Der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) ist einer der berühmtesten Ultra-Trail-Rennen der Welt. Die weltbesten Athleten ermitteln auf der rund 170 Kilometer langen Strecke rund um das Mont-Blanc-Massiv Jahr für Jahr den inoffiziellen Weltmeister ihrer Sportart. Im vergangenen Jahr setzte sich Pau Capell gegen 2.299 Kontrahenten durch und gewann das Rennen mit einem neuen Streckenrekord: 20:19:07 Stunden. Dieses Jahr möchte der Spanier seinen eigenen Rekord brechen und die 171 Kilometer mit mehr als 10.000 Höhenmetern in unter 20 Stunden laufen. Die größte Herausforderung? Nicht die Distanz. Nicht der Höhenunterschied. Sondern der Alleingang – ohne Zuschauer, Verpflegungsstationen und Wettläufe mit anderen. Wir haben ihn vor seinem Rekordversuch, den er am Donnerstag, 27. August um 12 Uhr, startet, interviewt.
Der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) ist wie viele andere Rennen abgesagt. Dennoch versuchst du dich am Streckenrekord (20:19:07 Stunden). Was treibt dich an?
Nachdem ich bereits im vergangenen Jahr meinen ersten Sieg beim UTMB holen konnte, wollte ich auch in 2020 gewinnen und hatte dabei auch den Streckenrekord im Blick. Um mich in der Extremsituation, die dieses Jahr auch aus sportlicher Sicht darstellt, trotzdem zu motivieren, habe ich entschieden, an meinem Plan festzuhalten und den Streckenrekord anzugreifen, auch wenn das Rennen nicht stattfinden.

Du wirst dich buchstäblich mit dir selbst messen, denn im vergangenen Jahr hast du das Rennen nicht nur gewonnen, sondern auch den Streckenrekord (20:19:07 Stunden) aufgestellt, den du jetzt verbessern möchtest. Wieso glaubst du, dass du in diesem Jahr ohne Konkurrenten, Zuschauer, Verpflegungsstellen, eben allem, was zu einem Rennen gehört, noch schneller sein kannst?
Ich möchte nicht nur meine Zeit aus dem Vorjahr schlagen, sondern auch die 20-Stunden-Marke. Ich weiß, dass das sehr schwierig wird und viel passieren kann. Aber so ist das Leben. Meine Träume sind mein Antrieb. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich ohne Konkurrenz schneller laufen kann. Normalerweise motiviert es mich schon, mit anderen und gegen andere zu laufen. Alleine zu laufen wird definitiv ein Nachteil sein. Ich gehe davon aus, dass es schwerer wird als das Rennen im letzten Jahr. Allein schon, weil die Streckenmarkierungen fehlen werden. Nichtsdestotrotz werde ich darum kämpfen, den Rekord zu brechen.
Wie wirst du das Projekt angehen?
Ich werde ganz alleine laufen, ohne Pacer, und mich an den Zwischenzeiten aus dem vergangenen Jahr orientieren. Da war ich nur 19 Minuten über der 20-Stunden-Marke. Ich muss also gerade mal eine Minute in jeder Stunde herausholen, um mein Ziel zu erreichen. Das ist meine Strategie.
Aber du wirst doch sicherlich Unterstützung haben.
Ja, meine Familie wird dabei sein. Und noch einige Freunde. Insgesamt werden mich rund 20 Leute auf dem Weg um das Mont-Blanc-Massiv unterstützen und motivieren. Der Support ist vielleicht sogar besser als bei einem normalen Rennen – daran wird mein Projekt jedenfalls nicht scheitern.

Was ist das Schwierigste bei einem so langen Lauf?
Es wird wohl das alleine Laufen sein. Wenn man so viele Stunden und Kilometer läuft, wird man müde, erlebt zwangsläufig Hochs und Tiefs. Egal, was unterwegs passiert, ich muss damit alleine klarkommen – zumindest zwischen den Checkpoint. Ansonsten weiß ich, dass ich auf die Unterstützung meiner Familie zählen kann und, dass sie mich aufbauen, wenn es mal nicht gut läuft.
Normalerweise gleicht Chamonix, wo Start und Ziel des Rennens sind, in den Tagen des UTMB einem Volksfest. Tausende Zuschauer, Läufer und Presservertreter sind vor Ort. Wird dir das Fehlen?
Ein Rennen ist ein Rennen. Und ich mag Rennen, gerade den UTMB. Ich genieße es, gegen andere anzutreten. In diesem Fall dreht es sich aber nur um mein Projekt. Das wird super.
Aber stell dir vor, du erreichst das Ziel in Chamonix in unter 20 Stunden. Würde es dir nicht besser gefallen, von tausenden Zuschauern auf den letzten Metern gefeiert zu werden?
Ich laufe nicht, um im Ziel bejubelt zu werden. Ich laufe, weil ich das Laufen und den Wettkampf liebe. Ich möchte jede Herausforderung so gut meistern, wie es mir möglich ist. Darum laufe ich. Natürlich ist die Atmosphäre gerade beim UTMB fantastisch, aber wie gesagt, wird meine Familie dort sein. Und mit ihnen wird der Zieleinlauf sicherlich auch ganz besonders – wenn ich es schaffe.
Die besten Athleten der Welt treten beim UTMB an. Das Rennen gilt als inoffizielle Weltmeisterschaft der Szene. Hätte ein Streckenrekord den gleichen Stellenwert wie ein Sieg?
Das hängt davon ab. Wie gesagt, ein Rennen ist ein Rennen. Da gehören andere Athleten, mit denen man sich misst, eigentlich dazu. Ich freue mich schon wieder sehr darauf, bald gegen andere anzutreten. Rennen haben für mich grundsätzlich einen höheren Stellenwert als Rekorde, aber in diesen verrückten Zeiten werde ich den Rekord, falls ich ihn aufstelle, feiern wie einen Sieg.
Auf www.thenorthface.de soll es die Möglichkeit geben, Paus Rekordversuch verfolgen zu können. Auch unter seinem Instagram-Profil (@paucapell) wird es Updates geben.