Es gibt viele Möglichkeiten, Fortschritte beim Laufen zu messen: Das eigene Erschöpfungsgefühl, die Atemfrequenz oder das Trainingsvolumen sind nur einige davon – aber die Pace (also das Tempo) ist meist der Maßstab Nummer eins. Dabei ist Geschwindigkeit zwar ein zentrales Ziel vieler Läufer:innen, aber sie zu steigern ist oft alles andere als einfach.
Tatsächlich zeigt eine Studie, die im Fachjournal Cell veröffentlicht wurde, dass schnelleres Laufen unserem Körper sogar eher widerspricht.
Die Forschenden analysierten anonymisierte Daten von rund 37.000 Laufeinheiten, die per Fitness-Tracker aufgezeichnet wurden. Sie untersuchten unter anderem, ob Läufer:innen ihre Geschwindigkeit an unterschiedliche Distanzen anpassen und ob ihre bevorzugten Tempi auch in Bezug auf den Energieverbrauch optimal sind.
Das Ergebnis: Wie andere Tiere neigen auch Menschen dazu, mit einer Geschwindigkeit zu laufen, die energetisch effizient ist – also möglichst wenig Kalorien verbrennt. Und: Dieses Tempo bleibt meist konstant, unabhängig von der Strecke.
„Aus evolutionärer Sicht ergibt es Sinn, dass wir uns möglichst energiesparend fortbewegen“, erklärt Studienerstautorin Jessica Selinger, Professorin für Biomechanik, motorische Kontrolle und Neuromechanik an der Queen’s University in Kanada, im Gespräch mit Runner’s World.
Natürlich gibt es dennoch Möglichkeiten, das System ein wenig auszutricksen. So empfiehlt Selinger zum Beispiel, Musik mit einem schnelleren Beat zu hören – das erhöht die Schrittfrequenz. Auch das Laufen mit schnelleren Laufpartnerinnen und Lauffreunden kann durch den zusätzlichen Reiz motivierend und leistungsfördernd wirken.
Aber was hindert dich möglicherweise noch daran, dein volles Tempo-Potenzial auszuschöpfen? Hier sind die drei häufigsten Gründe, warum du (noch) nicht schneller wirst – und wie du gezielt an deiner Geschwindigkeit arbeiten kannst.
Drei Hürden auf dem Weg zu mehr Tempo – und Strategien, sie zu überwinden
Dein Training ist zu einseitig
Deine Strategie dagegen: Baue gezielte Tempoeinheiten ein
Wenn dein Training immer gleich abläuft – gleiche Intensität, gleiche Dauer –, gewöhnt sich dein Körper daran und erreicht irgendwann ein Plateau. Das sagt Susan Paul, Sportphysiologin und Laufcoach.
„Sobald wir an die Grenze unserer aeroben Kapazität kommen, stagniert die Leistung“, erklärt sie gegenüber Runner’s World. „Um weiter Fortschritte zu machen, muss das Training gezielter werden. Kurz gesagt: Wer schneller laufen will, muss auch schneller trainieren – und das bedeutet Tempoeinheiten.“
Paul empfiehlt, zunächst einen Tag pro Woche für Tempoeinheiten einzuplanen – mit sorgfältigem Warm-up vorab und einem Cool-Down als Abschluss. Als Tempoeinheit kannst du ein Fahrtspiel einsetzen (du spielst mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten), einen Tempodauerlauf (du läufst eine bestimmte Distanz in einem zügigen Tempo) oder ein Intervalltraining (du wechselst zwischen schnellen Tempo- und langsamen Erholungs-Phasen).
Eine Übersicht über die verschiedenen Tempoeinheiten findest du in unserem ausführlichen Artikel zum Tempotraining.
Du bist mental nicht auf mehr Tempo vorbereitet
Deine Strategie dagegen: Steigerungen statt Sprints
Sprints bis zur völligen Erschöpfung können befriedigend wirken, sind aber nicht der effizienteste Weg zu mehr Geschwindigkeit, sagt Lauftrainerin Whitney Heins, Gründerin von The Mother Runners. Stattdessen rät sie zu sogenannten Steigerungen bzw. Steigerungsläufen.
Dabei beschleunigst du kontrolliert über etwa 30 Sekunden, hältst dein Maximaltempo für ein paar Sekunden, und bremst dann in weiteren 30 Sekunden wieder auf ein langsames normales Lauftempo ab. Laut Heins verbessern Steigerungen nicht nur die kardiovaskuläre, sondern auch die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit – die Verbindung zwischen Gehirn und Muskeln wird geschult und du lernst, wie du schneller läufst, ohne zu überpacen.
„Ein weiterer Vorteil: Steigerungsläufe sind deutlich gelenkschonender als Sprints, setzen aber dennoch gezielte Trainingsreize“, erklärt sie. Und weil der Aufbau schrittweise erfolgt, liegt der Fokus stärker auf einer sauberen Lauftechnik – im Gegensatz zu Sprints, bei denen durch Erschöpfung schnell die Form leidet.
Du trainierst nur auf flachen Strecken – oder läufst ausschließlich
Deine Strategie dagegen: Integriere Hügeltraining und Cross-Training
Auch wenn deine Rennen auf flachen Strecken stattfinden – Hügeltraining kann einen echten Boost bringen. Es stärkt deine Beinmuskulatur, fördert die Mobilität und wirkt sich insgesamt positiv auf dein Lauftempo aus, sagt Lauftrainer Lawrence Shum im Interview mit Runner’s World.
Er empfiehlt, spezielle Einheiten für das Bergauflaufen einzuplanen, anstatt es „nebenbei“ in normale Läufe zu integrieren. So kannst du dich voll auf Technik und Intensität konzentrieren.
Typische Einheit: Einen Hügel mit etwa 70 % deiner maximalen Anstrengung (RPE 7 von 10) hochlaufen, bergab locker rollen lassen (RPE ca. 4). Für Einsteiger und Anfängerinnen reichen 4 bis 6 Wiederholungen pro Einheit aus.
Auch Cross-Training (Alternativtraining) ist laut Shum ein sinnvoller Hebel für mehr Laufspeed. Es beansprucht ähnliche Muskelgruppen auf andere Weise – und bringt so neue Reize.
„Ein gutes Beispiel ist Radfahren“, sagt er. „Dabei werden Oberschenkel und Waden genauso gefordert wie beim Laufen, aber durch die andere Bewegungsdynamik jeweils unterschiedlich belastet.“ Das Resultat: Radfahrende können vom Laufen profitieren – und umgekehrt. „Beides ergänzt sich optimal.“
Fazit: Du willst schneller werden? Mit neuen Trainingsreizen gelingt es dir!
Schneller zu werden ist für viele Läuferinnen und Läufer ein zentrales Ziel – aber der Weg dahin erfordert mehr als nur regelmäßiges Training. Wer immer im gleichen Tempo läuft, stößt irgendwann an eine Leistungsgrenze. Abwechslung durch gezielte Tempoeinheiten, Steigerungsläufe, Hügeltraining und ergänzendes Alternativ-Training hilft dir, neue Reize zu setzen und die eigene Pace zu verbessern. Mit der richtigen Strategie und etwas Geduld wirst du garantiert Fortschritte erzielen auf dem Weg zu mehr Schnelligkeit.