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Sieh, das Gute liegt so nah!

Warum in die Ferne schweifen? Zum Beispiel, um dort den Mut zur Selbstständigkeit zu finden und zurück in der Heimat einen der besten Laufläden Deutschlands zu entwickeln – so wie Joachim Saukel in Kempten im Allgäu.
Joachim Saukel betreibt den Laufladen Laufsport Saukel in Kempten im Allgäu seit 1996.
Foto: Stefan Durst

Es ist schon erstaunlich, dass im 70.000 Einwohner kleinen Städtchen Kempten im Allgäu einer der besten Laufläden Deutschlands beheimatet ist. Aber diesen Ruf hat sich Laufsport Saukel über knapp 27 Jahre in der Branche erarbeitet. Hinter dem Erfolg steckt die Geschichte eines Mannes, der einmal um die Welt reisen musste, um zu erkennen, dass sein Glück so nah lag.

Sportverrückte im Allgäu

Als Joachim Saukel 1984 im Alter von 19 Jahren aus dem beschaulichen Würzburg ins noch beschaulichere Kempten kam, war das nicht seine Entscheidung, sondern die des Kreiswehrersatzamts. Während seines Wehrdiensts erkannte Joachim schnell, dass die Menschen dort im positiven Sinne sportverrückt sind: „Das Allgäu ist ein sportaffines Umfeld. Jeder ist draußen, jeder macht irgendwas: Ski fahren oder Skitouren im Winter, Gravel-Bike fahren oder Laufen im Sommer“, erzählt er. Und er machte selbst alles mit, am liebsten in der Kombination Schwimmen, Radfahren und Laufen – Triathlon also. Da er offensichtlich über Talent verfügte und zudem ungebunden war, entschied sich Joachim, nach Australien zu ziehen und das Training zu intensivieren. „Ich habe leistungssportorientiert gelebt, war aber weit davon entfernt, Profi zu sein. Das war eher eine Lebenseinstellung.“

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»In Australien habe ich von Menschen gelernt, die ihr Business aufgebaut hatten«

Ein Jahr lebte er in Melbourne, zwei weitere an der Gold Coast, wo die Profis trainierten. Mit der Erfüllung seines Lebenstraums, einen Ironman auf Hawaii zu finishen, beendete er seine sportliche Karriere. „Der Aufenthalt in Australien war ein Wendepunkt in meinem Leben. Ich habe von Menschen gelernt, die ihr Business aufgebaut hatten. Diese Erfahrung hat mir den Mut gegeben, in die Selbstständigkeit zu gehen“, erzählt Joachim.

Die Ladeneröffnung 1996

Zurück in der Heimat eröffnet er am 3. März 1996 ein kleines Fachgeschäft am Rande Kemptens. Der 75 Quadratmeter kleine Laden platzt schnell aus allen Nähten. Die gute Beratung spricht sich in der Region herum – potenziert durch die Effekte von Laufsportveranstaltungen wie dem Laufsporttag, den Saukel ins Leben ruft und der sich sofort zur größten Sportveranstaltung im Allgäu aufschwingt. „Irgendwann haben wir auch den Silvesterlauf mit seiner nunmehr 30-jährigen Geschichte übernommen, der sich mit 2.500 Teilnehmenden zu einem der größten in ganz Deutschland entwickelt hat.“

An Satelliten im Verkaufsraum können die Kunden in Ruhe beraten werden, zum Beispiel zu Laufuhren.
Stefan Durst
An Satelliten im Verkaufsraum können die Kunden in Ruhe beraten werden, zum Beispiel zu Laufuhren.

Mehr als ein normaler Laufladen

2001 zieht Laufsport Saukel in den Kemptener Ortskern, 2013 wird das Gebäude komplett saniert. Joachim kann den Laden endlich ganz nach seinen Vorstellungen gestalten: Er führt ein Gendersplitting im Umkleidebereich ein, damit sich Kundinnen bei der Anprobe ungestört fühlen. Mit einer Kaffeebar erhöht er die Verweildauer im Laden, Kinder können sich in einer Spielecke mit Büchern und Spielzeug beschäftigen, während Mama und Papa Laufschuhe anprobieren. Die Beratung zu Laufuhren und Schuhen findet an Satelliten statt, also an Stehtischen mit Vitrinen, und nicht im Kassenbereich, der rein dem Zahlvorgang dient, und auch nicht am Laufband, das nach der Videoanalyse gleich wieder für den nächsten Kunden freigegeben wird.

Durchdacht: Eine Leseecke für Kinder macht den Einkauf für Groß und Klein angenehm.
Stefan Durst
Durchdacht: Eine Leseecke für Kinder macht den Einkauf für Groß und Klein angenehm.

Laufanalyse und Lauflabor

Die Laufbandanalyse ist bei Saukel besonders gründlich: Aus zwei Perspektiven (von hinten und von der Seite) wird die Beinachse bis zur Hüfte aufgenommen und der Laufstil in Laufschuhen beobachtet. Zuvor schaut sich das Verkaufsteam bei einer dynamischen Messung auf einer Bodenplatte an, wie sich der Druck auf den Fuß barfüßig beim Abrollen verteilt. Auf Basis dieser und weiterer abgefragter Kenndaten treffen die Laufexperten eine kleine Schuhauswahl, die der Kunde vor dem Laden auf der Straße final prüft. „Darüber hinaus geben wir unseren Kunden einen Mehrwert, wenn wir ihnen sagen, sie mögen manche körperliche Auffälligkeit einmal mit ihrem Physiotherapeuten oder Orthopäden besprechen.“

Akribische Laufbandanalyse: Aus zwei Kameraperspektiven studiert Joachim den Laufstil und gibt Hinweise zur Optimierung.
Stefan Durst
Akribische Laufbandanalyse: Aus zwei Kameraperspektiven studiert Joachim den Laufstil und gibt Hinweise zur Optimierung.

Wer es noch genauer wissen will, kann sich im sogenannten Lauflabor vermessen lassen. Zum Beispiel mit Alina Reh, der amtierenden Deutschen Meisterin über die 10.000 Meter, macht der ausgebildete Bewegungsanalytiker regelmäßig Analysen ihres Laufstils, um noch mehr Potenzial zu bergen. Gerade die Norweger seien in diesem Bereich weiter als der deutsche Spitzensport, der das Thema stiefmütterlich behandele, sagt Joachim. Er macht wöchentlich drei dieser Untersuchungen, mehr sei zeitlich nicht zu schaffen.

Ein Rennrad, ein Ironman-Plakat und etliche Medaillen zeugen von sportlicher Expertise.
Stefan Durst
Ein Rennrad, ein Ironman-Plakat und etliche Medaillen zeugen von sportlicher Expertise.

Leidenschaft ist sein Antrieb

Auch wenn es ihm nicht anzusehen ist: Joachim ist 57 Jahre jung und brennt nach wie vor dafür, Laufveranstaltungen zu initiieren, dem Kunden die bestmögliche Beratung zu bieten und Herstellern konstruktives Feedback zur Optimierung ihrer Schuhe zu geben. „Auch heute habe ich keine 40-Stunden-Woche. Doch wenn du es mit Leidenschaft machst, empfindest du es nicht als Stress. Du kannst einen Job nur mit Leidenschaft gut machen.“

Irgendwann, das weiß er, muss er sich mit einer Nachfolge beschäftigen. Das ist nicht trivial, denn: „Noch ist die Person Joachim Saukel extrem wichtig für den Laden“, sagt er. Die Bekanntheit in der Bevölkerung hat auch mit seinem Engagement für Kempten zu tun: Er ist Vorstand im City-Management, das sich für eine lebendige Innenstadt einsetzt, und zudem in den Stadtrat gewählt worden. Sicher ist: Wer auf ihn folgt, findet große Fußspuren vor, die ihn oder sie aber nicht unbedingt ans andere Ende der Welt führen müssen. Denn auch Joachims Frau ist Allgäuerin.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 19.09.2023