Alternativen zu Polyester und Co.
Nachhaltige Funktionsmaterialien

Synthetische Funktionsfasern basieren meist auf Erdöl und sind alles andere als nachhaltig. Wir stellen Alternativen vor.
Nachhaltige Funktionsmaterialien
Foto: iStockphoto (4)
In diesem Artikel:
  • Warum ist es wichtig, auf nachhaltige Materialien zu setzen?
  • Wann gilt ein Stoff als nachhaltig?
  • Wie nachhaltig können Funktionsmaterialien sein?
  • Nachhaltige Materialien in der Übersicht
  • Fazit: Funktionelle Laufbekleidung geht auch ohne Erdöl

Nachhaltige Funktionskleidung – geht das überhaupt? Warum herkömmliches Polyester eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu umweltschonender Sportkleidung darstellt – und welche alternativen Ansätze die Zukunft mitgestalten könnten.

Warum ist es wichtig, auf nachhaltige Materialien zu setzen?

Als Läuferinnen und Läufer haben wir so einige Ansprüche an unsere Ausrüstung: Sie soll atmungsaktiv sein, sie soll uns vor Regen schützen, vor Hitze, vor Kälte – und vor allem möchten wir uns darin wohlfühlen. Funktionskleidung erfüllt diese Anforderungen inzwischen nahezu lückenlos, High-Tech-Funktionsmaterialien sind schnelltrocknend, ultraleicht und luftig. So weit, so gut. Doch leider hat unsere Funktionskleidung ein Umweltproblem: Denn die meisten synthetischen Fasern basieren auf einer Herstellung aus fossilen Materialien wie Erdöl. Die Gewinnung von Erdöl hat schwere Folgen für die Umwelt, noch dazu ist dieser Rohstoff nur in begrenzten Mengen vorhanden. Außerdem ist die Kleidung mit fossiler Basis nicht biologisch abbaubar: Es dauert viele Jahrzehnte, bis die Überreste eines entsorgten Polyester-Shirts vollständig aus der Umwelt verschwunden sind.

Laufen und Nachhaltigkeit

Dass ausschließlich Polyester verantwortlich für die schlechte Umweltbilanz von Funktionsbekleidung ist, stellt sich schnell als Fehlschluss heraus, blickt man auf diverse andere synthetische Stoffe. Anlass zur Sorge machen alle Materialien, die fossile Ausgangsstoffe nutzen. Erdöl-basiertes Polyester dient als Beispiel, jedoch als vielgenutztes: Inzwischen sind bei unserer Bekleidung rund zwei Drittel aller Textilfasern synthetisch, davon ist etwa die Hälfte öl-basiertes Polyester.

Es sind also große Probleme, die gegen synthetische Fasern sprechen. Das nassgeschwitzte Baumwollshirt ist für die meisten Läuferinnen und Läufer jedoch trotzdem keine Alternative – muss es zum Glück auch nicht. Inzwischen gibt es schon einige nachhaltigere Alternativen zu synthetischen Materialien, die von vielen Herstellern genutzt werden, sei es bereits für die gesamte Produktion oder immerhin anteilig.

Wann gilt ein Stoff als nachhaltig?

Die Hersteller nachhaltiger Funktionsmaterialien sind an einem ressourcenschonenden Herstellungsprozess interessiert. Nachhaltig werden Materialien zum Beispiel dadurch, dass für ihre Herstellung keine Rohstoffe gewonnen werden müssen. Das ist bei recycelten Stoffen der Fall. Besonders nachhaltig werden sie, wenn die Stoffe bzw. ihre einzelnen Bestandteile immer weiter recycelt werden können und somit Teil eines Kreislaufes bilden. Immer mehr Marken setzen auf recycelte Materialien in ihren Produkten – gleichzeitig mangelt es aber noch an zentralen, marken-übergreifenden Lösungen für die Wiederverwendung von Funktionsmaterialien. Daher ist es zurzeit noch sehr aufwendig und teuer, Funktionsmaterialien zu recyceln.

Wenn Laufbekleidung gar nicht erst aus synthetischen Materialien hergestellt wird, macht sie das noch umweltfreundlicher. So gibt es bereits eine Reihe von Materialien, die in ihrer Produktion nicht auf Erdöl zurückgreifen und diesen Rohstoff durch pflanzliche Alternativen ersetzen. Neben der Verwendung von nachhaltigeren Materialien äußert sich Nachhaltigkeit darüber hinaus vielfältig, etwa auch, wenn ein Hersteller ganzheitlich umweltschonende Prozesse anstrebt. Das kann den Verzicht auf lange Transportwege bedeuten, oder klimaschonende Verfahren der Energiegewinnung. Jeder Aspekt, der CO₂-Emissionen einspart, macht ein Produkt umweltfreundlicher.

Wie nachhaltig können Funktionsmaterialien sein?

Wie nachhaltig ein Funktionsmaterial tatsächlich ist, ist nicht immer leicht zu sagen. Ein Material kann zum Beispiel komplett aus recycelten Kunststoffen bestehen. Wenn der Herstellungsprozess allerdings Unmengen an Energie verbraucht oder zur Verarbeitung der recycelten Stoffe schädliche Substanzen verwendet werden, dann wäre der Nachhaltigkeitsgedanke hinter dem Recycling-Prinzip zwar ein Ansatz in die richtige Richtung, aber nicht konsequent umweltfreundlich. Daher gilt genau wie beim Kauf von biologischen Lebensmitteln: Genau hinschauen lohnt sich. Dabei helfen Umwelt-Siegel, die angeben, welche sozialen und ökologischen Anforderungen ein Produkt bereits erfüllt. In dieser Übersicht erklären wir die bekanntesten Nachhaltigkeits-Siegel.

Wer umweltfreundlichere Produkte nutzen möchte, schaut sich am besten nach Herstellern um, die sich Nachhaltigkeit als Firmengrundsatz auf die Fahnen schreiben. Umweltfreundliche Laufbekleidung gibt es zum Beispiel bei Bleed, Winqs, Vaude, Iron Roots, Vidar Sports oder Runamics. Eine Zusammenstellung nachhaltiger Laufbekleidung gibt es außerdem hier. Wer auf der Suche nach umweltfreundlichen Laufschuhen ist, kann sich in diesem Artikel umschauen.

Nachhaltige Materialien in der Übersicht

Hier stellen wir nun einige Beispiele und Ideen vor, wie Funktionsbekleidung nachhaltiger werden kann.

Recycelte Kunststoffe

Der wohl bekannteste und am weitesten verbreitete aller Funktionsstoffe: Polyester. Wie bereits erwähnt ist Polyester nicht biologisch abbaubar und wird auf der Basis von Erdöl hergestellt. Die Klimabilanz von Polyester lässt also auf den ersten Blick zu wünschen übrig.

Wie andere Kunststoffe auch kann Polyester jedoch recycelt werden. Dazu wird ein Produkt nach seiner Nutzungsdauer in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, woraufhin diese erneut verwendet werden können. So einfach wie es klingt, ist der Prozess leider nicht: Recycling ist ein komplizierter, vielstufiger Verlauf. Gleichzeitig sind die Vorteile bemerkenswert: Kunststoffe landen auf diese Weise nicht im Müll, giftige Emissionen werden reduziert, und Sportlerinnen und Sportler müssen auf funktionale Stoffe nicht verzichten. Zudem greift hier ein einfaches Prinzip: Denn wer auf recycelte Produkte zurückgreift, kauft in der Theorie entsprechend weniger neue, erdöl-basierte Kleidungsstücke und spart wertvolle Rohstoffe ein.

Wer Laufshirts und Laufhosen kauft, die komplett in Europa oder sogar in Deutschland produziert werden, setzt außerdem ein kleines Zeichen gegen die Ausbeutung in der Textilindustrie, wie sie zum Beispiel häufig in Asien vorkommt. Zudem sind die Richtlinien hierzulande strenger und die Verunreinigung des Abwassers oder der Luft durch Chemikalien wird engmaschiger überwacht.

Merinowolle

Flock of Merino Rams
Corbis Documentary RF
Wollige Artgenossen: Von den zotteligen Merinoschafen stammt die besonders hochwertige Schurwolle, die sowohl in Sachen Nachhaltigkeit als auch Funktionalität punktet.

Es liegt nahe, dass vor allem natürliche, nachwachsende Rohstoffe nachhaltiger sind als synthetisch hergestellte. Immer gefragter als natürlicher Funktionsstoff wird Merinowolle. Die feine Wolle der Merinoschafe ist, als Gewebe verarbeitet, von Natur aus atmungsaktiv und isoliert gut. Die Wolle ist zudem schnelltrocknend und kann zu dünnen und sehr leichten Textilien verarbeitet werden. Kleidung aus Merinowolle nimmt nicht so leicht Gerüche an und ist antibakteriell – ein großer Vorteil für die Umwelt, denn die Klamotten können mehrfach getragen und müssen daher weniger oft gewaschen werden.

Zertifikate wie der Responsible-Wool-Standard weisen auf eine tierfreundliche Haltung der Schafe und eine faire Bezahlung der Züchterinnen und Züchter hin. Wer zu Merino-Produkten greift, sollte insbesondere Wolle meiden, wo bei der Schafhaltung Mulesing zum Einsatz kommt – bei diesem Verfahren werden jungen Schafen Hautfalten rund um den After entfernt, oft nicht fachgerecht und ohne Betäubung.

Lyocell (Tencel)

Lyocell ist eine Cellulosefaser, die unter dem Namen Tencel von der österreichischen Firma Lenzing und ihrem eigenen Verfahren hergestellt wird. Lyocellfasern haben ihren Ursprung im Wald: Ausgangsmaterial sind Bäume. Aus dem Holz wird eine Papiermasse hergestellt, aus der schließlich Cellulosefasern entstehen.

Obwohl sie damit auf einem nachwachsenden Rohstoff basieren, variiert die Nachhaltigkeit des fertigen Stoffes stark mit dem Produktionsverfahren. Hilfreich können bei der Bewertung zum Beispiel die Holzsiegel FSC oder PEFC sein. Sportbekleidungshersteller wie Runamics, Tao, Odlo, Schöffel oder Patagonia haben Laufbekleidung aus Tencel in ihrem Portfolio. Der größte Vorteil des Materials: Die Papierfaser ist biologisch problemlos und schnell abbaubar.

Rizinusöl

"Wunderbaum", so lautet ein Spitzname für die Rizinuspflanze, aus dessen Bohnen Öl gewonnen wird. Dieses stellt bei der Herstellung von Polyamidarten eine Alternative zum Erdöl dar. Die Rizinuspflanze benötigt wenig Wasser und kaum Dünger, sodass sie ressourcenschonend angebaut werden kann. Das Rizinusöl kann unter anderem als Basis für EVA-Schäume in Schuhsohlen dienen, sowie als Grundlage für ökologische Fasern. Je nach Herstellungsverfahren erreichen Rizinusprodukte außerdem insgesamt deutliche Reduzierung in der CO₂-Bilanz.

Hanf

Hanf scheint ein wahres Multitalent zu sein. So findet er seinen Einsatz unter anderem als Nutzpflanze, Nahrungsmittel, in Papierform oder eben verarbeitet zu Textilien. Obwohl er von Natur aus im Sommer kühlend und im Winter wärmend wirkt sowie antibakteriell ist, ist Hanf in der Herstellung von Laufkleidung noch nicht sehr verbreitet. Im Vergleich zu anderen Rohstoffen wie zum Beispiel Bio-Baumwolle lässt sich Hanf fast überall auf der Welt gut anbauen. Durch sein üppiges Blätterwerk vertreibt der anspruchslose Hanf lästiges Unkraut ganz von selbst und auch gegen Pilzbefall ist er von Natur aus resistent. Der Anbau kann also problemlos biologisch, sprich ohne umweltschädliche Pflanzenschutzmittel, vonstatten gehen. Nicht außer Acht lassen sollte man bei der Bewertung der Nachhaltigkeit jedoch, dass für die Ernte und Verarbeitung von Hanf spezielle Maschinen benötigt werden. Dennoch ist Hanf vergleichsweise nachhaltig – vor allem, wenn er direkt oder unweit des Anbauortes verarbeitet wird.

Econyl

Close up of discarded fishing nets
Digital Vision
Die Basis für Econyl können verschiedene Materialien sein: Häufig werden alte Fischernetze verwendet.

Econyl wird aus recycelten Kunststoffen hergestellt, zum Beispiel aus alten Fischernetzen oder Teppichen. Die gesammelten Materialien werden in ihre chemischen Bestandteile zerlegt und anschließend zu Nylon verarbeitet. Mit der Sammlung und der Wiederverwertung weggeworfener Kunststoffe werden nicht nur Ressourcen geschont. Allein mit der „Rettung“ alter Fischernetze, die sonst als Geisternetze durchs Meer schwimmen und dort die Tiere gefährden, leistet Econyl einen Beitrag zum Umweltschutz. Sport- und Outdoorbekleidung aus Econyl findet man unter anderem bei den Herstellern Bleed und Re-Athlete.

Sympatex

Sympatex ist eine atmungsaktive, wasser- und winddichte Membran, die vor allem in Schuhen und Outdoorbekleidung zum Einsatz kommt. Das Material setzt sich aus recycelten Polyester- und Polyethermolekülen zusammen. Die Produktion geschieht komplett klimaneutral. Im Gegensatz zu vielen anderen Membranen ist Sympatex komplett recycelbar sowie frei von PTFE, PFC und Laminaten. Sympatex ist gemäß Oeko-Tex Standard 100 und bluesign-zertifiziert und somit gesundheitlich unbedenklich.

Algenfasern: SeaCell und BLOOM

SeaCell-Fasern werden aus Cellulose und Algen hergestellt und sind komplett biologisch abbaubar. Zur Herstellung wird das gleiche Verfahren wie bei der Produktion von Lyocell angewandt. Dieses gilt als energiesparend und die zur Herstellung eingesetzten Chemikalien werden rückgewonnen und bleiben somit in einem geschlossenen Kreislauf. Ebenso hat der Zwischensohlenschaum BLOOM eine Basis aus Algen: Unter anderem Icebug verwendet den EVA-Schaum anteilig in Produkten.

Fazit: Funktionelle Laufbekleidung geht auch ohne Erdöl

Unsere Liste beweist: Schon so einige nachhaltige Alternativen zu herkömmlicher Synthetik finden in Produkten Verwendung. Die gute Nachricht dabei: Die Materialien stehen Polyester und Co. in Sachen Funktionalität in Nichts nach. Läuferinnen und Läufer müssen sich grundsätzlich also keine Sorgen machen, bei einer Investition in nachhaltige Laufbekleidung funktionale Abstriche machen zu müssen. Die größte Schwierigkeit auf der Suche nach nachhaltiger Laufausrüstung ist wohl die Unterscheidung von "leeren" Hersteller-Versprechen und ernst gemeinten Ansätzen. Wer nach bestem Wissen und Gewissen Produkte kauft, und auch insgesamt auf einen angemessenen Konsum achtet, leistet bereits wichtige Beiträge zur Nachhaltigkeit.

Die aktuelle Ausgabe
10 / 2023

Erscheinungsdatum 19.09.2023