Die Laktatschwelle ist ein zentraler Indikator für deine Ausdauerleistungsfähigkeit: Je höher diese Messlatte liegt, desto intensiver und länger kannst du laufen. Wenn du deinen Schwellenwert kennst, lässt sich das Training systematisch strukturieren und die Leistungsfähigkeit verbessern. Wir zeigen dir, wie du deine Laktatschwelle ermittelst und mit welcher Art von Training du sie erhöhen kannst.
Was ist die Laktatschwelle?
Die Laktatschwelle definiert den Punkt, an dem in deinen Muskeln die Laktatproduktion gerade noch im Gleichgewicht mit dem Laktatabbau steht. Laktat ist die Salzform der Milchsäure und entsteht in den Muskelzellen, wenn du anaerob = hart trainierst: Der Sauerstoff zur Energiegewinnung wird knapp, man spricht auch von Belastung unter Sauerstoffschuld. Diese kannst du nur für einen begrenzten Zeitraum durchhalten, weil deine Beine „schwer“ werden bzw. zu „brennen“ beginnen. Die Laktatanreicherung ist dabei nicht der leistungslimitierende Faktor wie früher angenommen. Die Muskel-Übersäuerung resultiert aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen dem Säure-Basen-Haushalt und dem Energiestoffwechsel. Letztlich kommt es zu einem pH-Abfall in den Muskelzellen – sie übersäuern und du kannst die Intensität nicht aufrechterhalten.
Trainierst du unter der Laktatschwelle, steht genügend Sauerstoff zur Verfügung. Aerob lässt sich der Körper wesentlich länger belasten als anaerob. Verschiebst du deine Laktatschwelle nach oben, kannst du also schneller und länger laufen.
Die Laktatschwelle wird oft auch als aerob-anaerobe Schwelle bezeichnet. Genau genommen gibt es aber einen Unterschied zwischen anaerober Schwelle und Laktatschwelle. Letztere bezieht sich auf den im Blut gemessenen Laktatwert, der häufig bei etwa 4 mmol/l liegt. Die anaerobe Schwelle wird dagegen über eine Spiroergometrie gemessen.
Laktat- und anaerobe Schwelle sind nicht die einzigen Faktoren, die deine Leistungsgrenze bestimmen. Wichtig ist auch die VO2max – die maximale Sauerstoffaufnahme. Dein Potenzial für die Aufnahme, den Transport und die muskuläre Nutzung großer Sauerstoffmengen ist irgendwann ausgeschöpft. Die VO2max setzt im Unterschied zur dynamischen Laktatschwelle eine maximale Obergrenze: Wird sie erreicht, geht gar nichts mehr.
Kann ich meine Laktatschwelle ohne Labortest bestimmen?
Um deine Laktatschwelle zu finden, brauchst du nicht zwingend eine Laktatdiagnostik. Du kannst auch einfach Lauftests mit oder ohne Herzfrequenzmessung durchführen. Diese sogenannten Feldtests auf einer Bahn oder einem Laufband sind zwar etwas ungenauer als die Messung des Laktats im Blut, aber sehr einfach und in den meisten Fällen völlig ausreichend. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Der 30-Minuten-Test
Wärme dich auf und laufe 30 Minuten lang so gleichmäßig und hart wie möglich. Die durchschnittliche Herzfrequenz der letzten 20 Minuten ist deine ungefähre Laktatschwellen-Herzfrequenz. Ohne Pulsmessung kannst du die durchschnittliche Pace als Schwellenwert verwenden.
2. Der Conconi-Test mit Herzfrequenzmessung
Laufe gut aufgewärmt langsam los und steigere alle 200 m dein Tempo auf dem Laufband um 0,5 km/h bzw. auf einer Laufbahn um 1 bis 3 Sekunden – bis du nicht mehr kannst. Zur Analyse werden die Werte der Herzfrequenz (y-Achse) und der Geschwindigkeit (x-Achse) in ein Diagramm eingetragen. Wo die Kurve abflacht bzw. abknickt (Deflexionspunkt) liegt deine geschätzte Laktatschwelle.
Viele Laufuhren wie die Garmin Fenix- und Forerunner-Modelle, die Suunto Race, Vertical und Peak sowie die Polar-Serien Grit, Vantage und Racer haben Laktatschwellentests als Feldtests integriert. Alternativ berechnen sie deinen Schwellenwert auf Wunsch automatisch aus deinen Trainingsdaten. In den zugehörigen Apps bzw. Web-Plattformen der Hersteller kannst du den Wert einsehen und für eine präzise herzfrequenzbasierte Trainingsplanung nutzen. Auch unabhängige Tools wie TrainingPeaks arbeiten mit der Laktatschwelle, um Trainingsbereiche für deine Laufeinheiten zu empfehlen. Diese werden prozentual aus der Laktatschwellen-Herzfrequenz (LSHF) abgeleitet. Möchtest du beispielsweise mit einem Zone-2-Training deine Grundlagenausdauer verbessern, sollte dein Puls bei etwa 85 bis 88 % deiner LSHF liegen. Beträgt deine LSHF 175 Schläge pro Minute, ist also eine Herzfrequenz von 149 bis 154 optimal.
Die genaue Einteilung der Trainingszonen nach der LSHF variiert je nach Uhrenhersteller bzw. Trainingstool leicht. Gängig ist folgende Einteilung:
- Regenerativ: < 85 % der LSHF
- GA1: 85–95 % der LSHF
- GA2: 95–100 % der LSHF
- Schwelle: 100–105 % der LSHF
- VO2max: >105 % der LSHF
Wie berechne ich meine Laktatschwelle und was sind gute Werte?
Möchtest du weder Laktat im Blut bestimmen noch einen Test durchführen, kannst du deine Laktatschwelle mit Faustformeln berechnen. Die indirekten Schätzwerte bieten aber nur eine grobe Orientierung. Wer es genau wissen will, kommt um konkrete Messungen nicht herum. Als Formeln kommen infrage:
- Prozentuale Ableitung von der HFmax: Die Laktatschwelle liegt ungefähr bei 85 bis 90 % deiner maximalen Herzfrequenz.
- Berechnung aus der HFmax: Mit der Formel 0,94 x HFmax - 7 lässt sich die Laktatschwelle ebenfalls schätzen.
- Prozentuale Ableitung aus VO2max: Die Laktatschwelle liegt bei Trainierten bei etwa 65 bis 80 % der VO2max, bei sehr gut Trainierten bei 85 bis 95 % der VO2max.
Und was sagen die so kalkulierten Werte aus? Um dein Leistungsvermögen ganz grob einzuordnen, kann folgende Tabelle mit soliden Richtgrößen für Läuferinnen und Läufer dienen:
Hinweise:
- Die HFmax-Spannen spiegeln individuelle Abweichungen von der Faustformel „220 minus Alter“ wider.
- Die Schwellen-HF ergibt sich aus 75 bis 85 % der jeweiligen HFmax-Werte.
- Die Pace-Bereiche gelten für gut trainierte Läuferinnen und Läufer.
Welche Faktoren beeinflussen die Laktatschwelle?
Hauptsächlich bestimmt dein Training die Laktatschwelle. Es gibt aber noch andere, physiologisch oder verhaltensbedingte Faktoren. Dazu gehören:
Muskelfasertypen
Ein höherer Anteil an Typ-I-Fasern – die langsam zuckenden, oxidativen Fasern – verschiebt die Schwelle nach oben, da diese Fasern Laktat langsamer anhäufen.
Kapillardichte
Mehr Kapillaren pro Muskelfaser verbessern den Sauerstoff- und Laktattransport. Eine hohe Blutvolumen- und Hämoglobinkonzentration steigert die Puffer- und Transportkapazität.
VO2max
Eine hohe maximale Sauerstoffaufnahme ermöglicht eine höhere absolute Schwellenleistung.
Enzymaktivität und Pufferkapazität
Eine stärkere Aktivität von Pufferenzymen (z. B. Carnosin) und Transportproteinen (MCT-1/4) ermöglicht einen schnelleren Abbau bzw. Abtransport von Laktat.
Genetik und Alter
Genetisch bedingte Unterschiede in Fasertypenansatz, Enzymexpression und Erholungsvermögen setzen individuelle Grenzen. Mit zunehmendem Alter nimmt die maximale aerobe Kapazität und Kapillardichte tendenziell ab.
Ernährung und Hydration
Der Kohlenhydratstatus (Glykogenspiegel) beeinflusst, wie schnell du auf anaerobe Glykolyse umschaltest. Eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr optimiert den Zell- und Blutvolumenpuffer.
Umweltbedingungen
Hitze oder Kälte wirken sich auf die Durchblutung und Enzymkinetik aus. In Höhenlagen reduziert sich der Sauerstoffpartialdruck und kann Schwellenwerte vorübergehend senken.
Erholung und Regenerationsstatus
Unzureichende Regeneration senkt die Trainingsqualität und verlangsamt Anpassungsprozesse.
Wie erhöhe ich meine Laktatschwelle?
Je nach Leistungsniveau gibt es verschiedene Möglichkeiten, um deine Laktatschwelle mit gezieltem Training zu verbessern. Wenn du mit dem Laufen gerade erst angefangen hast oder vor dem Wiedereinstieg nach einer Pause stehst, solltest du nicht gleich in die Vollen gehen. Für die ersten Trainingsrunden empfiehlt es sich hier, gut auf den Körper zu hören. Kommst du außer Atem oder kannst dich nicht mehr unterhalten, bist du in der Regel schon über der Laktatschwelle unterwegs. Taste dich langsam an diesen Bereich heran, indem du zunächst nur ein paar Minuten schneller läufst. Danach kannst du strukturierter an die Sache herangehen und gezielt einige der folgenden Einheiten zur Erhöhung deiner Laktatschwelle in deinen Trainingsplan integrieren.
Wie lange und wie oft sollte ich an der Laktatschwelle trainieren?
Wie häufig und intensiv du solche Schwellentrainings durchführen solltest, hängt von deinem Leistungsniveau ab. Allgemein lassen sich folgende Empfehlungen geben:
Einsteigerinnen und Einsteiger
- Trainingsziel: Grundlagenausdauer aufbauen, Körper an höhere Belastung gewöhnen
- Frequenz: 1x pro Woche
- Gesamtzeit an der Schwelle: 15 bis 20 Minuten
- Intensität: etwas schneller als Dauerlauftempo – du kommst ins Schnaufen, kannst aber noch kurze Sätze sprechen
Freizeitläuferinnen und -läufer
- Trainingsziel: Schwellentempo verbessern, längere Zeit hart laufen können (z. B. für 10 km oder HM)
- Frequenz: 1–2 x pro Woche
- Gesamtzeit an der Schwelle: 20 bis 40 Minuten
- Intensität: Schwellenpace oder etwa 90 % HFmax; du bringst noch einzelne Worte heraus
Ambitionierte Läuferinnen und Läufer
- Trainingsziel: Laktatschwelle verschieben, Renntempo über längere Zeit halten
- Frequenz: bis zu 3–4 x pro Woche (je nach Trainingsphase und Gesamtbelastung)
- Gesamtzeit an der Schwelle: 30 bis 60 Minuten
- Intensität: Laktatschwelle, Sprechen kaum möglich
Wichtig: Achte auf deine Gesamtbelastung, inklusive privatem und beruflichem Stress. Sonst kann ein zu häufiges und/oder intensives Training an der Laktatschwelle nach hinten los gehen – der Training Stress Score kann bei der objektiven Einschätzung hilfreich sein.
Für wen eignet sich das Training an der Laktatschwelle?
Grundsätzlich für alle, die beim Laufen Fortschritte machen möchten. Allerdings solltest du schon ein gewisses Fundament haben, auf dem du mit dieser Art von Training aufbauen kannst. Schaffe also erst mit lockerem Training die Grundlagen. Bei Vorerkrankungen ist es vor jeder Art von intensiverem Ausdauersport ratsam, sich medizinisch grünes Licht geben zu lassen. Bist du verletzungsanfällig, empfiehlt sich vor einem Laktatschwellentraining der Aufbau eines stabilen Muskelkorsetts – etwa durch Stabiübungen.
Vorsichtig sein solltest du auch, wenn du gerade in einer Trainingsphase mit hoher Umfangsteigerung steckst. Drehe dann nicht auch noch an der Temposchraube, sondern setze härtere Einheiten sehr dosiert ein. Die gleichzeitige Steigerung von Umfang und Tempo ist ein häufiger Fehler beim Training der Laktatschwelle.
Fazit: Wer seine Laktatschwelle kennt, trainiert effizienter
An die Laktatschwelle zu gehen, heißt nicht an der Kotzgrenze trainieren: Nicht selten ist die Intensität zu hoch und es wird eher die VO2max optimiert. Die Kunst ist es, genau an dem Punkt unterwegs zu sein, an dem du zwar schnell läufst, aber nicht übersäuerst. Umgekehrt soll die Belastung aber auch nicht zu niedrig sein – sonst ist es ein lockerer Dauerlauf. Möchtest du bestmöglich trainieren, solltest du also deine Laktatschwelle kennen. Für Ambitionierte empfiehlt sich die exakte Ermittlung im Rahmen einer Leistungsdiagnostik. Ansonsten genügen auch Testläufe oder Formeln für die Bestimmung des Schwellenwerts.