- Was bedeuten aerob und anaerob?
- Was ist die aerob-anaerobe Schwelle?
- Ganz wichtig: Die eine Schwelle gibt es nicht
- Was ist eine gute aerob-anaerobe Schwelle?
- Wie verbessere ich meine aerob-anaerobe Schwelle?
- Warum sollte ich als Läufer meine aerob-anaerobe Schwelle kennen – und wie kann ich mein Schwellentempo ermitteln?
- Fazit: Das Training an der Schwelle fördert Ihre Leistungsfähigkeit
Die aerob-anaerobe Schwelle bezeichnet den Belastungsbereich, in dem das Sauerstoffangebot und der Sauerstoffverbrauch in den Körperzellen gerade noch ausgeglichen ist. Es ist damit die größtmögliche Belastungsintensität, die über einen längeren Zeitraum (30 bis 90 Minuten) aufrechterhalten werden kann. Jede höhere Belastung führt im anaeroben Bereich zu einer Anreicherung von Laktat (und H+-Ionen), was wiederum zu einem Leistungsabfall führt. Diese simple Aussage basiert auf komplexen Stoffwechselvorgängen, die wir uns im Folgenden einmal etwas genauer anschauen. Außerdem erklären wir, warum die aerob-anaerobe Schwelle wichtig ist, wie sie ermittelt wird und mit welchem Training sie verbessert werden kann.
Was bedeuten aerob und anaerob?
Für jede Kontraktion benötigen unsere Muskeln Energie, welche aus einer chemischen Reaktion entsteht. Wer in Biologie aufgepasst hat, wird sicherlich schon mal von Adenosintriphosphat (ATP) gehört haben, was im Grunde der einzige Brennstoff der Muskelzellen ist. Problem: Da der Körper nur genug ATP vorhält, wie er in ein bis drei Sekunden benötigt, muss ATP ständig resynthesiert werden. Und diese Resynthese (Energiegewinnung) erfolgt durch eine Oxidation von Fetten und Kohlenhydraten.
Wie der Begriff Oxidation bereits vermuten lässt, erfolgt die Energiegewinnung im Körper mithilfe von Sauerstoff. Bei geringer Belastung erfolgt die Oxidation hauptsächlich mit Fetten, doch bei zunehmender Belastung wird der Kohlenhydratanteil (Glykogen) am Stoffwechsel immer größer.
So oder so: Je schneller wir laufen, desto mehr ATP und entsprechend auch Sauerstoff wird benötigt. Um mehr Sauerstoff aufzunehmen, atmen wir schneller und tiefer, wenn wir uns richtig anstrengen. Doch irgendwann gibt es eine Schwelle, an der wir über Lunge und Blutkreislauf nicht so viel Sauerstoff aufnehmen können, wie wir eigentlich benötigen. Der Bereich unterhalb dieser Schwelle heißt aerob (mit Sauerstoff), der darüber anaerob (ohne Sauerstoff).
- Aerober Bereich: ohne Sauerstoffschuld
Im aeroben Bereich können Sie mehr Sauerstoff aufnehmen, als Sie gleichzeitig benötigen. In diesem Belastungsbereich kommen Sie nicht in eine Sauerstoffschuld. Beispiele für aerobe Belastungen sind alle Arten von Dauerläufen sowie wie Tempodauerläufe und längere Rennen (Halbmarathon, Marathon).
- Anaerober Bereich: mit Sauerstoffschuld
Im anaeroben Bereich können Sie über Lunge und Blutkreislauf nicht so viel Sauerstoff aufnehmen, wie für die Belastungsintensität nötig wäre. Sie gehen eine Sauerstoffschuld ein und kommen außer Atem. Beispiele für anaerobe Belastungen sind Tempoläufe, Fahrtspiele, Sprints und kürzere Rennen (5 und 10 Kilometer).
Bei der anaeroben Energiegewinnung nutzt der Körper hauptsächlich Kohlenhydrate, da sie deutlich schneller verfügbar sind als Fette. Als Neben- beziehungsweise Abfallprodukt dieses anaeroben Energiestoffwechsels entsteht mit zunehmender Belastung Laktat (Milchsäure) – anfangs, bei geringer Belastung, noch wenig und irgendwann, mit steigender Anstrengung, immer mehr. Und durch den exponentiellen Anstieg kann das Laktat irgendwann nicht mehr in dem Maße abgebaut werden, wie es durch den Energiestoffwechsel anfällt. Unsere Beine fangen an zu „brennen“, werden schwer und wir können die Leistung nicht mehr aufrechterhalten.
Dass das Laktat zu einer Übersäuerung der Muskulatur führt, ist indes ein weitverbreiteter Mythos. Vielmehr liegt es an den H+-Ionen, die genau wie das Laktat beim anaeroben Stoffwechsel entstehen und mit zunehmender Belastung zu einem Abfall des pH-Wertes führen. Ein niedriger pH-Wert wirkt sich wiederum auf ein Enzym (PFK) aus, wodurch die Glykolyse, die Energiegewinnung aus den Kohlenhydraten, gehemmt wird. Wir können also ganz schlicht und einfach unsere Muskulatur nicht mit ausreichend Energie versorgen.
Was ist die aerob-anaerobe Schwelle?
Die aerob-anaerobe Schwelle bezeichnet den Belastungsbereich, in dem das Sauerstoffangebot und der Sauerstoffverbrauch in den Körperzellen gerade noch ausgeglichen ist, und bei der Laktatbildung und Laktatabbau im Gleichgewicht stehen – es also nicht zu einem weiteren Anstieg der Laktatkonzentration kommt.

Andere Bezeichnungen oder Kurzformen für die aerob-anaerobe Schwelle sind anaerobe Schwelle, individuelle anaerobe Schwelle (iANS), Laktatschwelle oder einfach bloß Schwelle. Man sollte die aerob-anaerobe Schwelle allerdings nicht mit der aeroben Schwelle verwechseln. Letztere bezeichnet die Belastungsintensität, bei der erstmals ein Anstieg der Laktatkonzentration (meist 2 mmol/l (Millimol pro Liter)) im Vergleich zum Ruhewert (1-2 mmol/l) gemessen wird.
Laktat (mmol/l) | Herzfrequenz (Prozent HFmax) | |
langsamer Dauerlauf (Rekom) | 1-2 | 70-75 |
ruhiger Dauerlauf (GA1) | 2 | 75-80 Prozent |
lockerer Dauerlauf (GA2) | 2-3 | 80-85 Prozent |
Tempodauerlauf (Schwelle) | 3-5 | 85-88 Prozent |
Tempoläufe (Intervalltraining) | >5 | >88 Prozent |
Ganz wichtig: Die eine Schwelle gibt es nicht
Es gibt rund 30 verschiedene Laktatschwellenkonzepte, die die aerob-anaerobe Schwelle unterschiedlich interpretieren. Der Deutsche Leichtathletikverband sieht die Schwelle bei 3 mmol/l Laktat, beziehungsweise testet seine Athletinnen und Athleten auf die Geschwindigkeit (V) bei einem Laktatwert (L) von 3. Daher ist oft die Rede von der VL3. Andere Modelle sehen die Schwelle bei 4 mmol/l oder bei einem bestimmten Winkel, in dem die Laktatkurve ansteigt. Ebenfalls gilt es zu beachten, dass die Begrifflichkeiten oft miteinander vermischt und durcheinandergebracht werden. Nicht alle Konzepte sind geeignet, um die wahre aerob-anaerobe Schwelle präzise zu bestimmen. Logisch: Die Belastung bei 3 mmol/l ist geringer als die bei 4 mmol/l – entsprechend ist die Dauerleistungsfähigkeit, die die Schwelle ja repräsentieren soll, bei 3 mmol/l eine andere als bei 4 mmol/l. Diese Schwellenkonzepte sind letztlich nur Modelle, mit verschiedenen Vor- und Nachteilen. Was man wissen sollte: Jeder Mensch hat einen anderen Laktatwert, bei dem die wahre individuelle Schwelle liegt. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass bei dem einen 3 mmol/l stimmt, bei einer anderen aber 3,8 mmol/l.
Genauer ist daher das sogenannte maximale Laktat-Steady-State (maxLaSS), welches als die höchste Belastung definiert wird, bei der über einen Zeitraum von 20 Minuten die Laktatkonzentration nicht um mehr als 0,05 mmol/l steigt. Laktataufbau und Laktatabbau stehen hier wirklich im Gleichgewicht. Das maxLaSS zu ermitteln, bedarf jedoch eines enormen Testaufwandes, da vor dem eigentlichen maxLaSS-Test mittels mehrerer Stufentests die vermutete Intensität ermittelt werden muss. Denn verändert sich die Laktatkonzentration beim Test um mehr als die genannten 0,05 mmol/l, muss der Test mit einer anderen Intensität wiederholt werden – durch die hohe Belastung braucht es zwischen den Tests mehrere Tage, damit sich der Körper erholen kann. Da es in der Praxis drei, vier oder fünf Durchgänge dauern kann, das maxLaSS zu erreichen, wird die Schwelle in der Regel anders ermittelt (siehe unten).
Was ist eine gute aerob-anaerobe Schwelle?
Einen allgemeingültigen Wert für eine gute aerob-anaerobe Schwelle gibt es nicht. Vielmehr geht es darum, die individuelle Leistungsfähigkeit an der Schwelle zu erhöhen. Dies kann im Falle von Läuferinnen und Läufern zwei Dinge bedeuten:
- Höhere Geschwindigkeit: die Geschwindigkeit an der Schwelle erhöhen
- Längere Dauerleistungsfähigkeit: möglichst lange an der Schwelle laufen
Wie schnell und wie lange Sie im Bereich der aerob-anaeroben Schwelle laufen können, hängt von Ihrem Trainingszustand ab. In der Regel geht man von 30 bis 90 Minuten aus, die man an der anaeroben Schwelle laufen kann. Eine deutliche Überschreitung der entsprechenden Belastung/Intensität wie etwa beim Sprint können Sie nur weniger als eine Minute durchhalten. Bei einer weniger krassen Überschreitung der aerob-anaeroben Schwelle, wie es beim 5- oder 10-Kilometer-Lauf üblich ist, können Sie entsprechend länger abpuffern. Sehr gut trainierte Personen können sogar einen Halbmarathon oder Marathon an oder sehr nah an ihrer Schwelle laufen – sie haben eine hohe Laktattoleranz.
Wie verbessere ich meine aerob-anaerobe Schwelle?
Von einer Verbesserung der aerob-anaerobe Schwellen sprechen wir, wenn wir in der Lage sind, ein höheres Tempo ohne einen zu starken Anstieg von Laktat zu erreichen. Als Läuferin oder Läufer möchte man, dass die Laktatschwelle sich auf eine schnellere Pace (beispielsweise 4:50 statt 5:00 min/km) verschiebt. Um das zu erreichen, müssen Sie entweder weniger Sauerstoff verbrauchen oder mehr Sauerstoff aufnehmen. In der Praxis wird sich durch die komplexen Zusammenhänge, die als Anpassung auf einen Trainingsprozess resultieren (verbesserte Laufökonomie, optimierter Stoffwechsel, besseres Last-Kraftverhältnis), nie nur eine der beiden Variablen verschieben, sondern stets beide. Kurzum: Wer seine VO2max verbessert, verbessert die Leistungsfähigkeit auch in anderen Bereichen.
- Intervalltraining
Um die Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO2max) zu erhöhen, eignen sich neben langen Läufen bei geringerer Intensität vor allem schnellere, kürze Belastungen. Die klassische VO2max-Einheit ist ein hartes Intervalltraining mit zwei- bis vierminütigen Belastungen und ebenso langer Pause. Beispiel: 8 x 3 Minuten schnell, 3 Minuten langsam oder 12 x 2 Minuten schnell, 2 Minuten langsam. Wichtig ist, dass dabei kumuliert 20 bis 30 Minuten Belastungszeit zusammenkommen und die Intensität sehr hoch ist. Sie sollten dabei im Bereich von 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz laufen. Das ist richtig hart! Auf einer Belastungsskala von 1 (auf der Couch liegen) bis 10 (im Zielsprint mit Eliud Kipchoge) sollten Sie im Bereich 9 oder 10 laufen.
Erfahren Sie hier mehr zur maximalen Herzfrequenz und dem Training nach Puls
- Tempodauerläufe
Neben der Sauerstoffaufnahmefähigkeit sollten Sie zusätzlich auch trainieren, länger an der Schwelle oder knapp unterhalb der Schwelle zu laufen. Wir sprechen dabei vom Tempodauerlauf, der zwischen 20 und 60 Minuten dauern beziehungsweise 5 bis 20 Kilometern lang sein sollte. Je trainierter Sie sind, desto länger sollten Sie in der Lage sein, im Bereich der Schwelle zu laufen. Tipp: Sie können den Tempodauerlauf auch aufteilen und anstatt von 10 Kilometern am Stück 2-mal 5 Kilometer mit 1 Kilometer aktiver Laufpause absolvieren. Das Tempo beträgt dabei rund 85 bis 88 Prozent der maximalen Herzfrequenz oder einer 7 von 10 auf der Belastungsskala. Profis messen bei solchen Einheiten an der Schwelle regelmäßig Laktat, um sicherzustellen, nicht zu schnell (oder zu langsam) zu sein, sondern im idealen Belastungsbereich zu laufen.
- Höhentraining
Auch durch Höhentraining verbessern viele Spitzensportler und -sportlerinnen ihren aerob-anaeroben Schwellenwert. Das Training in der Höhe fördert die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten), wodurch mehr Sauerstoff zur Muskulatur transportiert werden kann, was wiederum zu einer Verzögerung der Laktatbildung führt.
Soweit die Theorie. In der Praxis liegt die Herausforderung darin, herauszufinden, wo die persönliche aerob-anaerobe Schwelle liegt, und einen individuellen Belastungsbereich (Lauftempo in Minuten pro Kilometer) zu definieren. Denn läuft man zu langsam, dann bildet die Muskulatur zu wenig Milchsäure, die abgepuffert werden muss, und der gewünschte Trainingseffekt bleibt aus. Läuft man dagegen zu schnell, dann schießt das Laktat innerhalb kürzester Zeit in die Muskelzellen und ein vorzeitiger Trainingsabbruch ist unvermeidlich.
Warum sollte ich als Läufer meine aerob-anaerobe Schwelle kennen – und wie kann ich mein Schwellentempo ermitteln?
Wer die eigene aerob-anaerobe Schwelle kennt, kennt nicht nur diesen einen Wert. Anhand der Schwelle können Trainingsbereiche zur Trainingssteuerung abgeleitet werden. Zudem kann eine regelmäßige Ermittlung der Schwelle die eigene Fitness und deren Fortschritt widerspiegeln.
Der sicherste Weg, um herauszufinden, wo die eigene aerob-anaerobe Schwelle liegt, ist eine professionelle Leistungs- beziehungsweise Laktatdiagnostik. Meist absolviert man dabei einen Stufentest, bei dem allmählich (alle 2 bis 3 Minuten oder alle 2, 3 oder gar 4 Kilometer) das Tempo erhöht und nach jeder Stufe Laktat gemessen wird. Der Punkt, an dem aus einem langsamen, aber stetigen Anstieg des Laktatwerts plötzlich ein signifikanter wird, markiert die aerob-anaerobe Schwelle. Hier noch mal der Hinweis, dass es verschiedene Modelle zur Ermittlung der Schwelle gibt, weshalb es ratsam ist, solch eine Leistungsdiagnostik stets im selben Institut oder mindestens mit derselben Testmethodik durchzuführen, um reproduzierbare und vor allem vergleichbare Werte zu erhalten.
Doch es gibt auch Möglichkeiten, sich den aufwendigen Laufbandtest zu ersparen und sein individuelles Schwellentempo auf andere Weise zu bestimmen. Diese Möglichkeiten sind zwar nicht ganz so exakt und aussagekräftig, haben sich aber als durchaus praktikabel und ausreichend erwiesen. Ihr persönliches Schwellentempo ist das, bei dem alle im Folgenden genannten Variablen in größtmöglichem Einklang stehen.
- Bestimmung der aerob-anaeroben Schwelle nach Gefühl
Das Schwellentempo ist das höchstmögliche Tempo, mit dem Sie eine Stunde lang laufen können, ohne in Atemnot zu geraten oder Geschwindigkeitseinbrüche zu erleiden. Subjektiv lässt es sich mit den Worten „hart, aber fair“, „angenehm hart“ oder „angenehm anstrengend“ beschreiben. - Bestimmung der aerob-anaeroben Schwelle anhand der Atmung
Bei einem lockeren Dauerlauftempo atmet man in der Regel über drei Schritte ein und über drei Schritte aus. Bei einem ansprechenden Tempodauerlauftempo atmet man normalerweise über zwei Schritte ein und über einen Schritt aus. Kommen Sie in eine Atmung, bei der Sie auf einen Schritt ein und auf den nächsten ausatmen müssen, befinden Sie sich im Intervalltrainingstempo – das ist zu schnell. - Berechnung der aerob-anaeroben Schwelle nach Herzfrequenz
Die Herzfrequenz der aerob-anaeroben Schwelle lässt sich aus der maximalen Herzfrequenz (HFmax) mit der folgenden Faustformel berechnen:
HFmax an der aerob-anaeroben Schwelle = 0,94 x HFmax - 7
Beispiel: Bei einer maximalen Herzfrequenz von 200 Schlägen pro Minute liegt die Herzfrequenz der anaeroben Schwelle also etwa bei 0,94 x 200 - 7 = 181 Schlägen pro Minute. Als Erstes müssen Sie also Ihre maximale Herzfrequenz bestimmen. Wie das geht, erfahren Sie hier.
Fazit: Das Training an der Schwelle fördert Ihre Leistungsfähigkeit
Die aerob-anaerobe Schwelle ist jene Belastungsintensität, bei der sich Laktatproduktion und -abbau in den Muskeln gerade noch die Waage halten. Je höher das Tempo an dieser Schwelle, desto schneller kann man laufen, ohne zu übersäuern. Daher bezeichnet man die auch als Dauerleistungsgrenze. Die Laktatschwelle sagt daher enorm viel über die individuelle Leistungsfähigkeit von Läuferinnen und Läufern sowie allgemein im Ausdauersport aus. Die Schwelle durch gezieltes Training in schnellere Belastungsbereiche zu verschieben sowie die Fähigkeit zu erlangen, länger an der Schwelle laufen zu können, führt auf allen Distanzen von 1.500 Metern bis zum Ultramarathon zu besseren Leistungen.