Adidas Adizero Adios Pro Evo1 im Test

Der schnellste Marathon-Wettkampfschuh der Welt
Adidas Adizero Adios Pro Evo1 im Test

ArtikeldatumVeröffentlicht am 26.09.2023
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Adidas Adizero Adios Pro Evo1 im Test
Foto: Hersteller

Im Rennen um Rekorde spielen die Wettkampfschuhe in den letzten Jahren eine immer wichtigere und immer mehr diskutierte Rolle. Ein neuerlicher Beweis ist der Adidas Adizero Adios Pro Evo1.

Mit dem Schuh hat Tigst Assefa den Marathon-Weltrekord der Frauen beim Berlin-Marathon 2023 auf 2:11:53 Stunden verbessert. Die Leistung ist sensationell. Dabei blieb die Äthiopierin als erste Frau nicht nur unter 2:14 Stunden und unter 2:13 Stunden, sie blieb sogar unter 2:12 Stunden. Zur Erinnerung: Der frühere Weltrekord von Brigid Kosgei liegt bei 2:14:04 h (2019, Chicago), und erst vier Frauen sind jemals unter 2:15 Stunden geblieben beim Marathon. Tigst Assefa ist in eine neue Dimension vorgestoßen. In vielerlei Dimensionen ist das Rennen von Tigst Assefa bemerkenswert. So lief sie zum Beispiel:

  • Ganze 3:44 Minuten schneller. Ihre vorherige persönliche Bestleistung bei ihrem Sieg in Streckenrekordzeit letztes Jahr in Berlin war 2:15:37 Stunden.
  • Sie lief bisweilen Temposplits von unter 3 Minuten pro Kilometer (z.B. km 16).
  • Sie lief ab Kilometer 42 die letzten 195 Meter ins Ziel schneller als Eliud Kipchoge (35 zu 36 Sekunden).
  • Den Weltrekord von Brigid Kosgei ( 2:14:04 h, 2019, Chicago) hat Tigst Assefa um 2:11 Minuten verbessert. Brigid Kosgei hatte zuvor den Weltrekord um 1:21 Minuten verbessert. Der Abstand zur nächst schnellsten Frauenzeit von Ruth Chepngetich liegt bei 40 Sekunden (2:14:18 Stunden, Chicago 2022), der Abstand dahinter bei 27 Sekunden (2:14:58 Stunden, Amane Beriso Shankule, Valencia 2022). Paula Radcliffe war bei ihrem Fabelweltrekord 2003 in London 2:15:25 Stunden gelaufen – damals allerdings im Vor-Carbonschuh-Zeitalter.
Berlin-Marathon 2023
Norbert Wilhelmi

Welche Rolle spielt der Schuh?

Tigst Assefa lief mit dem neuen Adidas Adizero Adios Pro Evo1 zur neuen Weltrekordzeit. Den Renntauglichkeits- und Rekordtauglichkeits-Beweis hat der Schuh erbracht. Neben Tigst Assefa lief auch Amanal Petros im Adizero Adios Pro Evo1. Er hatte den Schuh erst Anfang des Monats erhalten, war aber sofort begeistert, „der Schuh ist ja so leicht, fast hundert Gramm leichter als der Pro3. Die Entwickler überraschen uns immer wieder“, war einer seiner ersten Kommentare. Nach einer ersten Hälfte in 62:12 Minuten steigerte er seinen eigenen Deutschen Rekord auf 2:04:58 Stunden (zuvor 2:06:27 Stunden); damit ist er, wie die live-Berichterstatter der Fernsehübertragung feststellten, endgültig in der Weltklasse angekommen. Nebenbei: Und damit ist der deutsche Marathonrekord beispielsweise schneller als der US-amerikanische.

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Erster Eindruck

Im RUNNER’S WORLD-Test konnte sich der Adidas Adizero Adios Pro Evo1 noch nicht bewähren, es lag nur ein Testmuster der ersten, auf 521 Paar limitierten Charge vor. Aber der erste Eindruck bei allen Testerinnen und Testern, die den Schuh in der Hand halten konnten, war überzeugend: „Unglaublich leicht“, „krasses Teil“, „sieht stark aus“.

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Obermaterial: Ein Hauch von Nichts

Etwas irritierend beim neuen Adidas Adizero Adios Pro Evo1 sind die Bezeichnungen: Beim Obermaterial spricht der Hersteller von einem „Mesh Upper“, dabei ist das Gewebe ist komplett neu: Es ist sehr dünn, Wind- und sogar Licht-durchlässig. Die einzelnen Stränge des Mesh-Gewebes sind fest, das Material ist nicht dehnbar. Die ungepolsterte Lasche ist eine hauchdünne Konstruktion. Dafür gibt es an jeder Seite sieben Ösen, durch die sich die Schnürsenkel führen lassen, wobei die oberste eher weggelassen wird. Der Einstiegsbereich ist eher schmal. Und and er Ferse und um im Enkel-Bereich ist der Schuh ausreichend gepolstert.

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Verklebte Innensohle

Auffällig: Der Schuh hat keine herausnehmbare Innensohle. Die Mokassin-Konstruktion hat aber eine sehr dünne, verklebte Innensohle, die direkt über der Mittelsohle sitzt. Die Konstruktion spart Gewicht.

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Leichtgenommen: Mittelsohle

Auch beim Mittelsohlenschaum begegnet eine bekannte Bezeichnung: Sie besteht aus „Lightstrike-PRO" Schaum, „den wir allerdings in einer ganz neuen Form haben“, deutet Produktentwicklerin Charlotte Heidmann an. Neben der Formel ist auch das Herstellungsverfahren besonders. Denn die Sohle wird im “non-Compression”-Verfahren hergestellt; wie genau, da hüllt sich Adidas in Schweigen (“we do not share information on that”). So macht die Sohle den Eindruck, als sei der leichte Schaum aus dem Vollen geschnitzt. Wobei in der Mitte der zwei Lagen – eine ganz kleine Nahtstelle ist längs der Mittelsohle zu erkennen – die Adidas-spezifische Carbon-Konstruktion mit „EnergyRods“ eingelassen ist und die Sohle versteift.

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Effekt: Noch mehr Energierückgabe

Der Schaum selbst ist noch reaktiver als der, der vom Adizero Adios Pro 3 bekannt ist. Optisch auffällig ist vor allem die nach vorne verlegte Rocker-Geometrie. Die Rocker-Konstruktion startet etwa bei 60 Prozent der Sohlenlänge des Schuhs – beim Pro 3 (und anderen vergleichbaren Modellen) war sie etwa bei 70 Prozent. Heißt: Die Sohle des Adidas Adizero Adios Pro Evo1 ist vorne noch früher unter dem Fuß nach oben gebogen als bei vergleichbaren Modellen. Mit einer Stärke von 39 Millimetern unter dem Rückfuß (6 mm Sprengung) bleibt sie im erlaubten Bereich.

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Neue Außensohle: Ohne Profil

Auch bei der Außensohle haben die Adidas-Entwickler in die Trickkiste gegriffen. Zunächst: Es ist ein neues Material, ein Flüssiggummi, so Adidas. Aber es trägt keinen Aufdruck, sondern ist eine durchgängige Slick-Konstruktion ohne Profil, die im Neuzustand des Schuhs unter dem Vorfußbereich glänzt. Zwei weiße Besätze sind seitlich unter der Ferse geklebt – aber ebenso sparsam, dass etwa nur ein Viertel der Sohle mit dieser speziellen Außensohlenschicht beklebt ist. Was bereits im Trockenzustand auffällt: Die Sohle klebt regelrecht an der Hand. Und sie ist so dünn, dass man versteht, warum Adidas davon spricht, dass der Schuh nur für einen Rennen konzipiert ist. Der Adidas Adizero Adios Pro Evo1 steht nicht für Haltbarkeit, er steht für Geschwindigkeit. Die überlegene Traktion unter dem Vorfuß soll gewährleistet sein; es heißt, dass die Adidas-Entwickler auch eine extra Regenversion im Gepäck haben, die allerdings nicht offiziell präsentiert wurde.

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Nur 521 Stück - zunächst

Es gibt wohl nur wenige Schuhkonstruktionen, die so kompromisslos für Rekorde ausgelegt sind, wie der Adidas Adizero Adios Pro Evo1. Er ist kein Schuh für die Massen, sondern für Eliteläufer. Ein exklusives Modell, was auch anhand des VK-Preises von 500 Euro deutlich wird. Derzeit gehen nur 521 Stück in den Verkauf, beziehungsweise in die „Verteilung“. Im November kommt die nächste Charge an Schuhen.

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Für wen lohnt er sich?

Ob er sich lohnt: Das muss man im Einzelfall entscheiden – es gibt die Responder, wie Tigst Assefa und Amanal Petros, die der Schuh zu neuen Bestzeiten katapultiert. Es gibt aber bei Carbonschuhen auch die und die non-Responder. Die kommen mit anderen, „normaleren“ Schuhen beim Marathon besser klar. Und: Es gibt Schuhe für den halben Preis (oder weniger), die für den Hobbyläufer bei seiner Runde durch den Park besser geeignet sind.

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Fazit: Hitzeprobe bestanden

Tigst Assefa lief mit dem neuen Adidas Adizero Adios Pro Evo1 zum neuen Frauen-Weltrekord. Und ähnlich wie seinerzeit Paula Radcliffe – und das haben die beiden Läuferinnen sicher gemein, lief Tigst Assefa mit einem unglaublichen Mut und Selbstvertrauen – und ging jedes Risiko ein. Ihr Rennschuhe haben ihr bei ihrem spezifischen, sehr effizienten Laufstil ganz sicher geholfen. Seinerzeit lief Haile Gebreselassie im Adidas Adizero Adios Adios 1 (2008) den Weltrekord mit 2:03:59 h - wobei er, da sind sich viele Experten sicher, mit der neuesten Generation der Carbonschuhe wie dem Adizero Adios Pro Evo1 sicher ebenfalls schneller gewesen wäre aufgrund seines kraftvollen Laufstils, ähnlich wie Tigst Assefa.

Für athletische Läufertypen

Der Evo Pro 1 ist eine reine Rennmaschine – ausgelegt für Weltklasse-Athleten. Derzeit ist er kaum erhältlich für Hobbyläufer; im November soll die nächsten Charge auf den Markt kommen. Aber vielleicht ist für einen Hobbyläufer der Adizero Adios Pro 3 sogar die bessere Wahl; der kostet nur die Hälfte und hält definitiv länger.

Der Evo Pro 1 ist konstruiert für die Rekordjagd für einen einmaligen Einsatz. Diese Mission wurde in Berlin erfüllt. Adidas hat in den letzten Jahren beim Rennen an der Spitze nicht nur aufgeholt, sondern sich jetzt mit dem Adidas Adizero Adios Pro Evo1 an die Spitze – zumindest des Frauenfeldes – gesetzt. Mal sehen, was noch kommt. Es bleibt spannend.

  • Preis: 500 Euro
  • Gewicht: 138 Gramm
  • Sprengung: 6 mm