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Von der Profiläuferin zur Profiverkäuferin

Sie ist eine von wenigen Frauen in Deutschland, die ein Fachgeschäft für Läufer führen: Seit 2015 leitet Kerstin Kührmann die Lübeck-Filiale von Zippel’s Läuferwelt.
Zippel's Läuferwelt Lübeck
Foto: Jozef Kubica

Der Sport im Allgemeinen und das Laufen im Besonderen üben wohl auch deshalb so eine Faszination auf uns aus, weil sie eine Blaupause fürs Leben sind. So manche Erfahrung aus der Laufwelt erweist sich früher oder später als Lehre fürs Leben. Das wird deutlich, wenn man Kerstin Kührmanns Erzählungen lauscht. In ihrem mit Läufer-Devotionalien (Urkunden, Medaillen, Zeitungsausschnitten) gespickten Büro spricht sie über "Leidenschaft und Leidensfähigkeit" in ihren beiden Leben: dem ersten als Profiläuferin, dem zweiten als Co-Geschäftsführerin von Zippel’s Läuferwelt in Lübeck – und es wirkt, als wäre die erste Karriere eine lehrreiche Schule für die zweite gewesen.

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Vom Profisport in die Unternehmerkarriere

Doch der Reihe nach: Mitten in der Lübecker Altstadt betreiben Kerstin und ihr Mann Frank seit 2015 ein florierendes Fachgeschäft für Läuferinnen und Läufer. Damals waren die Kührmanns keinesfalls Senkrechtstarter oder Quereinsteiger – im Gegenteil: Mit dem eigenen Laufladen zündeten sie ganz nach Plan die nächste Raketenstufe einer stringenten Unternehmerkarriere, die sinnbildlich zur Zeit der Wende begann.

Zippel's Läuferwelt Lübeck
Jozef Kubica
Devotionalien, die von zwei erfüllten Läuferleben zeugen: Im Büro von Kerstin und Frank wimmelt es nur so vor Pokalen, Medaillen und Zeitungsausschnitten.

Die Wiedervereinigung war auch eine Zeit des Übergangs bei Kerstin: In der DDR hatte die in der Uckermark geborene Athletin ein Studium im Hochbau angefangen, sich dann jedoch auf die Karriere als professionelle Marathonläuferin fokussiert. Im Sportclub Rostock lernte sie 1988 den gebürtigen Wismarer Frank kennen, ebenfalls ein talentierter Läufer. Ihren Lebensunterhalt verdiente sich Kerstin auch über Siegprämien, zum Beispiel in Lübeck, wo sie sich ihren Preis in einem renommierten Sportfachgeschäft abholen sollte – und schlussendlich mit einem Vollzeitjob in der Tasche wieder nach Hause ging. Als Verkäuferin in ihrem Metier zu arbeiten und nebenbei Rekorde in Schleswig-Holstein aufzustellen, von denen zwei bis heute unerreicht sind, machte Kerstin Spaß. Doch der Ehrgeiz einer Vollblutsportlerin verlangte schnell nach mehr und so drückte sie gemeinsam mit Frank, der ein halbes Jahr nach ihr ins Geschäft einstieg, ein halbes Jahr die Bank der Abendschule, um Einzelhandelskauffrau zu werden.

Franchisemodell mit Zippel's-Gründer Rainer Ziplinsky

Die nächste Stufe erklomm Kerstin zur Milleniumswende: Bei Runners Point hatte sie die Perspektive auf eine Filialleiterstelle in Lübeck, die sie – gerade einmal vier Monate im Unternehmen – auch übertragen bekam. Während Kerstin ihren Laden managte, betreute Frank zehn Filialen als Regionalmanager. Das erfüllte die beiden so lange, bis Foot Locker ins Geschäft einstieg. "Ich wollte nicht nach Vorgaben anderer arbeiten", sagt Kerstin. Andererseits wollten die Kührmanns auch nichts komplett Neues aus dem Boden stampfen – ein bestehendes funktionierendes Konzept, ein Franchisemodell schwebte ihnen vor, bei dem man von guten Einkaufskonditionen und einer funktionierenden Verwaltung profitieren könnte. Also griff Frank zum Telefon und rief Rainer Ziplinsky an, den Mann, der nicht nur Zippel’s-Filialen in Kiel, Norderstedt und Flensburg (später auch auf Sylt) betrieb, sondern durch sein Engagement bei der Organisation von Läufen den Laufsport in Schleswig-Holstein maßgeblich geprägt und groß gemacht hat.

Zippel's Läuferwelt Lübeck
Jozef Kubica
Breite Auswahl für jeden Läufertyp: Als ehemaliger Spitzenläufer weiß Einkaufschef Frank, was seine Kundinnen und Kunden brauchen.

Ziplinsky brauchte nicht lange zu überlegen, denn die Kührmanns hatten sich in der Szene einen Namen gemacht, und der Schritt in die Selbstständigkeit erschien ihm als die logische nächste Entwicklungsstufe. "Einen Laden in Lübeck hatte ich schon lange auf der Agenda", sagt Ziplinsky, er habe nur noch nicht das geeignete Personal gehabt – und mit diesem stehe und falle nun mal der Erfolg.

Es ist wie im Sport: Du darfst nie zweifeln und nie das Ziel aus den Augen verlieren.

Gelebte Leidenschaft und Leidensfähigkeit

Auch Kerstin hatte Vertrauen in die eigene Kompetenz und die nötige Fortune als Unternehmerin: "Es ist wie im Sport: Du darfst nie zweifeln und nie das Ziel aus den Augen verlieren. Es ist egal, was du machst. Wenn das Herz nicht dabei ist, wird es nur halb gar." Und die Kührmanns zeigten Herz: Sie kooperierten mit Physiotherapeuten und Orthopäden, traten an Vereine heran, organisierten Info-Abende und zeigten sich mit Verkaufsständen beim Marathon. Natürlich waren die ersten drei Jahre von harter Arbeit geprägt und an Urlaub war nicht zu denken. "Doch du musst einfach weitermachen und Lösungen finden. Auch das kennt man aus dem Sport", sagt Kerstin.

Zippel's Läuferwelt Lübeck
Jozef Kubica
Vor dem Laden haben Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, den ausgewählten Schuh noch einmal kurz zur Probe zu laufen.

Im Büro der beiden hängt ein Spruch an der Wand: "Wir alle haben Träume, aber um sie zu erreichen, bedarf es Entschlossenheit, Hingabe, Selbstdisziplin und Fleiß." Diese Weisheit stammt vom US-amerikanischen Sprinter und Weitspringer Jesse Owens. Der lebte seine Träume genauso wie Kerstin Kührmann.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 19.09.2023