Iniative für Oll Inklusiv
tOLL gelaufen: Extremsport für den guten Zweck

Die Extremsportler Phillip Jordan und Timm Kruse wollen 800 Kilometer zurücklegen, um Spenden für Oll Inklusiv zu sammeln.
Phillip Jordan tOll gelaufen
Foto: Franz de Winter und Jonas Kranz für Oll Inkusiv

Die Pandemie treibt uns vor die Türe. Zum Spazieren, Sport machen und vor allem, um sich zu begegnen. Zwei Abenteurer bringen dieses Lebensgefühl nun auf die Langstrecke. Sie bewegen sich, um etwas zu bewegen. Der Ultramarathonläufer Philipp Jordan und der Stand-Up-Paddler Timm Kruse begeben sich unter dem Motto „tOLL gelaufen! ‟ auf ein großes Abenteuer die Elbe entlang: Ab dem 20. Mai 2021 geht es flussabwärts von der tschechischen Grenze bis zur Nordseemündung. Nebenbei schreiben sie ein gemeinsames Buch und trommeln kräftig um Spenden für die Bewegungs- und Digitalaktivitäten der gemeinnützigen Initiative Oll Inklusiv.

Was ist Oll Inklusiv überhaupt?

Oll Inklusiv hat es sich, seit seiner Gründung im Jahr 2018, zum Ziel gesetzt, ältere Menschen in das öffentliche Leben einzubinden. Vor der Pandemie wurden beispielsweise Festival-Besuche oder Tanz-und Bingonachmittage organisiert. Durch die massiven Corona-Einschnitte war auch Oll Inklusiv gezwungen, das Angebot anzupassen. Digitale-Events werden über die Oll Inklusiv-App organisiert, aber auch alltägliche Hilfen wie beispielsweise beim Einkaufen sind möglich. Hinzu kommen drei eigens angeschaffte Rikschas, die eine willkommene Abwechslung geschaffen haben.

Das Angebot wird so gut angenommen, dass die rund 40 ehrenamtlichen Helfer die vielen Anfragen gar nicht bearbeiten können. Deswegen bedarf es dringend finanzieller Unterstützung. Aus diesem Grund gibt es neben der Initiative zu tOLL gelaufen eine Crowdfunding-Aktion, die Sie hier unterstützen können.

Ein Abenteuer mit einiger Ungewissheit

800 Kilometer wollen Philipp Jordan zu Fuß und Timm Kruse auf dem SUP-Board zu Wasser auf und am Elberadweg für den guten Zweck zurücklegen. Wo sie schlafen, wen sie treffen und was sie an strapaziösen wie berührenden Momenten erleben werden – das ist absolut offen. Zumal die zwei das Land mit einer leidenschaftlichen Mission durchqueren: Sie wollen zeigen, wie verbindend soziales Engagement für Jung und Alt sein kann. Auch und gerade in Zeiten von Corona.

„Bei 'tOLL gelaufen!' können alle – ganz gleich, wo sie sich befinden – solidarisch mitlaufen, rausgehen, mitfiebern, jubeln und unterstützen, sodass Timm und Philipp ihre beiden Ziele erreichen: Nämlich in Cuxhaven gesund und glücklich das Meer zu erreichen und auf der Strecke mindestens 144.000 Euro für Oll Inklusiv einzuspielen,“ erklärte Oll Inklusiv-Gründerin Mitra Kassai. Der Großteil des Geldes soll in den gegründeten Rikscha-Service fließen, der auch schon prominente Unterstützer gesammelt hat. Mit Musiker Bosse, Moderator Yared Dibaba und Autorin Greta Silver gibt es bereits drei Paten, für die ersten R’oll on-Rikschas. Das Rikscha-Konzept soll mit dem Erlös des Spendenlaufs auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.

„Mindestens einmal im Jahr muss ich etwas Außergewöhnliches machen."

Beide Abenteurer sind keine Neulinge auf dem Gebiet solcher extremen Herausforderungen. Timm Kruse ist 2017 als erster Stand-Up-Paddler die gesamte Donau entlanggefahren. Eine Million Paddel-Schläge vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer. „Mindestens einmal im Jahr muss ich etwas Außergewöhnliches machen. Etwas, das meinen Horizont erweitert und mich wachsen lässt. An das ich am Ende meines Lebens zurückdenke und sage: Das war groß‟, erläuterte der Kieler Journalist.

Ebenfalls 2017 lief Philipp Jordan von seiner Wahlheimat Utrecht den Rhein entlang nach Karlsruhe gelaufen, wo er aufgewachsen ist. Im Schnitt täglich zwischen 50 und 60 Kilometer. Wie sehr ihn diese Erfahrung geprägt hat und wie er auf die Idee gekommen ist, eine solche extreme Belastung auf sich zu nehmen, das haben wir Philip Jordan im Interview gefragt.

Interview mit Philip Jordan:

Wie bist du auf Oll Inklusiv aufmerksam geworden?

„Vor über 10 Jahren hat die Gründerin Mitra Kassai eine meiner Ausstellungen in Hamburg besucht. Seitdem sind wir auf Facebook befreundet und ich habe dadurch regelmäßig Updates zu ihrem Projekt Oll Inklusiv bekommen. So war mir relativ schnell klar, als das neue Abenteuer feststand, dass ich gerne wieder etwas Gutes bewegen möchte. Da hat Mitras Projekt perfekt gepasst und deswegen habe ich sie gefragt, ob sie sich so einen Spendenlauf vorstellen könnte."

Wie kommt man auf die Idee, eine so aberwitzige Entfernung zurücklegen zu wollen?

„Die Idee, diesen Lauf bewältigen zu wollen stand schon länger fest. Mein Partner auf dieser Strecke Timm Kruse hat mich im letzten Jahr zu meinem Buch interviewed und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, noch einmal solch ein Abenteuer mit ihm zu starten. Da habe ich erstmal aus Höflichkeit ja gesagt, weil ich dachte, dass wird ja doch nichts. Doch eine Woche später hatte ich ein Exposé zu einem gemeinsamen Buch im Briefkasten und nochmal zwei Wochen später kam vom Verlag das Go. Ab diesem Zeitpunkt bekam ich es mit der Angst zu tun, denn ich war zu der Zeit überhaupt nicht in Form."

Das heißt, Du musstest Dich ins Trainingslager begeben?

„Ja, ich habe eine Corona-Diät gemacht und habe 20 Kilo abgenommen. Dabei habe ich, gezwungenermaßen durch das anstehende Abenteuer, das ernsthafte Laufen wiederentdeckt. Deswegen bin ich jetzt schon der größte Gewinner dieser gesamten Aktion."

Timm und Du, ihr kanntet euch vorher gar nicht und habt euch bis heute noch nie analog gesehen, oder?

„Ja, Timm hat mein Buch gelesen und gesagt, der ist ja genau wie ich. Er hat mich einfach mitgezogen und hat mir gar keine andere Wahl gelassen, als an diesem Abenteuer teilzunehmen. Inzwischen habe ich aber auch zwei Bücher von ihm gelesen und denke, dass wir die drei Wochen sehr gut miteinander auskommen werden."

Wie kam es dazu, dass Ihr an den Regenerationstagen ein Buch schreiben möchtet?

„Richtig, wir schreiben ein Buch und wollen uns kleinen Challenges stellen, wie Gedichte schreiben, singen oder auch Teile der Strecke rückwärts zu laufen oder in Timms Fall zu paddeln. Wer dann beispielsweise besser gesungen hat oder wessen Gedicht über die Elbe schöner ist, können die Leute dann auf Social Media entscheiden. Das ist für uns ein Weg, um die Leute trotz Corona mit einzubeziehen, denn eine Challenge an einem öffentlichen Ort, beispielsweise in der Fußgängerzone, kann momentan ja leider nicht stattfinden."

Wie willst Du die Regeneration bei einer so extremen Belastung gestalten?

„Eventuell werden wir von freiwilligen Physiotherapeuten betreut, aber was für mich immer gut funktioniert hat, ist das kontinuierliche Rollen auf meiner Blackroll und ausgiebiges Dehnen. Außerdem helfen mir Selbstmassage, eine gute ausgewogene Ernährung und natürlich meine gute Vorbereitung, bei der mein Körper sich an die lange Belastung gewöhnen konnte. Mit diesen Methoden hat es letztes Mal sehr gut funktioniert und ich hoffe, dass ich auch bei diesem Abenteuer die typischen Muskelbeschwerden umgehen kann."

Geht es Dir nur um das Charity-Event oder spielt der Wettkampfcharakter auch eine Rolle?

„Es ist kein Rennen. Wir haben zwar feste Etappen geplant, die erste sind die 50 Kilometer am ersten Tag nach Dresden, aber wir müssen mit den Wetterbedingungen arbeiten. Denn sobald der Westwind zu stark wird, kann Timm nicht mehr auf dem Fluss paddeln. Er würde sogar Negativmeter machen und nach hinten treiben. Das wären schon sehr unfaire Bedingungen für ein Rennen, da ich in der Phase, wo der Wind ungünstig steht, mir an Land einen riesengroßen Vorsprung erarbeiten könnte. Für uns steht das gemeinsame Erlebnis dieses Abenteuers absolut im Vordergrund."

Werdet Ihr in Zelten oder in Hotels übernachten?

In meinem Ziehwagen werde ich vielleicht einen Biwaksack mitnehmen, aber aufgrund des Lockdowns und der Ausgangsperren werden wir wahrscheinlich gar nicht draußen schlafen dürfen. Also werden wir auf Hotels ausweichen müssen. Aber so kalt wie es momentan noch ist, bin ich da auch gar nicht so böse drum. Außerdem ist es für die Regeneration um ein Vielfaches besser, wenn man morgens nicht mit Rückenschmerzen auf der Isomatte aufwacht.

Du hast ja schon einmal so ein extreme Erfahrung gemacht, nämlich als Du von Utrecht am Rhein entlang nach Karlsruhe gelaufen bist. Hat Dich dieses Erlebnis so sehr geprägt, dass Du sagst: Das will ich nochmal machen?

„Auf jeden Fall. Ich bin der größte Freund und Verfechter selbst geschnitzter Laufabenteuer, denn welche Möglichkeit hat man denn heutzutage noch, um wirklich ein richtiges Abenteuer zu erleben und an seine Grenzen zu gehen? Gerade die Läufer werden es kennen: Um so länger die Distanz oder um so kürzer die Zeit wird, desto schwieriger wird es. Und genau aus diesem Grund werde ich auch nach diesem Abenteuer noch weitere Läufe planen."

Was ist Deine persönliche Motivation, an diesem Projekt teilzunehmen?

„Ich finde es einfach cool, älteren Menschen zu helfen. Gerade in der Corona-Zeit haben wir ja alle erlebt, wie eintönig das Leben ist, wenn man den ganzen Tag zuhause sitzen muss und keine sozialen Kontakte mehr hat. Bei uns Jüngeren hört diese Phase jetzt mit der Impfung vielleicht bald auf, aber für ältere Menschen, die beispielsweise ihren Lebenspartner verloren haben und nicht mehr so mobil sind, wird das auch nach der Pandemie noch der Alltag sein. Außerdem ist es einfach eine tolle Herausforderung für mich. Ich darf und muss so viel Laufen um dafür zu trainieren und dann durchstreife ich auch noch so viele unterschiedliche Regionen. Ich werde das Land auf eine ganz anderer Art und Weise sehen."

Was glaubst Du, wird die größte Herausforderung für Dich persönlich sein?

„Die größte Herausforderung für mich ist das Wetter. Letztes Mal bin ich Mitte Juli gelaufen, da war es extrem heiß und damit kann ich sehr gut umgehen. Der einzige Tag, wo es mir echt schwer fiel, war der, wo es geregnet hat und es ein bisschen kälter war. Wenn es also viel regnen sollte und die Temperaturen frischer sein werden, wird das die größte Herausforderung für mich."

Wünscht Du Dir Nachahmer?

„Ich versuche immer im Gespräch mit anderen Läufern sie von diesem Backpacker-Prinzip zu überzeugen und würde es natürlich begrüßen, wenn Leute durch meine Aktionen inspiriert werden und so tolle Erlebnisse haben. Bei diesen extremen Herausforderungen merkt man nämlich, dass man doch mehr kann, als man sich vielleicht zutraut."