Stell dir vor, du steckst mitten im Marathontraining und dein 30-Kilometer-Lauf fällt genau auf das Wochenende, an dem du mit der Familie im Urlaub bist. Um 9 Uhr steht eine Stadtführung an – also planst du, vorher 16 Kilometer zu laufen und die restlichen 14 später am Nachmittag im Hotel nachzuholen.
Oder du hast eine kleine Verletzung, die sich nach etwa 20 Kilometern bemerkbar macht. Du hörst also auf und willst die restlichen fünf Kilometer später am Tag nachholen, wenn du dich besser fühlst.
Ist es nicht im Grunde dasselbe, ob du deinen Long Run am Stück oder in zwei Etappen läufst – Hauptsache, die Kilometer stimmen? Ganz so einfach ist es nicht.
„Der Sinn eines langes Laufs ist es, deinen Körper daran zu gewöhnen, über Stunden in Bewegung zu sein – das ist eine Anpassung, die trainiert werden muss“, erklärt Kara Dudley, zertifizierte Lauftrainerin (RRCA) und Gründerin von Rerouted Running. Die gute Nachricht: Es ist absolut okay, während eines Long Runs mal ein paar Minuten zu gehen. Aber: Wer den Lauf über den Tag verteilt, nimmt sich genau diesen Trainingseffekt.
Auch Meg Takacs, zertifizierte Lauftrainerin (UESCA) und Gründerin der App Movement and Miles, betont, wie wichtig es ist, den Long Jog in einem Stück durchzuziehen. „Es ist ein komplett anderer Reiz für den Körper, ob du die 30 Kilometer am Stück oder stattdessen doppelt laufen gehst“, sagt sie. „Beim Marathontraining geht es weniger um Tempo oder Distanz, sondern vielmehr um die Zeit, die du auf den Beinen bist – und darum, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr unter realistischen Bedingungen zu üben.“
Lange Läufe zeigen auch Schwachstellen auf – etwa Probleme mit dem IT-Band, die erst nach zwei Stunden auftreten. Solche Dinge würden dir bei zwei kürzeren Einheiten vielleicht gar nicht auffallen, sagt Takacs. „So lernst du, was dein Körper am Renntag wirklich leisten kann – oder eben nicht.“
Hinzu kommt: Deine Muskeln können zwischen zwei Läufen verspannen, was dein Verletzungsrisiko beim zweiten Teil erhöht, warnt Dudley.
Heißt das also: Niemals aufteilen? Nicht ganz. Manchmal braucht es kreative Lösungen – und dafür haben uns Dudley und Takacs ein paar Vorschläge gegeben:
4 Strategien für deinen langen Lauf, wenn die klassische Variante mal nicht drin ist
Für Anfänger: Laufe nach Zeit, nicht nach Kilometern
Dudley ist überzeugt, dass drei Stunden auf den Beinen für viele Marathonläuferinnen und -läufer völlig ausreichen – und oft sinnvoller sind als 28 oder 32 Kilometer, die womöglich länger dauern würden. Denn nach den drei Stunden steigt das Verletzungsrisiko deutlich an.
Eine ihrer Athletinnen hat den New York Marathon gefinisht, obwohl sie nie weiter als 21 Kilometer im Training gelaufen ist – dafür aber mehrere Läufe mit drei Stunden Dauer absolviert hat.
Bei vollen Wochen: Tausche deine Einheiten
„Viele Marathonpläne steigern sich klassisch: 27, dann 29, dann 31, dann 32 Kilometer“, sagt Dudley. „Aber das muss nicht so sein.“
Wenn du viel reist oder wenig Zeit hast, kannst du deine Schlüsselwochen flexibel planen. Vielleicht sieht das eher so aus: 29 Kilometer, dann 16, dann 19, dann 32. Die klassische Steigerung ist nicht zwingend notwendig.
Auch Takacs betont: Du kannst deinen langen Lauf auch innerhalb der Woche verschieben. Niemand schreibt dir vor, dass der lange Lauf am Wochenende stattfinden muss. Wenn du unter der Woche mehr Zeit hast, tausch die Einheiten – achte nur darauf, dass du danach nicht gleich einen Tempolauf machst, sondern lieber eine lockere Einheit oder einen Ruhetag einplanst.
Und wenn du deinen Long Run ausnahmsweise wirklich nicht komplett schaffst: Lauf einfach so weit, wie es geht – und lass es gut sein. Besser als krampfhafte Zusatzkilometer, die am Ende nur „Schrottkilometer“ sind. Und denk dran: Ein verpasster Long Run bringt deinen Trainingsplan nicht ins Wanken.
Wenn du Schmerzen hast: Beende den Longrun auf dem Rad
Natürlich gilt: Wenn du Schmerzen oder eine Verletzung hast, geh zuerst zum Arzt oder zur Physiotherapeutin. Aber falls du das „Go“ bekommst und das Problem nur gelegentlich auftritt, hat Dudley einen Tipp: Lauf so weit du kannst – und steig dann aufs Rad, um die restliche Zeit auszugleichen.
Beispiel: Du läufst im Schnitt 6:15 min/km und solltest 30 Kilometer laufen. Nach 21 Kilometern merkst du Schmerzen – das wären etwa 130 Minuten. Also steigst du danach für die restlichen 55 Minuten aufs Rad. So bleibt der aerobe Trainingsreiz erhalten, ohne dass du deinem Körper schadest.
Diese Strategie kann auch sinnvoll sein, wenn du verletzungsanfällig bist oder dich von einer Knochenverletzung zurückkämpfst.
Chronisch verletzt oder immer zu wenig Zeit? Überdenke dein Ziel!
Wichtig: Es ist ein Unterschied, ob du gerade eine Pause einlegen musst – oder ob dein Körper generell nicht für Marathontraining gemacht ist. In solchen Fällen solltest du dein Ziel überdenken, rät Takacs. „Wenn dein Körper mit den langen Läufen nicht klarkommt, dann ist ein Marathon vielleicht gerade nicht das Richtige.“
Hol dir gegebenenfalls Hilfe von einer Physiotherapeutin, mach eine Trainingspause – und starte in der nächsten Saison mit einem neuen Versuch.
Das gilt übrigens auch, wenn du dauerhaft keine Zeit fürs Marathontraining findest. Wenn du jede Woche deine Long Jogs aufteilen musst, ist es vielleicht gerade einfach nicht der richtige Moment für ein Marathonvorhaben. Punkt.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Natürlich gibt’s auch hier Ausnahmen. Takacs sagt: „Wenn du deine langen Läufe regelmäßig aufteilst und stattdessen doppelt läufst und trotzdem verletzungsfrei und zufrieden ins Ziel kommst – super! Dann funktioniert das offenbar für dich.“
Dudley ergänzt, dass sie bei sehr erfahrenen Läuferinnen und Läufern auch mal gezielt geteilte Long Runs einsetzen kann – etwa wenn jemand für einen Ultralauf oder ein Staffelevent trainiert. „In so einem Fall macht es Sinn, die Müdigkeit durch aufeinanderfolgende Läufe zu simulieren.“
Übrigens: Wenn du andere lockere Einheiten in der Woche teilst – etwa statt acht Kilometern am Stück lieber zweimal vier – ist das meistens kein Problem. Solange du insgesamt auf dein Wochenpensum kommst, bringt das keine großen Nachteile. Wichtig ist nur, dass du den langen Wochenendlauf in der Regel als Ganzes absolvierst – denn der trainiert genau das, was du später im Marathonrennen brauchen wirst: ausdauernd sehr lange am Stück zu laufen.