Das nasse Baumwollshirt, das beim Sport am Körper klebt, ist nicht nur unangenehm – es ist auch mitverantwortlich für den weitverbreiteten Glauben, dass Wolle in Sport-Bekleidung nichts zu suchen hat. Dabei geht es ja auch anders: zum Beispiel mit Merinowolle. Die feine Wollsorte gilt als funktional und wird nicht nur für kuschelige Winterpullover, sondern auch für Sportbekleidung verwendet.
Was ist Merinowolle?
Merinowolle stammt vom Merinoschaf und ist eine besonders hochwertige Schurwolle. Das bedeutet, sie wird vom lebenden Schaf geschoren und zeichnet sich durch ihre Feinheit und Robustheit aus. Der große Vorteil von Merinowolle gegenüber klassischer Baumwolle ist ihr Feuchtigkeitsmanagement. Deshalb findet Merinowolle in Laufkleidung immer öfter Verwendung und widerlegt den Ruf von Wolle als wenig funktionales Material zumindest teilweise – mehr dazu unten.

Eine wollige Angelegenheit: Merinoschafe kurz vor der Schur.
Zudem ist Merinowolle ein Rohstoff natürlichen Ursprungs, der in Sachen Umweltschutz punktet und biologisch schnell abbaubar ist. Wer also auf die Synthetik verzichten möchte, hat mit Merinowolle eine geeignete Alternative gefunden.
Wieso ist Merinowolle für Laufbekleidung geeignet?
Im Frühling oder im Sommer wirken die Merinofasern durch ihren besonderen Aufbau kühlend. Das System dahinter ist ziemlich genial: Das Aufnahmevermögen von Feuchtigkeit ist bei Merinowolle im Vergleich zu Kunstfasern deutlich höher. Tatsächlich können Merinofasern bis zu einem Drittel ihres eigenen Gewichts an Feuchtigkeit in ihrem Inneren aufnehmen. So bleibt der auf der Haut liegende Teil der Fasern trocken.
Der Schweiß bleibt allerdings nicht im Innern der Fasern stecken, sondern verdunstet. Dabei ist die Wärme der Merinowolle, die sie aus dem Körper der Sportler bezieht, die treibende Kraft, um die Feuchtigkeit in einen gasförmigen Zustand zu verwandeln. So wird die Wärme also für die Verdunstung benötigt und der Stoff auf der Haut bleibt kühl. Umgekehrt wirkt die Merinowolle im Winter aber auch wärmend, da kalte Luft durch die Struktur des Materials nicht direkt an die Haut gelangt.
Auch beim Thema Gewicht punktet die Merinofaser, denn mit einem Flächengewicht von ungefähr 200 Gramm pro Quadratmeter wiegt die Wolle annähernd so wenig wie chemische Funktionsfasern. Weiterer Pluspunkt, vor allem für Ultraläuferinnen und -läufer, die ihre Laufbekleidung mehrere Stunden am Stück oder sogar mehrere Tage lang tragen: Merinowolle ist deutlich geruchsneutraler als herkömmliche Synthetik-Kleidung. Das liegt an dem Fett, das sich in der Wolle befindet. Das Merinoschaf schützt sich mithilfe dieses Fettes vor Infektionen, da es ein Klima schafft, in dem sich weniger Bakterien ansiedeln. Ein Merinoshirt können Sie also einfach nach dem Laufen auslüften lassen, und schon ist es am nächsten Tag wieder einsatzbereit.
Auch, wenn die Eigenschaften von Merinowolle auf ganz natürliche Weise ziemlich genial sind, sollte man dennoch nicht den Fehler begehen, die Kleidung mit rein synthetischen Produkten gleichzusetzen. Merino ist zwar vor allem im direkten Vergleich zur gröberen und schwereren Baumwolle deutlich atmungsaktiver, jedoch nicht so luftig und schnelltrocknend wie reine Synthetik-Produkte aus Polyester und Co. Wem ein natürliches Hautgefühl und Umweltschutz wichtig sind, muss im Zweifel also leichte Abstriche machen, wenn es um Funktionalität geht. Allerdings: Immer mehr Hersteller setzen auf Materialgemische, bei denen Merinowolle anteilig zusammen mit (oft auch recycelten) Synthetikfasern zum Einsatz kommt. So reduziert man den Plastik-Anteil in der Kleidung, nutzt die Isolierung der Wolle aus und kommt dennoch in den Genuss von schnelltrocknender, luftiger Funktionskleidung. Wie hoch der Anteil der Merinowolle in der Bekleidung sein sollte, ist Geschmackssache.
Was muss ich beim Kauf von Merino-Kleidung beachten?
Beim Kauf eines Merino-Produktes geht es in erster Linie um Tragekomfort und Funktionalität.
- Passform: In Sachen Passform und Tragekomfort achten Sie am besten auf Ihre persönlichen Vorlieben, sodass die Kleidung angenehm sitzt. Wenn Sie ein Oberteil als Baselayer an kalten Tagen nutzen möchten, sollte es enger anliegen. Möchten Sie das Teil als einzige Lage an milderen Tagen nutzen, darf es ruhig etwas lockerer sitzen.
- Anteil der Merinowolle. Insofern es sich nicht um ein reines Merino-Kleidungsstück handelt, sollten Sie beachten, welche Materialien ansonsten im Bekleidungsstück stecken. Meist ist dies auf dem zugehörigen Etikett, spätestens aber auf der Hersteller-Website abzulesen. Um wirklich ein „wolliges“ Tragegefühl zu erhalten, sollte der Woll-Anteil bei mindestens 40 Prozent, besser über 50 Prozent liegen. In Kombination mit Merinowolle eignen sich Synthetikfasern wie Polyester, Nylon oder Elastan, aber auch nachhaltige Alternativen wie Lyocell oder Econyl. » Hier erfahren Sie mehr zu nachhaltigen Funktionsmaterialien.
- Mikron: Bei vielen Merino-Shirts findet sich in den Angaben zum Produkt die Bezeichnung Mikron. Dies ist die Einheit, mit der die Feinheit der Wolle angegeben wird. Dabei gilt: Je geringer der Wert, desto feiner und auch kratzfreier ist die Wolle. Die meisten Merino-Shirts haben Mikron-Werte zwischen 17 und 20.
- Mulesing-freie Merinowolle ist ein Muss. Mehr dazu im folgenden Absatz.
Mulesing-freie Merinowolle
In den meisten Fällen wird die Merinowolle für Funktionsbekleidung aus anderen Ländern importiert, oft aus Australien und Neuseeland. Gegen den dort weitverbreiteten Fliegenbefall wird leider nach wie vor oft die Technik des „Mulesing“ angewendet: Dabei wird den Schafen in jungem Alter ein Teil der Haut rund um den Schwanz entfernt. Da dieses Verfahren in der Regel ohne Betäubung oder Nachsorge stattfindet, werten viele Tierschutzorganisationen den Kauf von Merino-Textilien als unethisch.
Glücklicherweise haben darauf bereits viele Hersteller reagiert und beziehen die verwendete Wolle von ausgewählten Farmen, die auf Mulesing verzichten und auf eine artgerechte Haltung der Schafe achten. In unserer Übersicht stellen wir ausschließlich Bekleidung von Herstellern vor, die in ihren Firmen-Berichten explizit eine Mulesing-freie Produktion voraussetzen.
Laufbekleidung aus Merinowolle im Test
Diese Produkte haben im RUNNER’S-WORLD-Test besonders gut abgeschnitten:
🏆 Wollig und praktisch: Buff Merino Lightweight Multifunktionstuch (hier bestellen). Dieses Hals-/Kopftuch in Merino-Variante ist ein sehr vielseitiges Accessoire für kalte Tage. Die größten Vorteile: gelungener Temperaturaustausch und natürliches Material dank 100 Prozent Merinowolle.
🏆 Für Training und Alltag: Mammut Tree Wool FL T-Shirt (Frauenmodell oder Männermodell). Dieses Oberteil ist eher nichts für ganz intensive Lauf-Einheiten, punktet aber mit einem natürlichen, weichen Materialmix und hoher Alltagstauglichkeit.
🏆 Komfortable Woll-Shorts: Smartwool Intraknit Active Shorts (Frauenmodell oder Männermodell). Gelungene Shorts-Kombi mit Merino-Innenhose und raffinierten Taschenelementen. Bestens geeignet für alle Dauerlaufformen, speziell in den Übergangsmonaten.
Diese Merino-Teile haben wir getestet
Die Übersicht beginnt mit Merino-Oberteilen, fährt mit Unterteilen fort und endet mit wolligen Accessoires.
Fazit: Merino ist zum Laufen eine weiche Alternative zur Synthetik
Temperatur-ausgleichend, geruchsneutral und luftig-weich auf der Haut zu tragen – Merinowolle bietet viele Vorteile. Aber: Sie ist immer noch eine Naturfaser und unter Umständen nicht ganz so atmungsaktiv und dehnbar wie Synthetikfasern. Dafür ist Merinowolle geruchsneutraler als die meisten Plastik-Materialien und überzeugt vor allem durch ihre Feuchtigkeitsregulierung. Und auch als umweltfreundliche Alternative macht die Merinowolle eine gute Figur, denn sie ist biologisch abbaubar und wird aus einer nicht-endlichen Quelle bezogen. Wichtig ist es in jedem Fall, in den Hersteller-Angaben auf eine Mulesing-freie Tierhaltung zu achten, damit dem uneingeschränkten Merino-Genuss nichts mehr im Wege steht.