Der Hype um Kompressionskleidung hält nun schon über mehrere Jahre an und scheint auch nicht so schnell wieder abzuflachen. Ständig erscheinen neue Untersuchungen darüber, aber werfen immer noch so viele Fragen und Ungereimtheiten auf, dass ich ihnen schon gar keine Beachtung mehr schenke. Allerdings bin ich in diesem Zusammenhang auf eine in dem Journal of Strength & Conditioning Research erst kürzlich veröffentlichte neuseeländische Studie aufmerksam geworden.
Der Untersuchungsaufbau war relativ einfach: 22 trainierte Rugby Spieler sollten sich in einem simulierten Rugbyspiel (in normaler Kleidung) verausgaben. Anschließend mussten sie 24 Stunden lange Kompressionshosen tragen und sich danach einem Leistungstest unterziehen (wieder in normaler Kleidung). Das klare Ziel des Tests war es, die Wirkung der Kleidung auf die Regenerationzeit zu untersuchen und dies nicht noch mit der Frage, was bringt die Kleidung während der Belastung, zu kombinieren. Das halte ich für eine sinnvolle Idee.
Der andere gute Ansatz ist, dass sie versucht haben dem Placebo-Effekt entgegenzuwirken. Jeder Spieler musste die Prozedur zweimal durchlaufen: Einmal mit richtiger Kompressionskleidung (76 % Elastan, 24 % Lycra) und einmal trugen sie kompressionsähnliche Kleidung, allerdings ohne wirkliche Kompression (92 % Plyamide, 8 % Lycra). Den Probanden wurde zuvor gesagt, dass das Ziel der Untersuchung der Vergleich zweier Arten von Kompressionskleidung sei. Theoretisch hätten sie also nicht erwarten können, dass eine besser ist als die andere.
Die Hauptübungen, anhand deren die Erholung festgestellt wurde, waren zehn 40-Meter-Sprints (mit jeweils 30 Sekunden Pause) mit anschließendem 3-Kilometer-Zeitlauf. Der 3-Kilometer-Testlauf war etwas schneller, um 2,0 +/-1,9 Prozent - ein Ergebnis, das nach traditionellen Maßstäben statistisch nicht signifikant war (p=0,12). Auf der Abbildung sehen Sie die Ergebnisse der Sprints (schwarz: mit Kompression, weiß: Placebo).
Die Kompressionskleidung weist hier also leichte Vorteile gegenüber der normalen Kleidung auf. Insgesamt kommen die Forscher zu der Schlussfolgerung:
Kompressionskleidung während der Regeneration zu tragen, ist wahrscheinlich von Vorteil und ist sehr unwahrscheinlich schädlich für gut trainierte Nationalrugbyspieler.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber wenn man sich das Ergebnis mal genauer anschaut, ist es alles andere als eine glasklare Sache. Nicht eines der Einzelergebnisse erreichte die statistische Signifikanz von p=0,05 (welche entscheidend ist für die eindeutige Schlussfolgerung "wahrscheinlich von Vorteil" oder "wahrscheinlich schädlich"). Was mich aber wirklich beeindruckt hat, war Folgendes:
Die Forscher haben ernsthaft versucht den Placebo-Effekt zu vermeiden, das ist sehr lobenswert. Aber der Unterschied zwischen den beiden Tights springt einem förmlich ins Auge. Die eine ziert das große Logo eines der bekanntesten und angesagtesten Kompressionskleidungs-Herstellers. Während die andere Tight ein absolutes No-Name-Produkt ist, die sich (ohne Kompression) logischerweise auch anders anfühlt. Während der Messung eines Sprint- oder 3-Kilometer-Zeitlaufs, sind schon feine Unterschiede für die mentale Einstellung, mit der man die Dinge angeht, von Bedeutung.
Fazit: Diese Studie geht auf jedenfalls schon mal in die richtige Richtung, wenn man bedenkt wie fehlerhaft alle anderen Untersuchungen, die Kompressionskleidung mit nichts verglichen haben, zuvor waren. Aber ich glaube, man könnte noch weiter gehen, denn der nicht vermeidbare Anteil an Placebo-Effekt bleibt. Dieser in Verbindung mit dem nur geringen festgestellten Vorteil von Kompressionskleidung während der Regenerationszeit lässt Platz für Zweifel.