Zum Laufen gehört Krafttraining! Spätestens ab 50

Wo es weh tut, muss Kraft hin
Mach Krafttraining! Allerspätestens ab 50

Veröffentlicht am 12.06.2025
Krafttraining
Foto: Getty Images

Laufen lernt man durch Laufen und überhaupt ist der Mensch zum Laufen geboren. Effektivster Sport. Beste Lösung. Lauf los! Aber: Mach auch Krafttraining. Allerspätestens ab dem 50. Geburtstag. Aller-aller-spätestens. Die Zeiten der Marathon-Tonnen sind vorbei, in denen die Silberrücken der Laufszene mit sehnigen Muskelbeinchen, aber einer stattlichen Plauze in viereinhalb Stunden den Frankfurt Marathon finishten, um beim Ziel-Bier stolz zu verkünden, dass sie noch nie im Leben Krafttraining oder Stretching gemacht haben, dafür heute aber zum 150. Mal einen Marathon zu Ende gelaufen sind. Da sieht man mal, was das Laufen alles kann. Sogar Ernährungssünden und die Abwesenheit von Krafttraining tolerieren.

Zaubermittel Myokine

Allen eingefleischten Läuferinnen und Läufern, die schon immer auf das Laufen und nur auf das Laufen schwören, gilt natürlich trotzdem unser Respekt für ihre Lebenslaufleistung. Damit aber genau diese Lebenslaufleistung am Ende für alle möglichst weit und damit gesundheits- und kraftspendend bis ins hohe Alter ist, müssen ab der Lebensmitte ein paar zusätzliche körpereigene Zaubermittel aktiviert werden. Ja, du hast richtig gelesen. Körpereigene Zaubermittel. So wie das Endocannabinoid-System in unseren Körper beim Laufrausch hilft oder die Superkompensation auf magische Weise das biochemische Gleichgewicht durch Systemverbesserung wiederherstellt, so verfügen wir über Botenstoffen, die entzündungshemmend wirken, den Stoffwechsel optimieren, das Herz-Kreislauf-System schützen, jung halten und das Immunsystem unterstützen. Myokine.

Erst 2007 von der Forschung entdeckt, werden diese hormonähnlichen Botenstoffen bei Muskelaktivität gebildet. Die Kontraktion eines Muskels setzt ein ganzes Feuerwerk an Stoffwechselvorgängen in Gang. Zunächst gilt festzuhalten, dass der menschliche Körper über drei verschiedene Arten von Muskulatur verfügt:

1

Das Herz

2

Die glatte Muskulatur um die Organe

3

Die Skelettmuskeln, die uns bewegen

Zwischen Ursprung und Ansatz eines Muskels sitzt der Muskelbauch, der aus vielen Muskelfasern besteht. In jedem Muskelfaserbündel finden sich Myofibrillen und in diesen Strukturen wiederum schieben sich bei jeder Kontraktion die Myofilamente so ineinander, dass Myokine freigesetzt werden. Übrigens: Energie wird im Muskel erst benötigt, wenn die Kontraktion sich wieder löst, also entspannt. Erhält der Muskel die energiereiche Phosphatverbindung Adenosintriphoshat, kurz ATP, kann er Arbeit verrichten. Ein Krampf im Muskel tritt also nicht selten bei Energiemangel auf. Krämpfe kennt unsere Marathon-Tonne mit den 150 gefinishten Marathons nicht. Die Waden und die Oberschenkel sind stramm anmutende Kraftwerke, in denen die Stoffwechselvorgänge über Jahre optimiert wurden. Nur leider unterliegt auch der dickbäuchige Marathonläufer den Trainingsprinzipien der Belastungssteigerung und der Variation. Seine fünf Marathons im Jahr schützen ihn nicht vor dem Alterungsprozess. Und dieser sieht vor allem eins vor: Muskelabbau.

Was nicht gebraucht wird, kommt weg

Muskeln werden aus Proteinen zusammengebaut und stellen ein sehr hochwertiges Gewebe dar. Der Körper leistet sich diesen teuren Stoff nur, wenn er ihn auch braucht. Marathon-Tonne macht nie Bauchmuskelübungen? Also weg mit den Bauchmuskeln. Das hat aber eventuell zur Folge, dass unser Dauerläufer bei seinem 151. Marathon plötzlich starke Rückenschmerzen bekommt. Durch die fehlende Rumpfmuskulatur verursacht das Iliosakralgelenk Schmerzen und muss nun in aufwändiger Physiotherapie behandelt werden. Die arme Marathon-Tonne dachte, seine Ausdauerleistung und die gut trainierten Beine reichen, um ihn ein Leben lang vor solchen Überlastungsschmerzen zu schützen, aber die neuen Alten wissen heute, dass man mit einem Sixpack und einer guten Halbmarathon-Zeit besser und vor allem gesünder alt wird als mit einem weiteren krummgelaufenen Marathon.

Um die positiven Effekte eines aktiven Muskels zu nutzen, sollte vor allem möglichst viel Muskelgewebe vorhanden sein. Viel kontrahierendes Muskelgewebe bedeutet auch viel Myokin, welches den Zellen so viel Gutes bringt. Also ist man besonders klug, wenn man vor allem die größten Muskelgruppen trainiert. Ein Reiz, viel Effekt. Bauch, Beine, Po. Da machen die Läufer schon ganz schön viel richtig, denn beim Laufen werden ein paar richtig große Muskelgruppen benötigt und damit durch Training am Leben gehalten: Die Wadenmuskeln sind beispielsweise ordentliche Gewebestücke, aber die Oberschenkelvorderseite, der Quadrizeps und die Oberschenkelrückseite, der Bizeps femoris, gehören zu den flächenmäßig größten Muskelgruppen des Körpers.

Getoppt werden diese Pakete nur von der Gluteus-Muskulatur, also den Gesäßmuskeln, die ebenfalls an der Laufbewegung beteiligt sind. Diese Muskeln durch das Laufen aktiv zu halten, sollte doch eigentlich eine ausreichende Myokin-Produktion gewährleisten und damit all die versprochenen Verjüngungs-Effekte in Gang setzen. Stimmt leider nur zur Hälfte.

Der Oberkörper weist nämlich auch eine Menge großer Muskelpartien auf. Deren Gewebe nicht durch Training aktiv und somit am Leben zu halten, bedeutet den Verzicht auf die halbe körpereigene Zauberkraft. Der flächenmäßig größte Muskel unseres Körpers prangt am Rücken. Der Musculus latissimus dorsi und der Musculus trapezius befinden sich mit ziemlich viel Gewebeanteil auf der Rückseite des Körpers. Auf der Vorderseite bietet die Brustmuskulatur mit dem Musculus pectoralis major und dem Musculus pectoralis minor noch mal zwei schöne Pakete zum Auftrainieren. Die Bauchmuskulatur setzt sich aus den verschiedenen Musculi abdominis zusammen und lohnt sich nicht nur für die Optik zu aktivieren.

Der Körperschwerpunkt, den es beim Laufen nach vorn zu bewegen gilt, liegt eine Hand breit unter dem Bauchnabel. Wer hier viel Kraft und Stabilität mitbringt, hat automatisch mehr Dynamik im Laufschritt und einen besseren Laufstil.

Gleichmäßig trainieren

Aber Vorsicht: Wer die Bauchmuskeln trainiert, muss auch die Rückenmuskeln trainieren. Die Muskulatur weist immer ein Zusammenspiel aus Protagonisten und Antagonisten auf. Ist die eine Seite angespannt, muss die andere Seite entspannen. Ist nur eine Seite angespannt und die andere Seite immer nur entspannt, führt das zu muskulären Dysbalancen und irgendwann zu Schmerzen beim Bewegen. So passiert es auch den fleißigen Läufern, die zwar seit dreißig Jahren einen Marathon nach dem anderen laufen, aber nie den Oberkörper trainieren. Die Beine werden immer stärker und die Rumpfmuskulatur immer schwächer. Wenn oberhalb der Gesäßmuskulatur das Kraft-Last-Verhältnis unverhältnismäßig abnimmt, hat das früher oder später negative Folgen. Ein dicker Bauch und fehlende Rumpfkraft sind oft die Hauptursache für Beschwerden und Schmerzen beim Laufen im Alter. Im ersten Moment will man nicht wahrhaben, dass die Achillessehne zwickt, weil keine Bauchmuskeln da sind, aber nach ein paar Wochen Sit-up-Challenge merkt man, wie der komplette Laufstil von einem Ganzkörperkrafttraining profitiert.

Bessere Körperhaltung und Schutz für den Bewegungsapparat

Ein starker und aktiver Muskel bringt nicht nur positive Stoffwechseleffekte mit sich, er verbessert die Körperhaltung und unterstützt den im Alter schwächer werdenden Bewegungsapparat. Die Knochendichte nimmt ab dem 40. Lebensjahr signifikant ab. Die Festigkeit von Sehnen und Bändern lässt nach und erste Verschleißerscheinungen an Knorpel und Gelenken können sich in Form beginnender Arthrose ab der Lebensmitte bereits bemerkbar machen. Bewegung hilft jeder der genannten Strukturen beim Erhalt, aber vor allem auf die Muskulatur ist unser direkter Einfluss am größten. Gibt das Gehirn den Befehl zur Kontraktion des Muskels, werden im Gewebe all die gewinnbringenden Funktionen in Gang gesetzt. Der Muskel leistet die geforderte Arbeit und baut anschließend unter korrekter Nährstoffzugabe neue Gewebestrukturen auf, die wiederum die Stoffwechselrate und damit den Grundumsatz erhöhen.

Der Muskel wächst, der Hunger auch. Je mehr aktives Muskelgewebe, desto höher die Stoffwechselrate und die Ausschüttung gesundheitsfördernder Enzyme, je niedriger aber auch die Verletzungsgefahr. Ein aktives Muskelkorsett vor allem im Bereich des Rumpfes hilft, einen für den Bewegungsapparat schonenden Laufstil ausüben zu können. Tut das Hüftgelenk beim Laufen weh, muss nicht selten mehr Muskulatur rund um den Hintern, um das Gelenk beim Laufen zu entlasten. Wo es weh tut, muss Kraft hin. Dauerbauerstelle Achillessehne? Kräftige die Waden, das Sprunggelenk und die Füße.

Wichtig: Beim Ausüben der Kraftübung darf die Schwachstelle nicht schmerzen. Tut sie nicht? Dann täglich ran an die Hausaufgaben. Denk an die Myokine, die nur bei der Kontraktion des Muskels ausgeschüttet werden, aber eine entzündungshemmende Wirkung mit sich bringen. Du schlägst mit dem Krafttraining also zwei Fliegen mit einer Klappe: Stärkung des Bewegungsapparates und Beseitigung des Entzündungsherdes. Wer zum Glück keine Entzündungsherde im Körper hat und doch das Krafttraining präventiv betreibt, sollte ebenfalls möglichst oft aktiv werden.

Fazit: Leg heute noch los!

Es gibt viele verschiedene Arten, um erfolgreich und am ganzen Körper Muskulatur aufzubauen und gegen den Alterungsprozess aktiv zu halten. Ob du im Fitness-Studio an Geräten arbeitest oder lieber die zeitsparende Methode von der Elektrostimulation, kurz EMS wählst, ob du in der Gruppe zweimal pro Woche Pilates machst oder jeden Morgen dein persönliches Badezimmer-Workout, das bleibt ganz dir und deinen Vorlieben überlassen. Wie sagte nur schon einst Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Dieser Text ist ein Auszug aus dem neuen Buch „Lauf los!“ der RUNNER’S-WORLD-Autorinnen Sonja von Opel und Irina Strohecker.

RUNNER'S WORLD: Lauf los!
Pietsch-Verlag