Ida-Sophie Hegemann läuft längst an der Spitze des deutschen Trailrunnings: Nun rennt sie auch international allen davon. Mit drei Siegen in Folge beim Transalpine Run, dem Sieg über die 110 Kilometer beim Innsbruck Alpine und beim 100er der UTMB-World Series in Nizza in ihrer Erfolgsliste ist für Ida noch lange nicht Schluss – für dieses Jahr stehen für die gebürtige Niedersächsin der Start bei der WM in Innsbruck sowie beim UTMB World Series-Finale in Chamonix an.
Während die 26-jährige Niedersächsin läuferische Erfolge sammelt, studiert sie außerdem in ihrer Wahlheimat Innsbruck Architektur. Im Gespräch verriet sie uns, wie sie ihr Studium und das Laufen in Einklang bringt, welche Ziele sie sich für die laufende Saison gesetzt hat – und wie eine Verletzung sie erst zum Traillaufen brachte.
Wie balancierst du das Architektur-Studium und dein aufwendiges Lauftraining?
Architektur ist kein Studiengang, den man mal eben so nebenbei absolviert. Es warten fast jeden Tag Abgaben und die Arbeit an Projekten ist sehr zeitintensiv. Meinen Bachelor wollte ich möglichst schnell in der Tasche haben und habe mich richtig reingehängt. Außer Laufen und Uni habe ich in der Zeit eigentlich nichts gemacht – morgens trainierte ich, den Rest des Tages bis spät in die Nacht saß ich am Rechner.
Erst nach dem Bachelor habe ich realisiert, dass ich viel zu wenig Zeit für Regeneration hatte, beispielsweise auch nicht genug schlief. Daher fasste ich den Entschluss, mir für den Master etwas mehr Zeit zu lassen und mehr Energie in ein ausgeglichenes Training zu stecken. Ich merke schon jetzt, wie gut mir das tut – das Training läuft viel reibungsloser und die Saison ist schon super gestartet.
Ursprünglich hast du Leichtathletik auf der Bahn trainiert – wie hat es dich von dort auf den Trail verschlagen?
Nachdem ich mit 14 über den Schulsport zur Leichtathletik kam, bin ich sehr schnell ins tägliche Training eingestiegen. Schon kurz darauf zog ich ins Sportinternat und trainierte immer mehr und intensiver. Leider wurde ich während dieser Zeit immer wieder von Verletzungen gebremst. Rückblickend lag das sicherlich auch daran, dass ich nicht richtig auf meinen Körper hörte. Ich war frustriert, da ich nicht mein ganzes Potenzial zeigen konnte.
Eine Stressfraktur stellte dann 2017 einen richtigen Tiefpunkt dar, an dem ich wirklich anzweifelte, ob sich das ganze Training wirklich noch lohnt. Durch Zufall geriet ich schließlich zu einem kleineren Berglauf in Thüringen, den ich überraschend gewann. Nach dem Rennen wurde mir angeboten, beim Transalpine Run eine Gast-Etappe zu laufen – das Angebot nahm ich an und durfte mit Philipp Reiter zusammen starten. Der wiederum fragte mich direkt nach dem Wettkampf, ob ich mir vorstellen könnte, für das Salomon-Trail-Team zu laufen. Und so nahm das Ganze seinen Lauf und ich habe den Wechsel auf den Trail gewagt.
Dann ging es Schlag auf Schlag?
Ja, tatsächlich – das erste Rennen nach dem Transalpine Run war dann für mich die Marathon-Distanz beim Zugspitz-Ultratrail, die ich ebenfalls gewann. Es passierte alles sehr schnell und ich durfte auch schon kurz darauf internationale Wettkampf-Luft bei der World Trail Series schnuppern.

Wie hat sich dein Training verändert, als sich mehr und mehr Erfolge einstellten?
Mir wurde schnell bewusst, dass ich mehr in den Bergen trainieren musste, um international mitzulaufen. Das Training allein in Hannover zu absolvieren, reichte nicht mehr aus, selbst wenn man einmal in der Woche den Weg zum Brocken auf sich nimmt. Deshalb bin ich 2020 in ein Auslandssemester in Innsbruck gestartet. Und dort hat alles sofort gepasst, ich fühlte mich auf Anhieb wohl – und bin einfach geblieben.
Nach deinem „Trail-Debut“ beim Transalpine Run hast du das Rennen noch mehrmals bestritten. Was fasziniert dich gerade an Etappenläufen so sehr?
Der Transalpine Run war etwas ganz Besonderes, weil ich durch ihn erst zum Trailrunning gefunden habe. Bei meinem ersten Start lief ich eine Gast-Etappe. Mein erster „richtiger“ Etappenlauf waren dann aber eigentlich die „4 Trails“ im Jahr 2019, vier Tage mit Etappen von 20 bis 30 Kilometern waren zu bewältigen. Hier musste ich das erste Mal wirklich beweisen, dass ich Etappenlauf kann – und ich merkte, dass mir diese Disziplin gut liegt, weil ich von Tag zu Tag besser werde. Der erste Tag fällt mir meistens am schwersten, und ab da geht es nur bergauf. Wenn alle anderen müde werden, drehe ich auf. 2019 startete ich dann auch das erste Mal mit Sponsor beim Transalpine Run, und der Lauf ist inzwischen wirklich zu einem Herzensrennen für mich geworden.
Besonders im internationalen Feld bist du als sehr junge Läuferin erfolgreich. Musst du dich manchmal behaupten?
Als ich mit dem Trailrunning begann, wurde ich auf jeden Fall oft unterschätzt. Da gab es dann schon mal Sprüche an der Startlinie, ob ich mich nicht besser etwas weiter hinten platzieren will. Inzwischen hat sich das verändert, was aber sicherlich auch daran liegt, dass mein Name nicht mehr unbekannt ist und ich mich quasi schon bewiesen habe.
Unterschiedliche Trail-Disziplinen bringen verschiedenste Anforderungen an das Equipment mit sich. Welche Erwartungen hast du als Athletin an einen Laufschuh?
Mir ist besonders der Sitz des Schuhs wichtig, da ich einen sehr schmalen Fuß habe. Wenn der Schuh nicht zu 100 Prozent passt, macht auch der Kopf nicht richtig mit. Außerdem achte ich sehr auf guten Grip, um besonders bei Downhill-Passagen nicht im Nachteil zu sein.

Hast du die Möglichkeit, bei The North Face Feedback für die Entwicklung der Schuhe abzugeben?
Wir bekommen immer wieder Samples und geben sehr direktes Feedback. Wir äußern dann sehr genau, was wir uns wünschen und haben auch die Möglichkeit, am eigenen Schuh Änderungen vorzunehmen. Das ist sehr viel wert, weil ich dann sicher sein kann, dass am Wettkampftag und auch fürs Training alles sitzt.
2023 finden die Trail-Weltmeisterschaften in deiner Wahlheimat Innsbruck statt. Wie fühlt es sich an, dass das Event direkt vor deiner Haustür startet?
Grundsätzlich ist es natürlich wahnsinnig toll, hier vor Ort zu starten. Ich freue mich sehr darauf und werde sicherlich viele Freunde und Familie dabeihaben, das ist immer etwas Besonderes. Allerdings wächst auch der Druck, je näher das Event rückt. Man macht sich Gedanken: Was passiert, wenn ich einfach einen schlechten Tag habe? Aber die Vorfreude überwiegt – ich kenne die Strecken, bin hier zu Hause, es kann eigentlich nur gut werden.
Hast du dir für die WM konkrete Ziele gesetzt?
Ich hoffe auf eine deutsche Team-Medaille. Es wird zwar schwer, sich gegen die starken Teams aus Frankreich, Italien und Co. durchzusetzen, aber ich hoffe, dass uns der Heimvorteil trägt.
Was machst du, wenn du gerade nicht läufst oder studierst?
Sooft es geht, fahre ich zu meiner Familie in die Heimat. Sie sind meine größten Unterstützer – und das ist mir sehr viel wert.