Lieber Holger, der theoretische Ansatz von Höhentraining beruht auf dem Umstand, dass der Sauerstoffgehalt der Luft immer weiter abnimmt, in je größeren Höhen wir uns aufhalten. Unser Körper ist also Sauerstoffmangel ausgesetzt, das nennt man in Fachkreisen Hypoxie. Getriggert durch die Ausschüttung des Hormons EPO (vielleicht vom Blutdoping bekannt), setzen nach circa drei Wochen in der Höhe im Körper langfristige Anpassungen ein.
Vor allem steigt die Zahl der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff im Blut transportieren. Außerdem führt Höhentraining zu einer unter Belastung verbesserten Belüftung unserer Lungenbläschen. Wenn wir nach dem Höhentrainingslager wieder auf Meereshöhe zurückkommen, bleibt diese Anpassung für einige Wochen erhalten. Unser Organismus hat hier unten ja wieder mehr Sauerstoff in der Atemluft zur Verfügung und kann nun umso mehr davon transportieren. Dadurch kann es zu einem Benefit für unsere Ausdauerleistung kommen.
So viel zur Theorie. Obwohl viele Langstreckenläufer auf 1.600 bis 2.500 Meter Höhe trainieren, ist die wissenschaftliche Evidenz für die positiven Ergebnisse dieser Methode tatsächlich eher mau. Es gibt zwar einige Studien zu diesem Thema, aber die Resultate sind nicht einheitlich. Zudem ist die Höhenanpassung des Körpers individuell unterschiedlich, selbst der Effekt, dass die Zahl der roten Blutkörperchen ansteigt, ist nicht bei jedem Läufer nachweisbar.
Du merkst schon, Höhentraining ist eine ganz schön unsichere Wissenschaft. Meine Schwester Rabea und ich haben mal ein Zwillingsexperiment gemacht, als wir ein vergleichbares Fitnesslevel hatten. Ich reiste einen Monat in die Höhe nach Kenia (auf 2.400 Meter) und Rabea trainierte währenddessen im heimatlichen Berlin. Zwei Wochen nach meiner Rückkehr sind wir dann in Barcelona den Halbmarathon gelaufen. Uns trennten genau zwei Sekunden (die ich vorn lag). Meiner Einschätzung nach kannst du dich also auch guten Gewissens ohne Höhentraining sehr gut in der Lüneburger Heide auf deinen Marathon vorbereiten.

Deborah „Debbie“ Schöneborn ist eine der schnellsten deutschen Marathonläuferinnen (Bestzeit: 2:24:54 Stunden) und hat an der Berliner Charité Medizin studiert. In unserer Kolumne beantwortet sie eure Fragen zu Gesundheit, Training und Ernährung.
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