Viel Ausdauer, Berg-Affinität und normalerweise auch sechs Tage Zeit braucht es, um den mit spektakulären Aussichten gespickten Berliner Höhenweg, der durch das Herz des Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen führt, zu gehen. Die ganze Strecke des Weitwanderweges – also 90 Kilometer und 7.000 Höhenmeter – in unter 24 Stunden?
Was sich für Normalsterbliche unerreichbar anhört, hat der Zillertaler Bergläufer Markus Kröll bereits 2012 geschafft. Er legte den FKT (Fastest Known Time, also die schnellste bekannte Zeit) Grundstein am Berliner Höhenweg mit einer Zeit von 23 Stunden und 45 Minuten. Aktuell hat hier der Italiener Daniel Jung mit 18 Stunden und 11 Minuten die Nase vorn. Aber eine FKT der Frauen gab es bisher nicht. Kristin Berglund hat das nun nachgeholt und mit einer Zeit von 23 Stunden und 57 Minuten die erste Rekordmarke gesetzt.
Von Schweden nach Tirol
„Dass ich nun bereits fast die Hälfte meines Lebens hier in Tirol bin, habe ich als Anlass genommen, mich dieser Challenge zu stellen und als erste Frau die FKT am Berliner Höhenweg in Angriff zu nehmen. Und eines weiß ich nun: Ich war noch nie so glücklich, einen Lauf gefinished zu haben“, so Kristin Berglund. Aus Liebe zu den Bergen ist die Schwedin nach Tirol gezogen – und das, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Bevor sie Physiotherapeutin wurde, hat sie auf Berghütten gearbeitet und so direkt ‚Tirolerisch‘ gelernt. Die 36-jährige kann schon auf eine Vielzahl an Trailrunning-Erfolgen zurückblicken – darunter auch der zweimalige Sieg des Großglockner Ultratrails.

Berglund: „Meine schlimmste Befürchtung trat ein“
„Die fast 24 Stunden hatten es wirklich in sich“, erzählt Berglund. „Als uns die ersten Sonnenstrahlen erreichten, waren wir schon bei der Olperer Hütte, das war wirklich traumhaft. Bei der Lappenscharte gab es sogar Schneefelder, über die wir gerutscht sind. Am späteren Nachmittag traf allerdings meine schlimmste Befürchtung ein: Uns erreichte eine Schlechtwetterfront genau bei einer der schwierigsten Stellen, dem technischen und sehr langen Siebenschneide-Weg. Ich kannte ihn nur von Erzählungen bei Schlechtwetter, doch wir hatten keine Möglichkeit mehr, den Lauf abzubrechen. Also hieß es für uns: Hinein in die kalte Dunkelheit und über das Plattenmeer. Nach unendlich langen fünf Stunden durch Regen und Sturm erreichten wir endlich die Karl-Edel-Hütte, von wo aus es direkt ins Tal ging.“

Start und Ziel der Runde war das Europahaus in Mayrhofen. Begleitet wurde Berglund auf Teilstrecken von Teamkollegen und Freunden. Daher sagt die schwedische Läuferin: „Ohne mein Team wäre es nicht möglich gewesen, das Ziel zu erreichen!“ Auf der gesamten Strecke gehört Lokalmatador Markus Kröll zu diesem Team. Er berichtet: „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ab einem gewissen Punkt ist, dass man begleitet und motiviert wird. Nach 20 Stunden auf den Beinen ist man einfach in einer sehr schwierigen Phase – Schlechtwetter kommt hier noch erschwerend hinzu und außerdem ist es dann schade, wenn die wunderbaren Rundumblicke in die Zillertaler Bergwelt verwehrt bleiben. Da muss man sich durchbeißen. Für mich ist damals ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Es war ein großartiges Gefühl, nun Kristin auf ihrem Weg zu begleiten.“
Das Zillertal umfasst sämtliche prägenden Höhenstufen der Alpen – von der landwirtschaftlich genutzten Talsohle hinauf bis zur Waldgrenze in den Almbereich und weiter in die Region der Gletscher. So finden sich dort zahlreiche Trailrunning-Strecken mit Aussichtspunkten und leichten bis anspruchsvollen Streckenabschnitten.