Das ist mal ein Plan: Fritz Sitte will durch ganz Afrika laufen, von Südafrika bis Ägypten. Start war Anfang Oktober in Kapstadt. Bis Kairo geht es durch neun Länder und über 11.000 Kilometer. Und die will er in in sieben Monaten schaffen, also etwa 60 Kilometer am Tag. Fritz zieht dabei einen Babyjogger, den er dank spezieller Konstruktion um die Hüfte schnallen kann, denn er ist selbstverpflegt unterwegs und wird nur von einem Fahrradfahrer begleitet, Max, seinem Bruder.
Zum Vorgespräch hatten wir Fritz Sitte bereits beim Berlin-Marathon getroffen – an dem Fritz teilnahm, nachdem er am Morgen vor dem Start noch einen Halbmarathon gelaufen hatte, quasi als Vorbereitungslauf (siehe auch unser RUNNER’S WORLD-Podcast mit Fritz).
Interessante Bilder von Fritz Sittes spannendem Laufabenteuer quer durch Afrika finden Sie hier:
Zuletzt haben wir mit ihm gesprochen, als er nach drei Wochen bereits in Namibia eingetroffen war. Gut 1.300 Kilometer hatte da schon zurückgelegt. Und er berichtet, was gut lief, was nicht so gut, was gut schmeckt und wo man Schatten findet bei 38 Grad auf dem Highway.
RUNNER’S WORLD: Du bist jetzt drei Wochen gelaufen – wo bist Du gerade?
Fritz Sitte: Ich bin in Windhoek.
Du bist jetzt 1.350 Kilometer gelaufen, wie geht es Dir?
Bis gestern lief es super. Aber heute spüre ich eine Überlastung des Oberschenkelmuskels mit leichter Entzündung. Ich musste die Etappe abkürzen.
Auweia, was ist jetzt der Plan?
Ich schau, dass ich viel Blut und Sauerstoff drankriege, um den Muskel zu regenerieren und zu stärken. Treffe gleich noch einen Physiotherapeuten. Aber so bitter es klingt: Besser hätte ich mich nicht verletzen können. Wir – mein Bruder und ich – sind gerade bei Verwandten in Windhoek, die hier in Namibia leben. Wenn die Verletzung irgendwo im Nirgendwo wäre, wäre das ungünstig. Jetzt mache ich Pause, bis ich wieder schmerzfrei gehen kann. Wir sind gut im Zeitplan – haben bislang keine Pausentage gemacht.
Wie geht’s Dir insgesamt?
Es geht mir echt gut! Man wird sehr pragmatisch. Viele Sorgen aus dem Alltag fallen weg, wenn man unter extremen Bedingungen läuft, jedes „Wenn“ und „Aber“ fällt weg und es gibt keine verschwendete Lebensenergie. Wir haben uns mit den ersten drei Wochen selbst gezeigt, dass es geht. Wir haben unfassbar viel Vertrauen in uns selbst gewonnen, auch, dass es weitergeht.
Was habt Ihr so erlebt unterwegs?
Puh, wo soll ich anfangen! Ich sage mal so: Das Positive überwiegt! Ich will das nicht sugar-coaten, ich habe natürlich Momente und Stunden, wo man stur einen Fuß vor den anderen setzt. Gerade hier in Namibia läuft man hunderte Kilometer die B1 entlang: die ist einfachbar unfassbar gerade, da passiert nichts. Aber jeden Tag fängt man an, sieht zu, dass man den ersten Schritt macht, den ersten Kilometer, die nächsten zehn, 50 Kilometer schafft! Aber jeder Tag ist auch eine kleine emotionale Reise für sich! Da hat man mal zehn Kilometer einen Flow. Danach ist man mal wieder voll im Loch.

Gerade auf der mehreren hundert Kilometer langen B1 in Namibia wurde Fritz Sittes Durchhaltevermögen bereits herausgefordert.
Aber wenn man Eure Bilder auf Social Media sieht: Ihr seid gut motiviert – auch wenn es offenbar ganz schön anstrengende Laufbedingungen sind?
Jeder Tag hat seine eigene Geschichte – man braucht Disziplin und Härte das durchzuhalten. Als Brüder stärken wir uns extrem. Max macht nicht nur den Part mit Social Media, er nimmt mir das Gepäck ab, baut abends die Zelte auf, macht Essen: Ich muss in Anführungsstrichen nur laufen! – Dass ich von Anfang an über 60 Kilometer am Tag laufen kann, hat uns beide überrascht! – Das feuert uns beide an.
Gab es schon Unterstützung oder Feedback unterwegs?
Es ist noch kein Tag vergangen, wo nicht irgendwas passiert ist, Leute uns altruistisch unterstützt haben. Mitten in der Wüste, zwischen der Grenze und dem ersten Dorf in Namibia, das sind immerhin 140 Kilometer Entfernung, da kommt steigt eine Frau aus ihrem Truck, Nadine, gibt uns frische Erdbeeren, Wasser, Melone und muntert uns auf. Oder ein paar Tage später: Es ist abends, es wird dunkel, es war anstrengend und wir haben keinen Schatten gefunden – das macht übrigens einen riesen Unterschied, wenn man den ganzen Tag in der Sonne brütet –, wir waren geschlaucht und wollten unser Zelt aufbauen; da hält ein Pick-up neben uns, Chris, wo wir denn heute Abend schlafen, fragt er uns. Und dann nimmt er uns mit in sein Haus, wir können bei ihm übernachten. Und fährt mich am nächsten Morgen dahin wieder zurück, wo ich weiterlaufen kann! So etwas kann man nicht planen und nicht beeinflussen.
Und Du hast Deinen Bruder Max, der Dich unterstützt. Wie läuft es bei Euch?
Max ist unglaublich. Jeder von uns übertrifft die gegenseitigen und eigenen Erwartungen! Ich denke immer: Max gibt sich so viel Mühe! Den kann ich nicht hängen lassen! Da wir Brüder sind und uns gut verstehen, haben wir wenig Reibung und geben uns viel Unterstützung.
Wie läuft es logistisch – ihr nehmt ja Verpflegung mit?
Wir kommen durch. Der Süden Namibias und Botswana, was also jetzt kommt, das sind die herausfordernden Strecken: Da sind teils 200-300 Kilometer zwischen den Dörfern. Da müssen wir viel Wasser mitnehmen. Da ist es dünn besiedelt, viel Steppe. Und ich trinke schon fünf bis sechs Liter am Tag. Wir brauchen also deutlich über 10 Liter am Tag. Wenn man das für zwei Tage einpacken muss; viel mehr geht nicht ans Fahrrad und in meinen Babyjogger. Aber insgesamt muss ich sagen: man bekommt immer irgendwie Unterstützung wenn man sie braucht. Gestern Morgen, als ich nicht laufen konnte wegen meinem Oberschenkel: Innerhalb von 15 Minuten hatte ich jemanden, der mich mitgenommen hat.
Wie ist das Klima derzeit?
So zwischen 33 und 38 Grad am Tag im Schatten. Auf der Straße auf dem Asphalt mittags sind es weit über 40 Grad. Da sucht man alles, was Schatten bringt – ob ein Dornenbusch oder ein Straßenschild.
Wie läuft die Ernährung?
Laut Uhr verbrauche ich so 4.000 bis 5.000 Kalorien während des Laufens – plus Grundverbrauch, also 5.000 bis 6.000 Kalorien brauche ich pro Tag mindestens. Morgens esse ich Müsli, das kann ich am besten verdauen und gibt lange Energie. Über den Tag: Viel Erdnussbutter! Abends: Meist Couscous, das ist nur mit Wasser aufzukochen – dazu ein Soja-Hack, viel Olivenöl. Das ist schnell zu machen. Ich habe auf jeden Fall ein paar Kilo verloren, so vier bis fünf Kilogramm abgenommen – bin aber happy damit, habe mich noch nicht komplett verstoffwechselt und genügend Energie, um weiterzulaufen. Aber wenn es abends mal eine Pizza gab – da werden auch mal zwei draus!
Zum Podcast mit Fritz Sitte geht's hier.