Im Rahmen des einzigartigen Ultramarathons "Further" vom 6. bis 11. März dieses Jahres stellte die US-amerikanische Ausnahmeathletin Camille Herron gleich 12 Weltrekorde auf – etwa den 6-Tage-Weltrekord der Frauen (560,33 Meilen bzw. 901,76 Kilometer).
Gut eine Woche nach dem Event konnten wir Camille einige Fragen stellen. Hier lesen Sie die Antworten der Weltrekordlerin:
Wie fühlst du dich nach dem Rennen?
Ich fühle mich jetzt viel besser als letzte Woche! Weltrekorde kosten mich viel Kraft. Ich musste Schlaf nachholen, Kalorien zu mir nehmen und meiner Blase und meinem Darm Zeit geben, sich zu erholen. Ich hatte viele Ödeme, was auch viel Wasserlassen bedeutet. Jetzt fühle ich mich wieder normal und bekomme auch meine geistige Klarheit zurück.
Was bedeutet es für dich, all diese Rekorde erreicht zu haben? Gibt es einen Favoriten, der für dich die größte Bedeutung hatte?
Es ist ein Traum, der wahr geworden ist! Ich konnte es nicht glauben, als lululemon mit dem kühnen Traum von "Further" auf mich zukam – weil es auch mein Traum war! Natürlich habe ich sofort Ja gesagt. Es fühlt sich gut an, den Traum zur Realität werden zu lassen. Die Unterstützung, die ich bekomme, spiegelt sich in all meinen fantastischen Leistungen des letzten Jahres und darüber hinaus wider. Ich bin so dankbar für jeden! Das Finish nach sechs Tagen war für mich am bedeutsamsten, weil ich mit meinen Teamkollegen feiern konnte: mit Umarmungen, High Fives, Tanzen zu Madonnas "Vogue" und Tränen in den Augen der lululemon-Familie, die alles möglich gemacht haben.
Ist dieser Erfolg eine Bestätigung für deine Trainingsmethode, die keine klassischen Longruns vorsieht?
Absolut! Ich denke, lange Läufe werden überbewertet und übertrieben. Sicher, wir brauchen Trainingsbelastungen und müssen uns anpassen, aber Athleten (und besonders Ultraläufer) übertreiben die Anzahl und Länge der langen Läufe und denken, dass "mehr" automatisch besser sei. Ich stelle allerdings fest, dass "weniger" besser ist. Ein großer Teil des Erfolgs liegt darin, gesund, frisch und stark in einen Wettkampf zu gehen. Ich denke, es sollte ein Umdenken dahin geben, Training als die kumulative Belastung über einen längeren Zeitraum zu betrachten, die einem Kraft und Ausdauer gibt. Jeder Lauf ist ein Baustein, um am Ende das Haus zu bauen! Sie alle summieren sich. Die Wissenschaft unterstützt, dass es anaboler ist, das Training in kurze häufige Läufe aufzuteilen, anstatt lange einzelne Läufe zu machen. (Anm. d. Redaktion: "anabol" bedeutet körpereigene Stoffe aufbauend, wie etwa Muskulatur, Gewebe oder Knochenmasse.) Ich denke, mit der Zeit wird diese wissenschaftliche Erkenntnis auch in der Laufszene ankommen und umgesetzt werden. (Anm. d. Redaktion: Camille Herron hat einen wissenschaftlichen Hintergrund in der Sportwissenschaft. Ihre Forschungserkenntnisse brachten sie dazu, keine isolierten langen Läufe mehr im Training durchzuführen, sondern diese auf kürzere Belastungen aufzuteilen. Hier finden Sie weitere, englischsprachige Ausführungen zu diesem Trainingsansatz.)
Wie hast du dich auf "Further" vorbereitet? Wie sah eine durchschnittliche Trainingswoche aus – wenn es so etwas gab?
Ich habe einen ähnlichen Ansatz wie schon letztes Jahr für das Spartathlon-Rennen verfolgt. Mein Training war sehr entspannt. 11-13 Läufe pro Woche, 100-130 Meilen pro Woche über viele Wochen, drei bis fünf Spaziergänge pro Woche (jeweils 1,5-4 Meilen), ein bis zwei härtere Trainingseinheiten pro Woche, Sprints und Übungen ein- bis zweimal pro Woche und Krafttraining einmal pro Woche. Mein längster Traininglauf dauerte 2:10 Stunden. Während des Aufbaus bin ich ein paar Mal auf Hügeltrails gegangen, um etwas Abwechslung zu haben. Und ich habe mich darauf konzentriert, gut zu schlafen, gut zu essen sowie mental, körperlich und emotional gesund in den Wettkampf zu gehen.
Was ist deine größte oder überraschendste Erkenntnis aus dem Projekt?
Meine Blase und mein Darm sind spastisch geworden und außer Kontrolle geraten. Ich bin es gewohnt, die Kontrolle über meine Blase bei 24- bis 48-Stunden-Rennen zu verlieren. Aber dass mein Darm während der letzten beiden Tage von Further gekrampft hate, war sehr schmerzhaft und einschränkend. Ich habe daher mein Ziel geändert und beschlossen, mir am sechsten Tag mehr Zeit zum Ausruhen und Erholen einzuräumen. Ich habe nicht so viel geschlafen, wie ich dachte. Außerdem hatte ich auch viel mit Körper- und Fußschwellungen zu kämpfen und musste meine Schuhe und Kleidung immer wieder anpassen, wenn es nötig war. Hier werden wir aus der Erfahrung lernen und versuchen, die Variablen beim nächsten Versuch über sechs Tage zu optimieren. Ich glaube immer noch, dass es möglich ist, den Weltrekord der Männer zu brechen. Dafür braucht es definitiv eine Lernkurve und Strategie.
Was war dein Lieblingsstück aus deinem Ausrüstungssatz?
Es war alles großartig! Mein Shirt mit dem Schlitz vorne, um die Trinkflasche in meinem Sport-BH zu verstauen, war fantastisch! Die halblangen Shorts mit Taschen rund um die Taille und die Seiten fand ich auch toll. Die Weste hat nachts gute Dienste geleistet. Und ich war begeistert von den langen Kompressionsstrümpfen sowie der Dämpfung der Schuh-Prototypen.
Gibt es eine persönliche Belohnung, auf die du dich nach dem Rennen freust? (Essen, Urlaub, etwas anderes...)
Wir sind vor ein paar Monaten nach Tucson, Arizona, gezogen, und es ist hier eigentlich immer so wie im Urlaub! Es gefällt uns sehr, zu Hause zu entspannen und ein paar lockere Meilen zu laufen. Nach Further habe ich den Whisky und Champagner genossen, den ich vom Rennen bekommen habe. Ich esse natürlich viele Tacos, Steak, Hamburger, Meeresfrüchte und Käse. Eine Urlaubsreise haben wir erstmal nicht geplant.
Kannst du schon sagen, wann du wahrscheinlich das nächste Mal laufen wirst?
Gerade geht es noch darum, meine Mobilität zurückzubekommen und ich gehe ein paar langsame Meilen. Ich denke, ich werde innerhalb der nächsten Woche wieder vollständig laufen. Ich möchte, dass es etwas Organisches ist, das passiert, wenn ich mich vollständig erholt fühle. Es ist so schön, wo wir in Tucson leben. Das spornt mich richtig an, laufen zu gehen!
Nach diesem riesigen Projekt und all den Rekorden: Gibt es noch Ziele für dich als Ultraläuferin? Wenn ja: Welche sind das?
Ich bin jetzt 42 Jahre alt und in der Blüte meiner Karriere! Wie ich sage, altern Ultraläuferinnen wie feiner Wein. Ich könnte noch weitere 20 Jahre auf einem hohen Niveau dabei sein. Derzeit bleiben die Weltrekorde meine Priorität: 50 Meilen (ca. 80 Kilometer) und bis zu 1.000 Meilen (ca. 1.609 Kilometer). Ich möchte mich darauf vorbereiten, die Sri Chinmoy 3.100 Meilen (ca. 4.989 Kilometer) zu laufen. Ich würde gerne wieder auf das Podium beim Comrades Marathon kommen. Es gibt mehrere großartige Straßen-100-Kilometer-Rennen, die ich gewinnen möchte. Den Spartathlon möchte ich noch viele Male gewinnen und versuchen, die 22 Stunden zu unterbieten. Ich liebe das Trailrunning und möchte die bedeutendsten Trailrennen gewinnen. Ich möchte sagen können, dass ich alles gemacht und alles gewonnen habe!