Gespräch mit Hannes Namberger
"Fokussiert bleiben und positiv denken."

Hannes Namberger ist der zurzeit erfolgreichste deutsche Trailläufer. Beim Madeira Island Ultra Trail (MIUT) lief er die Ultra-Distanz von 115 Kilometern in in 14:00:36 Stunden und entschied das Rennen über anspruchsvolle Trails souverän für sich.
"Fokussiert bleiben und positiv denken."
Foto: Christian Penning

Obwohl er erst spät vom Wintersport zum Laufsport fand, blickt der 32-jährige Dynafit-Athlet auf eine beeindruckende Bilanz im Trailrunning zurück. Beim renommierten Lavaredo-Ultratrail 2021 entschied er nicht nur das Rennen über 120 Kilometer nicht nur für sich, sondern stellte mit 12:02:12 einen neuen Streckenrekord auf. In Chamonix erreichte er das Ziel des hochkarätigen Ultra-Trail du Mont-Blanc nach mehr als 170 Kilometern Meilen als starker Sechster.

Der Sieg beim MIUT 2021 bildet für Hannes Namberger den Abschluss seiner bisher erfolgreichsten Saison. Die 115 Kilometer führten die Athlet:innen auf technisch anspruchsvollen Trails quer über die portugiesische Insel. Der 32-Jährige setzte sich früh von seinen Verfolgern erreichte das Ziel mit einem Abstand von mehr als 40 Minuten vor dem Zweitplatzierten Dmitry Mityaev. Am Tag nach dem Erfolg sprachen wir mit Hannes Namberger über Gedanken während eines Ultra-Laufs, die richtige Taktik und Streckenhighlights.

Lieber Hannes, herzlichen Glückwunsch zu deinem Sieg. Deine Ankunft im Ziel ist nun schon einen Tag her – wie hast du die ersten Stunden nach dem Rennen verbracht?

Direkt nach dem Zieleinlauf ging es mir körperlich kurzzeitig nicht sehr gut. Eine solche Anstrengung und die lange maximale Belastung steckt der Körper nicht einfach so weg. Zum Glück habe ich mich schnell erholt und habe nach ein paar Stunden erst richtig realisiert, was ich erreicht habe. Während des Rennens hat man unfassbar viele Gedanken im Kopf und erst hinterher beginnt man mit etwas Abstand, alle Geschehnisse zu reflektieren. Außerdem habe ich natürlich mit vielen Leuten gesprochen und Nachrichten beantwortet.

Der MIUT ist ein hochkarätiges Rennen in der Trail-Welt, der viele bekannte Läufer:innen auf die Insel zieht. Was macht den Wettkampf für dich persönlich besonders?

Für mich gehört der MIUT eindeutig unter die zehn attraktivsten und hochkarätigen Rennen der Welt. Die Strecke ist extrem anspruchsvoll, mit vielen vertikalen Metern direkt nach dem Start, sodass man zu Beginn viel steiles Bergauf und Bergab zu bewältigen hat. Im späteren Verlauf ist die Strecke dann flacher, aber die Kilometer ziehen sich. Das Zeil scheint dann einfach nicht näher zu kommen. Diese Kombination von Gelände-Eigenschaften ist wirklich sehr schwierig. Gerade das macht den MIUT jedoch zu einer spannenden Herausforderung.

Gab es während des Laufs ein Highlight für dich?

Der Pico Arieiro, einer der höchsten Punkte Madeiras, war ein atemberaubender Punkt auf der Strecke. Hier hat alles gepasst: Die Beine fühlten sich gut an, das Wetter war perfekt und man hatte eine unglaubliche Sicht. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich mich erfolgreich von meinen Verfolgern absetzen konnte. Zusammen mit der besonderen Atmosphäre an diesem Streckenpunkt hat mir das einen richtigen Schub versetzt.

Madeira Island, Pico do Arieiro, volcanic rock
iStockphoto
Der Pico Arieiro ist mit 1.818 Metern zwar nicht der höchste Punkt Madeiras, bietet aber eine tolle Sicht und ist für Hannes Namberger ein besonderer Abschnitt auf der Strecke.

Du warst 14 Stunden lang auf dich allein gestellt auf größtenteils abgeschiedenen Trails unterwegs. Du hast bereits erwähnt, dass man dabei viel nachdenkt. Was für Gedanken sind das?

Man hat während eines so langen Rennens sehr viele unterschiedliche Gedanken. Die können ganz banal sein, oder sie kreisen ums Laufen. Man schweift im Kopf über viele verschiedene Dinge. Die Herausforderung ist, gleichzeitig ununterbrochen fokussiert zu bleiben, denn der Trail und die Beine erfordern permanente Konzentration. Entscheidend ist deshalb aber vor allem, trotzdem immer positiv zu denken und an sich zu glauben. Negative Gedanken hindern mich daran, meine Leistung abzurufen. Ich habe mir die ganze Zeit in Erinnerung gerufen, dass ich das Zeug habe, hier etwas zu erreichen.

Wie bist du damit umgegangen, als Favorit in den Wettkampf zu starten?

Mit so einer Favoritenrolle muss man umgehen können. Das Wichtigste ist, sich davon nicht beeinflussen zu lassen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Egal, mit welcher Startposition man in den Wettkampf startet – am Ende muss jeder auf den Punkt die maximale Leistung erbringen. Erst kurz vorm Ziel wird abgerechnet.

Christian Penning
Nach dem Zieleinlauf in Machico: Erleichterung und Fragenhagel

Auf den Ultra-Distanzen muss alles über viele Stunden hinweg optimal funktionieren. Was ist der größte Fehler, den man auf einem langen Traillauf machen kann?

Bei einem Rennen wie dem MIUT kann so einiges schiefgehen, die schlimmsten Fehler sind aber sicherlich nicht genug zu essen und zu kalte Kleidung. Außerdem ist es fatal, sich im ersten Teil der Strecke zu verschätzen und zu schnell loszulaufen. Ein anfänglich zu hohes Tempo holt jeden Läufer irgendwann wieder ein – man schafft es unter Umständen nicht mehr ins Ziel. Deshalb ist es wichtig, konstant zu laufen und vor allem die eigenen Fähigkeiten gut einzuschätzen und bestmöglich zu nutzen.

Mit dem Sieg beim MIUT geht für dich nun eine sehr erfolgreiche Saison zu Ende. Worauf freust du dich in der kommenden Zeit?

Nach der Saison ist Zeit für Dinge, die sonst hinter dem Training zurückbleiben. Dazu gehören auch ganz einfache Sachen wie Kinobesuche. Ich freue mich vor allem darauf, Sport nach Lust und Laune zu treiben und von dem sonst sehr strengen und eng getakteten Training abzuweichen. Ich werde sicherlich auch viel essen, und zwar einfach das, was ich möchte. Außerdem steht auch die Planung meiner Hochzeit im kommenden Jahr an – das ist ein besonders schöner Programmpunkt, auf den ich mich sehr freue.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023