Wissenschaftler sind ständig bemüht, neue, wirkungsvollere Therapien zu entwickeln, um Athleten mit chronischen Schmerzen und Beschwerden zu helfen, ohne zur Operation schreiten zu müssen. „Die medizinische Entwicklung ist tatsächlich an einem faszinierenden Punkt angelangt“, sagt Joseph C. McGinley, Facharzt für Sport und Röntgenologie in Casper, Wyoming (USA). „Immer mehr Verletzungen, die früher eine Operation und eine längere Trainingsunterbrechung erforderlich machten, können wir heute minimal-invasiv behandeln.“ Ein Beispiel dafür ist die Nadeltherapie, bei der dünne Nadeln für Entspannung im Muskel sorgen.
Was ist das?
Die gängigste der hier beschriebenen Therapien ist die sogenannte Nadeltherapie. Sie wird in der Physiotherapie eingesetzt, und zwar dann, wenn tief in einem Muskel liegendes schmerzendes Gewebe erreicht werden soll. Dazu führt der Therapeut eine dünne Nadel, wie man sie in der Akupunktur verwendet, in Richtung der schmerzenden Stelle (Triggerpunkt) ein. Ist sie dort angekommen, führt dies zu einer Entspannung. Gleichzeitig werden bestimmte Neurochemikalien beseitigt, welche die Schmerzen verursachen. Scott Epsley, Direktor der Physiotherapie und klinischen Diagnostik des Basketballklubs Philadelphia 76er, erklärt diesen Vorgang folgendermaßen: „Die Nadelstiche bewirken, dass sich die Muskeln entspannen, der Blutfluss intensiviert wird und körpereigene Heilungsmechanismen aktiviert werden. Sobald die Nadel den Triggerpunkt verlässt, zieht sich der Muskel zusammen und funktioniert normal.“
Wann hilft es?
Scott Epsley behandelt mit dieser Methode Läufer mit dem sogenannten Schienbeinkantensyndrom (Shin Splints) sowie mit Schmerzen im unteren Rückenbereich, in Hüfte, Knie und im unteren Fersenbereich (Plantarfasziitis).
Wie wirksam ist es?
Immer mehr medizinische Publikationen dokumentieren die Wirksamkeit der Nadeltherapie bei Verletzungen im Bereich von Muskulatur und Sehnenansätzen.
Tut es weh?
Die Nadeln sind so fein, dass man den Einstich selbst kaum spürt. Erreicht die Nadel den Triggerpunkt, kann ein dumpfer Schmerz auftreten. Die Nadel bleibt 5 bis 15 Minuten am Triggerpunkt oder wird mehrmals herausgezogen und wieder eingeführt. Nach der Behandlung kann es ein oder zwei Tage lang zu leichten Schmerzen kommen, vergleichbar mit einem Muskelkater. Einzige Ausnahme: die Wadenmuskulatur. Geht es um eine Behandlung dieser Region, vor allem wenn ein Wettkampf unmittelbar bevorsteht, ist Epsley ein wenig zurückhaltend. „Die Nachbehandlungsschmerzen in der Wade dauern länger und können mehrere Tage anhalten.“
Wer bietet die Behandlung an?
In den USA wird die Nadelmethode von Physiotherapeuten in 25 Bundesstaaten angeboten. Ein paar von ihnen, darunter auch Epsley, bedienen sich des Ultraschalls, um die Nadel an die richtige Stelle zu bringen. So kann der Triggerpunkt besser lokalisiert und der Heilungserfolg optimiert werden. Als Physiotherapeut benötigt man eine Zusatzausbildung, um das Ultraschallverfahren anwenden zu dürfen; laut Epsley bemühen sich immer mehr Therapeuten darum. Wie die Situation in Deutschland ist, kann beim Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK) erfragt werden.
Wie läuft es ab?
Laut Epsley muss ein Läufer mit zwei bis sieben über ein paar Wochen verteilten Sitzungen rechnen. Falls die Beschwerden auch nach längerer Behandlung nicht verschwinden, liegt die Ursache möglicherweise nicht im Muskel-/Sehnenbereich. In diesem Fall muss eine Ermüdungsfraktur in Betracht gezogen werden.