Es wirkte fast so, als habe sich der Köln-Marathon zu seiner 25. Austragung für seine Gäste extra herausgeputzt: Das spätsommerliche Kaiserwetter heizte das rheinische Froh- und Feiernaturell zusätzlich an, sodass viele Tausende Kölnerinnen und Kölner die mehr als 20 000 angekündigten Läuferinnen und Läufer zu der Jubiläumsfeier in der Domstadt willkommen hießen. Mit Konfetti, Lautsprechern und selbst gebastelten Schildern harrten sie jubelnd, tanzend und anfeuernd an der Halbmarathon- und Marathonstrecke aus und unterstützten die Sechs-Stunden-Finisher und die Kinder beim Schulmarathon ebenso wie die Männer und Frauen, die um die Meistertitel stritten. Zum ersten Mal in seiner beachtlichen Marathongeschichte trug Köln die deutsche Meisterschaft im Marathon aus.

Die 21,1 und 42,2 Kilometer langen Strecken gerieten zu einer einzigen Party von Anfeuernden und Läufern
Baum und Jacobitz triumphieren auch ohne Glücksbringer
Als Favorit bei den Männern war Erik Hille (LT Haspa Marathon Hamburg) gehandelt worden. Doch seine 2:18:35 reichten nicht aus, um den Überraschungssieger Lorenz Baum (LAV Stadtwerke Tübingen) zu schlagen, der eine Zeit von 2:15:57 hinlegte. Am schnellsten rannten die Kenianer Amos Kipkorir Chanwony und Anthony Apori Ekai die 42,2-Kilometer-Strecke: in 2:14:43 und 2:15:21 Stunden. Der nominell stärkste Deutsche im Teilnehmerfeld war der Marathonmeister von 2022, Hendrik Pfeiffer, der seine Teilnahme in Köln eine Woche nach Berlin (2:08:48 Stunden) in den Dienst seiner Verlobten Esther Jacobitz stellte und sie zum ersten Platz in der Frauenkonkurrenz führte. Esther lief in 2:37:00 zum Titel der Deutschen Meisterin, konnte sich darüber aber erst so richtig freuen, als sie ihren Verlobungsring wiederhatte: Der an einer Kette um ihren Hals baumelnde Glücksbringer war bei Kilometer 21 unbemerkt verloren gegangen, doch über einen Social-Media-Aufruf der Veranstalter fand der Schatz letztlich zum Glück zurück zu seiner Eigentümerin.

Mit mehr als sieben Minuten Vorsprung stürmt Esther Jacobitz in 2:37:00 als erste Frau über die Ziellinie
Der Bräutigam in spe wiederum, Hendrik Pfeiffer, hatte sich bereit erklärt, dem von PUMA und RUNNER’S WORLD ausgewählten Team Rede und Antwort zu stehen. Mandy, Felix und Ramon hatten sich mit ihren Online-Bewerbungen die drei Startplätze gesichert (in der Juli-Ausgabe haben wir sie vorgestellt). Danach startete die zwölfwöchige marathonspezifische Vorbereitungsphase mit einer Kick-off-Veranstaltung, bei der Hendrik unserem Team per Video-Meeting von der Trainingsgestaltung über gesunde Läuferernährung bis hin zur Renneinteilung am Wettkampftag alle Fragen beantwortete. Erst drei Monate später lernten sich Mandy, Felix und Ramon dann live und in Farbe im Hotel kennen und verstanden sich auf Anhieb gut. Auch wenn letztlich niemand aus dem Team die hochgesteckten Ziele erreichte (siehe unten), waren alle froh, die Erfahrung, in Köln zu laufen, gemacht zu haben.
Verrückter Schuhtausch kurz vor dem Ziel
Eine verrückte wie einmalige Aktion für die rund 4900 angemeldeten Marathonis (rund 3700 Finisher) hatte sich der Co-Sponsor des Köln-Marathons, PUMA, ausgedacht: Bei Kilometer 39 konnten alle Läuferinnen und Läufer, bei denen es nicht mehr auf jede Sekunde ankam und die ihre Schnürsenkel noch öffnen konnten, ohne Krämpfe zu bekommen, ihre alten, abgenutzten Laufschuhe gegen ein neues Paar der Nitro-Reihe eintauschen. Eine gute Sache für die letzten drei Kilometer.

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Apropos gute Sache: All jene Läuferinnen und Läufer, die am Aachener Weiher über eine Spendenmatte liefen, registrierten sich für eine Spende, deren Höhe man im Nachgang frei wählen konnte und die für Sportangebote für Kinder in SOS-Kinderdörfern eingesetzt wird. Ein herzerwärmender Gedanke, dass bedürftige Kinder heute die Leidenschaft an diesem tollen Sport entdecken und zur 50. Auflage dann selbst am Start stehen könnten.
So erging es unserem PUMA x RUNNER'S WORLD Team

Felix Fuchs
So lief es bei Felix
Eine Vorbereitung nach Lehrbuch? Nein, die hatte unser schnellster Athlet, Felix Fuchs, wahrlich nicht. Aufgrund des hohen Trainingspensums verletzte er sich an der Hüfte, weshalb er zwei bis drei Wochen nur humpelnd laufen konnte. Immer wieder aufs Neue musste er das Training mit seinem fordernden Job als Assistenzarzt vereinbaren, und schließlich war da auch noch das 18 Monate alte Töchterchen, das Papas Aufmerksamkeit brauchte und einforderte: "Ich war viel mit dem Laufbuggy unterwegs, und größtenteils hat meine Tochter das auch, ohne zu murren, mitgemacht", erzählt Felix. Nur die langen Läufe gerieten mitunter zur Geduldsprobe für die Kleine.
Und als wäre all das nicht schon herausfordernd genug, erkältete sich Felix auch noch eine Woche vor dem Start. Was also sprach für eine gute Zeit in Köln, fragten wir ihn wenige Tage vor dem Start? Gute Beine, gute Schuhe ("Der Fast-R von Puma und der Vaporfly von Nike schenken sich nicht viel"), sagte er, und sein Bedürfnis, immer das Beste aus sich herauszuholen. Deshalb lief Felix auch mutig auf seine Bestzeit an, also auf eine grandiose Leistung von unter 2:45 Stunden. Sein bisheriger Rekord, den er beim Major-Marathon in Chicago aufgestellt hatte, liegt bei 2:45:07 Stunden.
Im Rennen geht die erste Hälfte für Felix auch voll auf: Beim Halbmarathon-Durchgang liegt er gut im Soll. Doch schon ab Kilometer 23/24 spürt er, dass es an diesem Tag schwer werden wird: Die bereits lädierte Hüfte schmerzt und macht einen effizienten Laufstil unmöglich. Auf der zweiten Hälfte verliert er dann rund 15 Minuten und muss schlussendlich mit einer Nettozeit von 3:00:35 Stunden vorliebnehmen. "Es gab so viele Gründe, warum es nicht geklappt hat", erzählt Felix hinterher: "Es war zu warm, die Hüfte zwickte, und die Erkältung war auch noch nicht vollständig auskuriert. Wenn man im Vorfeld auf so viel verzichtet hat, ärgert es einen doppelt, wenn so ein Ergebnis dabei herauskommt und man drei Tage ein Vollpflegefall ist." Nichtsdestotrotz sei es aber eine coole Aktion gewesen, einmal für RUNNER’S WORLD und PUMA an den Start eines Marathons gehen zu dürfen.
Wir sind uns sicher: Spätestens wenn er die Marathons in Tokio und New York absolviert haben wird und er damit zu einem Six-Star-Finisher aufsteigt, wird der schnelle Fuchs die schmerzlichen Erinnerungen an den nicht optimalen Marathon in Köln gut verkraften können.

Mandy Reppner
So lief es bei Mandy
Vor dem Marathon hatte sich Mandy in absolute Topform gebracht – vor allem im Hinblick auf das Rudern: Die Leistungssportlerin hatte mit ihren Teamkolleginnen vom Havelqueen-Achter in der Ruder-Bundesliga vier von fünf Renntagen für sich entscheiden können und stand somit bereits vor dem letzten Rennen, das sie mit einem Wimpernschlag von 3/100 Sekunden verloren, als Liga-Champion fest. Und dann standen am 7. und 8. Oktober noch die Deutschen Sprintmeisterschaften vor der Tür, bei denen Mandy in den vergangenen Jahren regelmäßig mit drei Medaillen nach Potsdam zurückgekehrt war. Zwischen Bundesliga und Sprintmeisterschaften (bei Redaktionsschluss stand das Ergebnis noch nicht fest) fuhr Mandy also nach Köln, um einen Marathon zu laufen. Und wie fand sie da noch die Zeit, um sich adäquat vorzubereiten? „Die langen Läufe habe ich unter der Woche vor der Arbeit reingeschoben“, erzählt sie, „und die ein oder andere Laufeinheit habe ich durch Radfahrten zur Regattastrecke und zurück ersetzt.“
Bei dem Pensum verwundert es nicht, dass sich Mandy in der Woche vor dem Marathon „ziemlich platt“ fühlte, zumal sie sich gegen eine aufkommende Erkältung wehrte. Aber am Renntag fasst sie neuen Mut: „Der Marathon begann super, mit guten Beinen, viel Motivation und Sonne.“ Außerdem fühlt sich die Sozialpädagogin getragen von der „Megastimmung“ entlang der Strecke. Die Zuschauer hätten durchgängig angefeuert, erzählt sie, viel intensiver als beim Marathon in Berlin. Doch ab Kilometer 12 macht der Rücken plötzlich zu, „die Bandscheiben haben dermaßen gebrannt, dass ich nur noch Schmerzen hatte“. Eine Verletzung mit Vorgeschichte. Immer öfter bleibt Mandy stehen, dehnt den Rücken durch, damit sich die Bandscheiben entspannen können, und läuft wieder an. Die Probleme rührten wohl auch von dem für ihren Körper ungewohnten Material her: Die direkte Dämpfung und die Versteifung der Carbonschuhe war er nicht gewohnt. Trotz der Gehpausen hält Mandy bis Kilometer 19 Kurs auf ihr Ziel, unter vier Stunden zu finishen. In 23 Jahren Sport musste sie noch nie vorzeitig aufgeben, doch an diesem 1. Oktober, 23 Kilometer vor dem Ziel geht es nicht mehr: Der Rücken verleidet jeden Schritt. „Es ist superschade, und ich bin enttäuscht“, meint sie, „doch auch mit einem DNF (did not finish; d. Red.) muss ich lernen umzugehen. Jede Niederlage ist eine Chance, und so stempele ich auch diese Erfahrung als Gewinn ab.“

Ramon Berghorn
So lief es bei Ramon
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Da läuft ein erfahrener Ultraläufer einen Marathon 17 Minuten schneller als je zuvor und ist "trotzdem ein bisschen enttäuscht", wie Ramon einige Tage nach dem Rennen berichtet, das er in 3:10:37 Stunden gefinisht hat. Andererseits ist es durchaus verständlich: Der 34-Jährige aus Lengede hatte so viel investiert, um den Köln-Marathon in weniger als drei Stunden zu laufen: Zum ersten Mal hatte der Hauptschullehrer nicht nach Tempobereichen, sondern nach den im RUNNER’S-WORLD-Trainingsplan vorgegebenen Herzfrequenzzonen trainiert. ("Ich hätte nie gedacht, dass ich dadurch noch einmal so viel schneller werden könnte.") Eisern und einsam zog er auf seiner gerade mal eine Meile (1600 Meter) langen Laufstrecke in Salzgitter seine langen Läufe durch und veranstaltete dort – wie nebenbei – auch noch einen Backyard-Ultra für einen guten Zweck (er selbst kam auf 90 Kilometer).
In dieser Phase kam ihm zupass, dass er sechs Wochen in den Schulferien trainieren konnte. Gleichzeitig konnte er voll auf die Unterstützung seiner Frau bauen: "Wie sie mir den Rücken freigehalten und sich während meiner Einheiten allein um unsere neun Monate alte Tochter gekümmert hat, ist krass. Ich bin ihr sehr dankbar." Vier Tage vor dem großen Tag war Ramon dann "richtig aufgeregt" und "total optimistisch", sein Ziel zu erreichen. Bis Kilometer 25 lief für ihn auch alles wie geschmiert. Er lag konstant bei 4:15 Minuten pro Kilometer, was für eine Zeit unter drei Stunden nötig ist. Doch dann war der Tank auf einmal leer: "Selten habe ich so einen Hammer ins Gesicht bekommen", erzählt er.
Mit Paces von 4:45 bis 4:50 Minuten rettet er seine gute Zeit immerhin noch auf den roten Teppich am Fuß des Doms. "Das große Ziel zu verfehlen tut weh", sagt Ramon. Und weil er in absehbarer Zeit nicht mehr so viel Zeit fürs Training einsetzen kann und will, Stichwort junge Tochter, möchte er das Projekt "Sub 3" zeitnah abschließen: Für den 22. Oktober, gerade mal drei Wochen nach dem Köln-Marathon und nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, plante Ramon, auf seiner Hausrunde (etwas mehr als 26 Runden à eine Meile) und mit Unterstützung seines Bruders (Verpflegung) sowie eines Kumpels (Pacing) das zu erreichen, was ihm aufgrund der Wärme und des "Traffics" in Köln nicht vergönnt war. Ob er es wohl geschafft hat? Bei Instagram wird er es mit Sicherheit teilen: @running.man.story. Wir drücken die Daumen!