach einer harten Einheit kann helfen, die Durchblutung zu erhöhen und den Abtransport von Abbauprodukten zu unterstützen. Das subjektive Schmerzempfinden nimmt ab, du beugst also dem Gefühl eines schweren Muskelkaters vor. Auf die strukturelle Wiederherstellung der geschädigten Muskelfasern hat aktive Regeneration nur einen sehr geringen Effekt. Die Schmerzlinderung klappt aber nur, wenn du wirklich lockere Belastungen wählst: Regenerationsläufe mit erneuter exzentrischer Belastung können insbesondere für ältere Läuferinnen und Läufer kontraproduktiv sein. Spazierengehen, gemütliches Radfahren oder Schwimmen sind häufig die bessere Wahl.
Ernährung und Hydration: Was muss ich beachten?
Mit dem richtigen Essen und einer guten Flüssigkeitsversorgung unterstützt du die Reparatur der geschädigten Muskelfasern und milderst die entzündlichen Prozesse ab. Ganz verhindern kannst du DOMS damit nicht, aber der Muskelkater ist weniger ausgeprägt. Folgende Nährstoffe sind förderlich:
- Protein: Nimm ein bis zwei Stunden nach dem Training etwa 20 bis 40 g hochwertiges Eiweiß zu dir, etwa in Form von Milchprodukten, Eiern, Fleisch oder Fisch. Aminosäuren sind die Baustoffe des Körpers. Ohne sie klappen die Wiederherstellungsprozesse nicht.
- Omega-3-Fettsäuren: Die antientzündliche Wirkung von Omega-3-Fettsäuren dämpft die Entzündungsreaktionen durch die Muskelfaserschädigung. Vor dem Training eingenommen, können sie Studien zufolge DOMS vorbeugen.
- Kreatin: Das Supplement hat eine nachweislich leistungssteigernde und regenerationsfördernde Wirkung auf Ausdauersportlerinnen und -sportler. Kreatin reduziert die zellulären Schäden nach Belastungen und somit subjektiv Muskelkater und -schmerzen. Die Studienlage ist hier aber nicht eindeutig.
- Antioxidantien: Vitamin C, E, Polyphenole, Curcumin und Co. reduzieren den oxidativen Stress, der auch bei der Entwicklung von Muskelkater eine Rolle spielt. Wenn du dich gemüse- und obstreich ernährst, kann das DOMS lindern.
Ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt verhindert Muskelkater zwar nicht, kann aber die Intensität und Dauer positiv beeinflussen. Bist du nämlich dehydriert, sind die Muskeln weniger elastisch und es kommt bei exzentrischer Belastung eher zu Mikroverletzungen. Außerdem ist die Durchblutung gehemmt und der Abtransport der Abbaustoffe verzögert sich. Auch Elektrolytverluste können Muskelschäden verschlimmern und die Regeneration verzögern. Starte also am besten schon gut hydriert ins Training, nimm bei Einheiten über 60 Minuten vor allem im Sommer etwas zu trinken mit und achte darauf, den Flüssigkeitsverlust nach dem Laufen auszugleichen.
Mythen rund um Muskelkater: Was hilft – und was nicht?
Es gibt viele falsche Behauptungen rund um die Bekämpfung von Muskelkater, die sich hartnäckig halten. Vermeide häufige Fehler und wende lieber gleich an, was wirklich hilft. Hier die Dos and Don’ts:
❌ Dehnen nach dem Training: Viele glauben, dass statisches Dehnen die Muskeln schützt. Tatsächlich lindert es nur kurzfristig das Gefühl von Verspannung. Die Mikroverletzungen in den Muskelfasern und die nachfolgenden Schmerzen bleiben dir erhalten, sodass du dir das Stretching sparen kannst. Schlimmstenfalls vergrößerst du die Mikroschäden in der Muskulatur sogar noch.
❌ Cool-down verhindert Muskelkater: Lockeres Austraben fühlt sich zwar gut an, verhindert DOMS aber leider nicht. Muskelkater entsteht über Stunden bis Tage durch strukturelle Schäden – da hilft selbst ausgiebiges Auslaufen nichts.
❌ Eisbäder sind immer gut: Kälte kann kurzfristig die Schmerzen durch DOMS lindern, sie sind aber kein Allheilmittel. Da Anpassungsprozesse wie Muskelwachstum durch Eisbäder abgeschwächt werden, kann sogar der Trainingseffekt leiden.
❌ Weitertrainieren und rauslaufen: Das Motto „Gleiches mit Gleichem bekämpfen“ klappt bei Muskelkater ganz sicher nicht. Im Gegenteil, die Holzhammermethode verschlimmert alles noch.
❌ Magnesium einnehmen: Der Mineralstoff kann zwar bei Krämpfen helfen, aber er hat keine Auswirkung auf die strukturellen Muskelfaserschäden.
❌ Die Muskeln einreiben: Salben und Gels mit Menthol, Arnika, Kampfer oder Capsaicin fühlen sich zwar oft gut an und können lokal schmerzlindernd wirken, aber sie verhindern oder lindern DOMS nicht.
Tatsächlich hilfreich sind dagegen folgende Maßnahmen:
✅ Langsame Progression: Packe nicht mehr als etwa 10 % Umfang bzw. Intensität pro Woche drauf. Ein schrittweises Herantasten an härteres Training ist der beste Schutz gegen Muskelkater.
✅ Gute Erholung: Neben lockerer Bewegung ist auch der Schlaf ganz wichtig und häufig unterschätzt: Nur ausgeruhte Muskeln sind voll einsatzfähig und resistent gegen DOMS.
✅ Ausreichend das Richtige essen: Die Muskulatur wird nachweislich anfälliger für Schädigungen und Schmerzen, wenn du dauerhaft zu wenig Energie zuführst. Vermeide es, das Red-S-Syndrom zu entwickeln, vor allem als Läuferin. Achte auf eine ausreichende Proteinzufuhr und Mikronährstoffversorgung.
✅ Warm-up und Krafttraining: Einlaufen und exzentrische Übungen bereiten die Muskulatur optimal auf die Belastung vor und stärken die Fasern.
FAQ zu Muskelkater nach dem Laufen
Bei sehr starken, einseitigen Schmerzen, deutlicher Schwellung, eingeschränkter Funktion, Taubheitsgefühlen oder sich rasch verschlechternden Symptomen solltest du zeitnah ärztliche Hilfe suchen – dann kann eine Verletzung vorliegen. Auch wenn der Schmerz ungewöhnlich stark ist oder länger als etwa eine Woche anhält, ist eine Abklärung sinnvoll.
Ein guter Schlaf reduziert das Risiko für stärkeren oder länger anhaltenden Muskelkater. Er fördert die Proteinsynthese, die Ausschüttung von Wachstumshormonen für die Reparaturprozesse und die Entzündungsregulation. Dadurch wird die Muskelreparatur effizienter.
Meistens ja: Sie sind besser an die Belastung gewöhnt, ihre Lauftechnik ist oft sauberer und optimiertes Krafttraining ist Teil ihrer Routine. Das macht sie weniger anfällig für DOMS. Bei völlig neuen, sehr intensiven oder ungewohnten Reizen können aber auch Profis erheblichen Muskelkater bekommen.
Ja, mit zunehmendem Alter sind Muskeln oft weniger elastisch, die Regeneration erfolgt langsamer und die Fasern reagieren empfindlicher auf exzentrische Belastung. Gut trainierte ältere Läuferinnen und Läufer können den Effekt durch gezieltes Kraft- und Exzentriktraining allerdings deutlich reduzieren.
Die Arbeit mit Faszienrollen kann subjektiv das Schmerzempfinden lindern und die Beweglichkeit leicht verbessern. Die durchblutungsfördernde und Verspannungen lösende Wirkung verhindert oder repariert aber keine Mikroverletzungen in den Muskeln.





