Rund zwölf Millionen Hunde leben in Deutschland. Sie gehen tagtäglich mit ihren Frauchen und Herrchen Gassi. Das ist eine große Herausforderung für alle Läuferinnen und Läufer, die unter Hundeangst leiden. Mitten im Lauftraining auf freilaufende Hunde zu treffen, vor allem wenn sie groß sind, löst vermutlich bei allen Läuferinnen und Läufern erstmal ein leicht mulmiges Gefühl aus. Das ist alles im normalen Bereich und hier lässt sich mit ganz einfachen Tipps helfen.
Ängste haben aber ein großes Spektrum: Sie reichen von Unsicherheit und leichter Nervosität über Furcht bis zu Phobien. Phobien sind besonders schlimm, weil sie mit Panikattacken einhergehen können. Davon sind die wenigsten betroffen. Im Folgenden möchten wir möglichst alle Arten bzw. Schweregrade von Hundeangst betrachten.
Zuerst einmal ist es wichtig, wenn du leicht unsicher bist, realistisch zu bleiben und dir ins Bewusstsein zu rufen, dass die meisten Begegnungen zwischen Laufenden und Hunden friedlich verlaufen. Denn der Großteil der Hunde ist gut erzogen, hat eine Hundeschule besucht und hört auf die Halterin bzw. den Halter.
Warum haben viele Jogger Angst vor Hunden?
Weil es in Deutschland so viele Hunde gibt, treffen wir fast auf jeder Laufrunde auf die Vierbeiner. Sie sind nach den Katzen das Lieblingshaustier Nummer zwei der Deutschen. Manche sehr tierliebe Läufer und Läuferinnen mag das sogar erfreuen, andere fürchten sich vor allem dann, wenn die Hunde freilaufen. Dennoch passiert es Läuferinnen und Läufern leider immer wieder, dass Hundebesitzer(innen) sich wenig einfühlsam zeigen, zum Beispiel, indem sie ihren Liebling nicht an der Leine führen, obwohl auf den meisten Laufstrecken im öffentlichen Bereich Leinenpflicht besteht. Ganz unschön wird es, wenn sie dann auf Hundeangst mit herablassenden Kommentaren reagieren. In diesen Fällen wünscht man sich mehr Empathie von Seiten der Hundehalter, wenn sie schon nicht das Gesetz der Leinenpflicht beachten.
Ganz selten kommt es zu schlimmen Erlebnissen wie Anspringen und Umwerfen oder Bissen, die ein schweres Trauma auslösen können. Was in diesem seltenen Fall zu tun ist, darauf werden wir später ebenfalls noch genauer eingehen und uns dazu mit einem Experten aus der Psychologie unterhalten. Nun kommen wir erst einmal zu den leichten Ängsten und ganz alltäglichen Unsicherheiten und geben Tipps, wie man mit einer leichten Form von Hundeangst oder Hundefurcht ganz gut umgehen kann.
Was hilft gegen Hundeangst beim Laufen?
Im Folgenden geben wir dir dazu ein paar Tipps mit auf die Laufrunde. Wir gehen dabei auf zwei verschiedene Methoden bei einer leichten Hundeangst ein:
1. Die Vermeidungsstrategie: Hundebereiche meiden
Die einfachste, am wenigsten zeitaufwändige Methode, freilaufenden Hunden aus dem Weg zu gehen, ist Waldbereiche ohne Leinenzwang und Hundestrände als Trainingsgebiet zu vermeiden. Manche Läufer und Läuferinnen gehen so weit, sogar beliebte Gassi-Geh-Zeiten zu meiden. Andere suchen sich gezielt Laufgruppen oder Vereine, um nicht allein mit ihrer Furcht unterwegs zu sein. In Städten finden sich oft ausgewiesene Parks, in denen Hunde verboten sind. Auch das ist eine effektive Möglichkeit, Hundebegegnungen auf der Laufstrecke zu vermeiden. Wer diese Einschränkungen aber nicht auf sich nehmen möchte, kann sich seiner Nervosität vor Hunden auch auf eine andere Art und Weise stellen und eine Brücke zum Angstauslöser bauen: mit der Annäherungsmethode.
2. Die Annäherungsstrategie: Informationen und Erfahrungen sammeln
Oft plagt Hundeangst Menschen, die keinerlei Erfahrungen mit den Vierbeinern haben. Theoretisches Wissen kombiniert mit praktischen Erfahrungen macht aber sicherer: Es ist daher sinnvoll, das Verhalten der Hunde besser kennenzulernen, um angemessen darauf reagieren zu können. Informiere dich im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis über Hunde. Oder informiere dich bei Hundehalterinnen oder Hundetrainern darüber. Vielleicht kennst du ja auch einen Freund oder eine Laufkollegin mit Hund? Noch besser! Dann verabrede dich mit diesen und ihrem Hund, um gemeinsam spazieren oder eine Runde laufen zu gehen! Nutze diese Gelegenheit, um Hundeverhalten aus nächster Nähe zu beobachten und besser kennenzulernen und darüber hinaus auch noch eine positive Erfahrung mit einem gut erzogenen Hund zu machen.
Beim Laufen mit Hunden wirst du schnell feststellen, dass die Vierbeiner sich in der Regel mehr für ihresgleichen interessieren als für den Menschen. Langfristig gesehen ist diese Annäherungsstrategie sinnvoller als die Vermeidungsmethode, da sie dir bei leichter Hundeangst nicht bloß auf der Laufrunde, sondern auch im Alltag hilft.
Tipps für den Umgang mit Hunden beim Joggen
Meistens ist es ein friedliches Miteinander, wenn Hunde auf Jogger treffen. Sollte es aber doch einmal zu einer ungemütlichen Begegnung kommen, ist es wichtig, dass du weißt, was zu tun ist. Wenn ein Hund einem Jogger hinterherläuft, wird dieses Verhalten durch seine Instinkte ausgelöst: Er möchte in den meisten Fällen spielen (Spieltrieb), mit dem Rennenden mithalten (Herdentrieb, bei Hütehunde-Rassen verbreitet, die Rudel zusammenhalten) oder diesen stellen (Jagdtrieb). Vor allem der Jagdtrieb kann zur Gefahr werden.
Falls dich ein Hund auf deiner Laufrunde verfolgt, ist es absolut unangemessen, wenn der Besitzer oder die Besitzerin sagt: „Du brauchst keine Angst zu haben. Er will ja nur spielen, der ist doch ganz lieb.“ Dies zeugt von mangelndem Respekt und Einfühlungsvermögen – zwei wichtige Voraussetzungen für ein harmonisches Miteinander. Denn das Fehlverhalten liegt nicht bei dir, sondern beim Hundehalter, der seinen Liebling nicht an der Leine führt. Es besteht in fast allen öffentlichen Bereichen Leinenzwang, einschließlich Stadtwäldern und selbstverständlich in Naturschutzgebieten.
In der folgenden Hundeverhalten-Reaktions-Tabelle erfährst du, wie du dich am besten schützen kannst, wenn es zu aggressivem Hundeverhalten kommt.
Tipps vom Sportpsychologen
Sollten mehrere dieser oben genannten aggressiven Verhaltens-Merkmale auftreten, ist es ganz wichtig, sich möglichst still und ruhig zu verhalten. „Still stehen und ruhig bleiben beendet meistens den Jagd- oder Spielinstinkt des Hundes. Er endet in dem Moment, wo der Läufer sich gestellt gibt“, sagt Prof. Dr. Oliver Stoll, der als Sportpsychologe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt und als Sportpsychologischer Berater und Coach im Spitzensport tätig ist. Vor ein paar Jahren arbeitete Stoll mit einer Spitzenläuferin an deren Hundeangst, die auf einem dramatischen Erlebnis basierte. „Sie wurde während ihres Trainings von zwei großen Hunden angegriffen. Bis die Hunde-Besitzerin ihre Hunde in den Griff bekommen hatte, verging einige Zeit. Die Läuferin wurde mehrfach gebissen“, berichtet Stoll. Als Folge habe sie unter Panikattacken gelitten und konnte nicht mehr draußen laufen. Die Arbeit miteinander habe mehrere Monate gedauert, sagt Prof. Stoll. „Sie läuft jetzt wieder draußen“, fügt er hinzu.
Die Gesetzeslage
Die Gesetzeslage ist übrigens eindeutig: Hundebesitzer haften bei Fehlverhalten ihrer Hunde. In einer bedrohlichen Lage können Jogger Abwehrmaßnamen einsetzen, wie zum Beispiel Pfefferspray, Schrill-Alarm oder Trillerpfeife (Hunde haben ein sehr gutes Gehör und sind daher geräuschempfindlich). Du solltest anschließend den aggressiven Hund sowie dessen Halter oder Halterin beim Ordnungsamt und der Polizei melden.
Es gab einmal einen Gerichtsprozess in Augsburg, bei dem ein Läufer mit Hundeangst einen Hund mithilfe eines Schrillalarms abwehrte, wodurch der Hundebesitzer einen Tinnitus erlitt. Er wollte den Jogger auf Schmerzensgeld verklagen. Es stellte sich später heraus, dass der Hund es nicht auf den Jogger abgesehen hatte, sondern auf ein wildes Tier, das sich in der Nähe des Joggers befand. Beim Jagen kam er dem Jogger, der ihn erfolgreich abwehrte, jedoch sehr nah. Die Richter befanden: Der Jogger war im Recht. Das Fehlverhalten sahen die Richter eindeutig beim Hundehalter, der seinen Hund nicht in ausreichender Weise beaufsichtigt und nicht an der Leine geführt hatte (haufe.de)
Hundehalter sind verpflichtet, ihre Hunde von anderen fernzuhalten. Der Haufe-Fachartikel fasst als Fazit zusammen: „Als Grundsätze für korrektes Verhalten für Hundeführer arbeitete das Gericht heraus, dass sie aufpassen müssen, dass ihre Hunde nicht auf Jogger zulaufen, sie akzeptieren müssen, dass es Läufer gibt, die Angst vor Hunden haben, sie nicht erwarten dürfen, dass der andere erkennt, ob ihr Hund in Angriffsabsicht auf sie zuläuft oder nicht, sie ihren Hund im Zweifelsfall an die kurze Leine nehmen sollen.“
4 häufige Fragen zu Hundeangst
Vor allem große Hundrassen mit breitem und muskulösem Körperbau lösen Ängste aus, obwohl dies tatsächlich oft nur auf ihr Äußeres zurückzuführen ist. Kleine Hunde können genauso aggressiv werden und neigen oft noch stärker zum Bellen als ihre großen Artgenossen. Ganz wichtig: Alle Hunde sollten von ihren Haltern und Halterinnen gut erzogen werden und vor allem brav an der Leine laufen, damit ein Zusammentreffen angenehm verläuft.
Wenn du dich damit sicherer fühlst, spricht nichts dagegen. Auch eine Trillerpfeife kann Hunde schnell verjagen, und sie ist die schonendere Variante. Auf Dauer sinnvoller, als sich zu bewaffnen, wäre natürlich ein wohlwollender Umgang miteinander. Sprich: Es wäre ratsam, dass du dich mit deiner Hundeangst befasst. Wie kam sie zustande, was hat sie ausgelöst? Darüber sprechen ist der erste Schritt zur Besserung. Falls deine Hundeangst sehr stark ausgeprägt ist, wäre eine psychologische Therapie angebracht, damit du dich wieder frei und entspannt bewegen kannst.
Rechtlich gesehen darfst du dich verteidigen, wenn du dich von einem Hund angegriffen fühlst, zum Beispiel mit Schrillalarm, Trillerpfeife oder Pfefferspray. Ein Schrillalarm ist ein kleines Gerät, das bei Aktivierung einen sehr lauten, schrillen Ton von etwa 110 bis 150 Dezibel erzeugt. Sollte dir ein Hund mehrfach als aggressiv auffallen (zum Beispiel durch sehr lautes Anbellen, Zähnefletschen oder Anspringen) und der Hundehalter ihn nicht beruhigen können, solltest du ihn der für deine Region zuständigen Ordnungs- oder Polizeibehörde melden.
Ja, sie sind nur selten explizit als „hundefreie Zonen“ ausgewiesen. In Stadt- und Volksparks gilt fast immer Leinenzwang, genauso in Sportstadions, wo Hunde eigentlich nie vorkommen. Wer also auf der Tartanbahn oder in einer öffentlichen Sportanlage eine Stadionrunde läuft, wird höchstwahrscheinlich keinem Hund begegnen. Du kannst auch „hundeunfreundliche“ Uhrzeiten aussuchen, um eine Begegnung möglichst zu vermeiden: In den sehr frühen Morgenstunden oder späten Abendstunden sind deutlich weniger Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern unterwegs.
Wie entsteht eine Hundephobie?
Hundephobie heißt in der Psychologie-Fachsprache Kynophobie. Eine Phobie ist eine krankhafte Angststörung, unter der die Betroffenen stark leiden. Sie kann mehrere Gründe haben: „Es gibt verschiedene Ursachen, meistens die zwei: Entweder liegt eine schlechte Erfahrung zugrunde. Oder eine Angst entwickelt sich durch Konditionierung, das heißt, ich habe das erlernt, sozusagen eine erlernte, übertragene Angst, beispielsweise von den Eltern“, sagt Sportpsychologe Stoll.
Wie fühlt sich ein Mensch mit Hundephobie?
„Traumata entwickeln sich oft erst nach Wochen, es kommt zu Flashbacks, die nur mit professioneller Hilfe behandelt werden können. Das kann soweit führen, dass Betroffene sich nicht mehr vor die Haustür trauen. Kommt ein Hund in ihre Nähe, geht der Herzschlag sofort hoch, die Atemfrequenz ebenso, die Hände schwitzen. Der Körper schaltet dann auf Kampf oder Flucht“, erklärt Prof. Stoll.
Es gibt in der Psychologie neben Kampf oder Flucht (fight oder flight) im Zusammenhang mit Angststörungen außerdem noch die Reaktion: „Freezing Moment“. Diese beschreibt eine automatische, körperliche Reaktion auf sehr starke Angst oder Bedrohung, bei der der Körper in einen Zustand der Erstarrung verfällt. Man ist sozusagen eingefroren und erstarrt vor Angst. Es ist ein Teil des evolutionären „Fight-Flight-Freeze“-Verhaltens, wenn weder Kampf noch Flucht als möglich erscheinen.
Wann ist psychologische Hilfe notwendig?
Phobien und Traumata kann man in der Regel nicht in Eigenregie behandeln. Dafür ist eine psychologische Therapie notwendig. „Bei einem Trauma sollte man niemals an sich selbst rumdoktern“, sagt Stoll. Das könne nach hinten losgehen.
Eine Therapie großer Hundeangst sei nur im entspannten Zustand möglich, was bedeutet, dass die Betroffenen erst einmal Entspannungs-Techniken lernen, so Stoll. Was Therapeuten in diesen Fällen häufig tun: „Zuerst Entspannungsverfahren einüben, danach eine Konfrontation mit dem angstauslösenden Stimulus, beispielsweise in Form von Hundefotos. Ich habe der Läuferin später auch Hundefilme gezeigt und den Reiz sukzessive erhöht, also systematisch gegenkonditioniert. Solange ich die Therapie in einem tiefenentspannten Zustand mache, geht das, denn Entspannungszustand und Angst schließen sich aus. Nach einer Zeit hat sich bei ihr die Angst gelöst.“
In dem Fall der Spitzenläuferin habe es einige Monate gedauert, bis sie wieder entspannt draußen laufen konnte. Ganz zum Schluss seien die beiden als Übung miteinander auf einer Hundewiese spazieren gegangen, berichtet Stoll. „Doch sie kannte schon Entspannungsverfahren wie autogenes Training, progressive Muskelrelaxation, Achtsamkeitsübungen und Meditation aus dem Training.“ Wer diese Techniken noch nicht beherrscht, benötigt mehr Zeit, so Stoll.
Wie überwinde ich meine Angst vor Hunden auf der Laufrunde?
Je nach Stärkegrad der Angst fällt die Antwort darauf verschieden aus. Bei leichten Ängsten kannst du dich an unsere Tipps halten. Zusätzlich kann es in jeder Stress-Situation helfen, Entspannungs-Techniken zu üben (wie z. B. Atemtechniken). Bei starken Ängsten ist es sinnvoll, psychologische Hilfe aufzusuchen. Hundephobie ist therapierbar, Geduld ist dabei aber wichtig. Denn die Phobie entwickelte sich ja auch über lange Zeit hinweg, und genauso lang kann auch ihre Heilung dauern.
Fazit: Bei leichten Ängsten vor Hunden helfen Tipps, bei starker Angst empfiehlt sich eine Therapie!
Beherzige die folgenden Tipps, wenn du leichte Angst vor Hunden hast oder dich in ihrer Gegenwart unwohl fühlst:
- Informiere dich über die Welt der Hunde, sprich mit Freunden, die Hunde haben und lerne möglichst auch den ein oder anderen Hund kennen.
- Bleib bei einer Hunde-Begegnung ruhig stehen, meide hektische Bewegungen und Blickkontakt mit dem Hund und wende dich an den Halter.
- Auch bei einem Angriff solltest du dich still und ruhig verhalten, um den Spiel- oder Jagdtrieb des Hundes zu unterbrechen.
- Ängste wachsen im Verborgenen, deshalb: Sprich offen über deine Hundeangst. Denn Ängste werden größer, wenn man sich für sie schämt: Das Sprechen kann ein erster Schritt zur Besserung sein!
Bei starker Hundeangst ist psychologische Unterstützung wichtig. Halte dir immer vor Augen: Du bist nicht allein, andere Läuferinnen und Läufer teilen diese Angst. Auch hier gibt es Hilfe, wie unser Experte oben schildert. Zögere nicht, diese in Anspruch zu nehmen.
Bist du Hundehalter oder Hundehalterin, bedenke bitte, dass es Menschen gibt, die Angst vor Hunden haben. Damit das Laufen für dich, deinen Hund und für alle, denen du auf deiner Laufrunde mit deinem Hund begegnest, ein schönes Erlebnis wird, haben wir dir die wichtigsten Tipps für das Training mit dem Vierbeiner zusammengestellt.





