Aktiv und passiv. Belastung und Erholung. Bewegung und Stillstand. Wer Sport treibt, wer regelmäßig läuft, weil sie oder er die positiven Effekte des sich täglichen Aufraffens für sich entdeckt hat, kennt den Körper und hat ein Gespür für die sich ein Leben lang abspielenden Stoffwechselvorgänge. Ein ausgewogenes Maß an Bewegung hält uns gesund, hilft Zellen, sich zu erneuern, und bremst den Alterungsprozess. Einmal bewusst in alle Bewegungsrichtungen der Gelenke reinzuspüren, macht für Läuferinnen und Läufer mindestens vor jedem Lauf, wenn nicht sogar jeden Morgen vor der ersten Tagesaktivität Sinn. Und das Beste: Mobilisation kann man in jedem Alter und auf jedem Leistungsniveau betreiben.
Selbst, wenn man verletzt im Bett liegt, kann man einen Großteil seiner Bewegungsachsen einmal austesten und damit aktivieren. Ein Gelenk besteht ja nicht nur aus Knochen, die auf unterschiedliche Weise zusammengesteckt sind. Rund um ein Gelenk tummeln sich Gewebestrukturen wie Sehnen, Bänder, Faszien und andere neuralgische Punkte. Kapillare, die kleinsten Blutgefäße sorgen für den Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe. Auch das Nervensystem verteilt sich wie ein Netz über den Körper und weist an manchen Stellen wichtige Knotenpunkte auf. Bei neurodynamischen Übungen wird gezielt die Beziehung des Nervensystems zum Bewegungsapparat geschult. Neben dem Blutkreislauf und dem Nervensystem verlaufen im Körper auch die Bahnen der Lymphe. Das Lymphsystem als Abwehrsystem des Körpers transportiert beispielsweise überschüssige Flüssigkeit ab und reguliert den Wasserhaushalt in verschiedenen Gewebestrukturen. Wir fühlen uns gut, wenn die Lymphe fließt. Um sie zum Fließen zu bekommen, kann man mit Massagen, der sogenannten Lymphdrainage arbeiten. Man kann prophylaktisch aber auch mit einfachen Mobilisationsübungen den Fluss am Laufen halten.
Was der Körper in jungen Jahren vielleicht noch von alleine im Rahmen der Regenerationsprozesse reguliert und repariert, braucht spätestens ab der Lebensmitte hier und da einen kleinen Schubs. Das gilt nicht nur für das Stretching und das gezielte Krafttraining, das gilt auch für die Mobilisation. Wer hart trainiert und/oder lange lebt, hat definitiv hier und da kleine Verklebungen am Gewebe, winzige Narben, reparierte Strukturen, die den früher noch so reibungslos funktionierenden Fluss nicht tangiert haben. Mit ein bisschen Armkreisen, einem geschmeidigen Hüftschwung und regelmäßigem Beinpendeln helfen wir dem Körper wieder, seine körpereigenen Datenautobahnen von diesen Baustellen frei zu schaffen, damit die verschiedenen Körperflüssigkeiten weiter ungehindert ihre wichtige Arbeit verrichten können.

Atmung aktivieren
Stelle dich mit den Füßen etwa schulterbreit auf eine ebene und feste Fläche, Rücken gerade, Arme locker neben dem Körper. Atme ein paar Mal tief ein und aus. Die Augen können gern geschlossen sein. Nimm dann irgendwann beim Einatmen die Hände über die Seiten nach oben und werde dabei groß. Beuge dich beim Ausatmen nach vorn, schließlich nach unten und nimm die Hände dabei mit, bis du die Fußspitzen erreichst oder zumindest in die Richtung zeigst. Wichtig ist, dass du dabei die ganze Zeit ausatmest. Hebe beim Einatmen den Oberkörper bis in die Waagerechte und bringe Länge in den Rücken, um Brust und Bauch zu öffnen.
Die Hände wandern dabei auf die Knie, der Kopf ist in Verlängerung der Wirbelsäule. Beim nächsten Ausatmen geht es zurück in die komplette Vorbeuge, der Rücken wird also wieder rund und die Finger wandern zurück zu den Fußspitzen. Durch das Einziehen des Bauchs unterstützt du die Lunge beim Ausatmen. Verharre gern ein paar Sekunden während dieses Atemstillstands in der Vorbeuge. Dann folgt ein kräftiger, aber bitte nicht hektischer, sondern vielmehr tiefer Atemzug, während du den gesamten Oberkörper nach oben aufrichtest. Nimm die Arme dabei über die Seiten mit nach oben und bringe die Hände über dem Kopf zusammen. Zum Abschluss ziehst du mit der Ausatmung die aneinandergelegten Hände vor die Brust und hältst kurz inne, bevor du mit der nächsten Einatmung gern in den zweiten, dritten, vierten Durchgang dieses kleinen Sonnengrußes startest.

Finger spreizen
Strecke beide Arme in die Luft und ziehe die Schultern trotzdem bewusst nach unten. Rücken gerade, Bauch fest. Spreize die Finger weit und balle die Hände dann kurz zu einer Faust, um sie gleich wieder zu öffnen. Öffne und schließe beide Hände mit hoher Frequenz mindestens 30 Sekunden lang. Vor allem im Unterarmbereich fühlt sich diese Mobilisationsübung schnell wie eine Kraftübung an. Bewege beim Fingerspreizen die Arme gern mal mit weiterhin durchgedrückten Ellenbogen zur Seite, nach vorn oder nach unten.

Armkreisen
Kreise zunächst den rechten Arm, der dabei komplett gestreckt sein sollte, von vorn nach hinten. Wechsle dann die Richtung von hinten nach vorn. Wiederhole anschließend den gleichen Bewegungsablauf mit dem linken Arm. Du kannst dann auch mal beide Arme gleichzeitig nach vorn und nach hinten kreisen. Koordinativ anspruchsvoll wird es, wenn du beide Arme gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen kreist, also den rechten Arm vorwärts und den linken Arm rückwärts oder umgekehrt. Starte diese nicht ganz einfache Übung mit beiden Händen oben. Lasse zunächst ganz langsam und bewusst, später mit Schwung die eine Hand nach vorn wandern und die andere nach hinten, bis beide sich wieder oben treffen. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber wenn du regelmäßig übst, wirst du erstaunt sein, wie schnell das Gehirn diese Bewegung abspeichert und bei regelmäßiger Durchführung für immer beherrscht.

Schultern wecken
Lasse deine Schultern locker hängen. Mache dann mit den Schultern langsam große Kreise und spüre, wie deine Muskeln arbeiten und gedehnt werden. Strecke dann die Arme gerade nach rechts und links, Ellenbogen durchgedrückt, die Handflächen zeigen nach oben. Die Beine sind leicht gegrätscht, der Bauch ist fest und der Rücken gerade. Stelle dir vor, auf beiden Handflächen Teller zu balancieren, die du nun nach hinten kreisend bewegst. Die Schultern solltest du bewusst nach unten ziehen, die Kreise kannst du langsam vergrößern. Nach einiger Zeit änderst du die Kreisrichtung nach vorn.

Rücken mobil
Strecke beide Arme wie beim Wecken der Schultern nach rechts und links aus, halte den Rumpf weiterhin mit leichter Bauchmuskelspannung und Länge im unteren Rücken stabil. Drehe dich nun nach rechts. Die rechte Hand wandert so weit nach hinten, wie es der Bewegungsradius zulässt. Der Blick folgt der Hand. Atme dabei kräftig aus. Führe dann die Bewegung über die Mitte zur linken Seite aus. Auf dem Weg zur Mitte atme ein, beim Drehen nach hinten aus. Ein bisschen fühlt es sich an, als ob du mit der Drehbewegung die Lunge auswringst. Mehrere Wiederholungen im entspannten Atemrhythmus sind sinnvoll.

Fußstrecken und Fußkreisen
Eine der wichtigsten Übungen für Läuferinnen und Läufer ist die Mobilisation des Sprunggelenks. Nicht nur eine verklebte Achillessehne freut sich, wenn ihr mit ein wenig sanfter Bewegung im wahrsten Wortsinn auf die Sprünge geholfen wird. Beginne diese Übung mit dem einfachen Strecken und Anziehen eines Fußes. Dazu stehst du beispielsweise auf deinem linken Fuß und hebst das rechte Bein ganz leicht an. Strecke nun die Fußspitze des rechten Fußes zunächst nach vorn, als ob du mit dem großen Fußzeh auf etwas zeigen möchtest, um gleich danach den Fuß so weit es geht anzuziehen. Dabei kannst du gern alle Zehen spreizen. Nach fünf Durchgängen bewegst du den Fuß im Kreis: der große Zeh gibt die Bewegung vor und malt einen maximal großen Kreis. Ändere nach einigen Umdrehungen die Kreisrichtung. Anschließend ist der linke Fuß dran.

Fußroller
Um die Fußsohlen anzuregen, die Durchblutung zu verbessern und die Sprunggelenke zu mobilisieren, rollst du auf den Fußsohlen langsam und gleichmäßig vor und zurück. Von den Zehen bis zur Ferse sollte jeder Bereich einmal den Boden berühren. Zur Abwechslung kannst du auch mal bewusst über die Außenkante des Fußes rollen, also etwas o-beinig, und dann auch mal mit X-Beinen über die Innenseite, wo das Fußgewölbe ist.

Handtuchheber
Die Füße von Laufenden sollten viel mehr Beachtung geschenkt bekommen, weil auf ihnen eigentlich die Hauptlast des Sports liegt. Ohne gut funktionierende Füße bringt das beste Muskelkorsett und das stärkste Herz-Kreislauf-System nichts. Deshalb lohnt es sich, den Fuß mit einer eigenen Mobilisationsübung zu bedenken. Am einfachsten trainierst du die Muskulatur der Füße durch Greifübungen. Ob es ein Handtuch, ein Blümchen oder ein Stein ist – bei dieser Übung geht es darum, dass du mit den Zehen den Gegenstand greifst, in die Höhe hebst und wieder fallen lässt. Nach zehn Wiederholungen spürst du die Anstrengung und kannst den Fuß wechseln.

Beten mit den Füßen
Nimm im Sitzen oder Stehen (für Fortgeschrittene!) deinen Fuß in die Hand und stecke zwischen je zwei Zehen einen Finger. Das ist zunächst gar nicht so einfach, schon gar nicht, wenn man diese Übung zum ersten Mal macht. Es wird einfacher, wenn du die Hände und/oder Füße vorher mit Balsam oder Bodylotion eincremst. Die kleinen Gelenke des Mittel- und des Vorfußes sind oft verspannt und müssen vorsichtig mobilisiert und gelockert werden. Wenn Zehen und Finger wie bei gefalteten Händen ineinanderstecken, machst du mit der Hand vorsichtige Kreisbewegungen, um die Bewegung auf den Mittelfußbereich zu übertragen.

Rollen auf dem Ball
Diese Übung massiert nicht nur auf angenehme Art und Weise die Fußsohle, sie löst auch sämtliche Verspannungen und Verklebungen in diesem Bereich. Die Plantarfaszie ist eine Sehnenplatte, die unter dem Fuß von der Ferse zum Fußballen verläuft. Beim Laufen federt die Plantarsehne den Schwung in der Standbeinphase beim Auftreten ab und stabilisiert das Fußgewölbe nach unten hin. Durch Überbelastung dieser Sehnenplatte entzündet sich diese leicht und es entsteht eine Plantarfasziitis.
Achtung: Wenn die Sehne bereits entzündet ist, solltest du nicht mit einem Golf- oder Tennisball für zusätzlichen Reiz sorgen. In diesem Fall empfiehlt sich das Kühlen der Fußsohle mit einer Wasserflasche, die vorher einige Stunden im Eisfach lag.
Der gesunde Fuß wird bei dieser Übung mit einem Ball massiert. Ein Tennisball gibt ein wenig mehr nach und wirkt dadurch sanfter und im kompletten Sohlenbereich, ein Golfball übt punktuellen Druck aus und kann so gezielt verklebte Stellen des Fußes bearbeiten. Rolle sowohl im Bereich der Ferse auf dem Ball wie auch im Bereich des Mittel- und Vorfußes.

Einbeinstand
Mit allen Übungen, die auf einem Bein stattfinden, schärfen Läuferinnen und Läufer den Gleichgewichtssinn und trainieren gleichzeitig die Fuß- und Beinmuskulatur, insbesondere die Muskeln, die das Fuß- und Kniegelenk stabilisieren. Zunächst solltest du dich einfach nur auf ein Bein stellen und das Gleichgewicht halten. Wenn du auf einem Bein stehend die Augen schließt, stellst du fest, dass es ungleich schwerer ist, das Gleichgewicht zu halten. So trainierst du die sogenannten Propriozeptoren. Das sind Rezeptoren, die dem Kleinhirn Rückmeldung über Muskelspannung, Muskellänge, Gelenkstellung und Bewegung geben. Gerade im Fußbereich finden sich besonders viele dieser kleinen Fühler. Wer wackelt, öffnet die Augen, um sich wieder zu stabilisieren. Wer diese Übung regelmäßig erst mit dem einen und dann mit dem anderen Bein durchführt, wird baldige Fortschritte feststellen. Fortgeschrittene können diese Übung auf einem weichen Untergrund wie einem Sitzkissen machen, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Oder du gehst einmal im Einbeinstand in die Laufbewegung, indem du das andere Bein weit nach hinten oben bringst und den gegenüberliegenden Arm nach vorn.

Hüftkreisen
Die nächste Übung dient der Mobilisation des Beckens und der Hüfte. Lege die Hände an die Beckenknochen und beginne, die Hüfte zu kreisen. Hilfreich ist die Vorstellung, das Becken wäre ein Wasserbehälter, der bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist und trotz der kreisenden Bewegung möglichst wenig Wasser verlieren soll. Der Bauch ist dabei leicht angespannt und in den unteren Rücken wird Länge gebracht. Die Aufmerksamkeit liegt beim Körperschwerpunkt, der sich eine Handbreit unter dem Bauchnabel befindet.

Beckenkippen
Noch immer umfassen die Hände das Becken, den imaginären Wasserbehälter. Gehe für die nächste Übung am besten ganz leicht in die Knie und kippe das Becken nach vorn. Die Vorstellung hilft, man schütte das Wasser nun nach vorn aus. Gleichzeitig bildet sich ein Hohlkreuz, das Gesäß wird nach hinten gestreckt und die Schultern bewusst nach unten und der Kopf nach hinten gezogen. Atme bei dieser Bewegung aktiv ein, der Bauch wird groß. Mit der nächsten Bewegung kippst du das Becken in die andere Richtung, also nach hinten. Der Rücken wird rund und vor allem der Lendenwirbelbereich wird intensiv nach außen gedrückt. Ziehe den Bauchnabel ein und atme aktiv aus. Das Kinn wandert in Richtung Brust. Führe das Beckenkippen mehrmals hintereinander mit dem entsprechenden Atemrhythmus aus: Einatmen, Hohlkreuz, Kopf in den Nacken, Brust öffnen, Becken nach vorn kippen. Ausatmen, Kinn zur Brust, Bauch einziehen, Wirbelsäule rausdrücken, Becken nach hinten kippen.

Katze-Kuh-Atmung
Die Katze-Kuh-Atmung ist eine Variante der vorherigen Übung im sogenannten Vierfüßler-Stand. Stütze dich auf die Knie und auf die Handgelenke, die in einem symmetrischen Viereck den Rumpf halten. Die Arme sind durchgedrückt und der Rücken ist gerade. Der Bauch ist fest und der Kopf bleibt in Verlängerung der Wirbelsäule. Spanne die Bauchdecke und den Beckenboden intensiv an und atme dabei tief und bewusst. Rolle nun die Wirbelsäule in einen sogenannten Katzenbuckel auf. Ziehe dazu den Bauchnabel ein und den Schultergürtel nach unten und drücke dabei alle Wirbel nach außen, bis der Rücken ganz rund ist. Spanne das Gesäß an und kippe das Becken nach hinten. Atme bei dieser Bewegung tief und intensiv aus und drücke quasi mit der Bauchdecke sämtliche Luftreste aus deinen Lungen.
Mit der darauffolgenden Einatmung findet die Gegenbewegung statt. Nach dem Katzenbuckel folgt das Hohlkreuz wie bei einer Kuh. Mit einem tiefen Atemzug strömt die Luft in die Lunge und der Bauch wird groß. Kippe das Becken mit dem Gesäß in die entgegengesetzte Richtung nach vorn. Der Kopf geht in den Nacken. Ziehe die Schulterblätter nach hinten gezogen drücke den Bauch aktiv nach unten. Katzenbuckel und Hohlkreuz kannst du mehrfach abwechseln, aber wichtig ist, dass der richtige Atemrhythmus beibehalten wird: Ausatmen – Katzenbuckel. Einatmen – Kuhhohlkreuz.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem neuen Buch „Lauf los!“ der RUNNER’S-WORLD-Autorinnen Sonja von Opel und Irina Strohecker.
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