Leserin Petra aus Dortmund schrieb mir: „Ich werde und werde nicht schneller!“ Immerhin kann sie 10 Kilometer in gut 57 Minuten laufen und hat auch schon einen Halbmarathon in knapp 2:30 Stunden geschafft. „Aber seit einiger Zeit geht es nicht mehr voran“, klagte sie und beschrieb mir eine beispielhafte Trainingswoche. Erstaunt las ich: Montag 15 Kilometer Intervall, Dienstag 8 Kilometer langsamer Dauerlauf, Mittwoch 9 Kilometer langsamer Dauerlauf, Donnerstag 10 Kilometer Fahrtspiel, Freitag 8 Kilometer Intervall, Samstag Ruhetag, Sonntag 18 bis 25 Kilometer langsamer Dauerlauf. Das waren sage und schreibe sechs Laufeinheiten mit über 70 Wochenkilometern. An drei von sechs Tagen standen Tempobelastungen auf dem Programm. Kein Wunder, dass bei Petra nichts mehr ging: Was zu viel ist, ist zu viel!
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Das individuell verträgliche Belastungsmaß beachten
Es ist zwar bewiesen, dass körperliche Aktivität gut für die allgemeine Gesundheit ist, und im Allgemeinen gilt dabei: je mehr, desto besser. Aber wenn das individuell verträgliche Belastungsmaß überschritten wird, kommt es nicht zu einem Leistungsfortschritt, sondern zur Stagnation oder gar zu Rückschritten. Der Trainingsumfang von Petra entsprach dem einer Läuferin, die 10 Kilometer in deutlich unter 40 Minuten laufen kann. Die Belastung war also schlicht zu hoch für sie. So konnten sich gar keine Leistungsfortschritte einstellen.
Die meisten Läuferinnen und Läufer glauben, je mehr Kilometer sie laufen, desto „besser“ müssten sie werden. Aber das stimmt nicht. Für den Umfang und die Zusammensetzung des Trainings gibt es ein optimales Maß und eine ideale Mischung. Alles, was darüber hinausgeht, bringt nichts, sondern schadet eher.
Nun ist es nicht leicht, für jedes individuelle Leistungsvermögen den idealen wöchentlichen Laufumfang festzulegen, aber ich will es in der folgenden Tabelle dennoch versuchen. Was man dabei berücksichtigen muss, sind die läuferische Veranlagung und die individuelle Belastungsverträglichkeit. Es ist nun mal so: Laufen kann zwar jeder, aber manche brauchen für gute Leistungen nur sehr wenig zu trainieren, andere müssen dafür hart arbeiten.
Aktuelle 10-km-Bestzeit | Anzahl der Laufeinheiten pro Woche | Wöchentlicher Trainingsumfang in Stunden | Wöchentlicher Trainingsumfang in Kilometern |
70 Minuten | 2 bis 3 | 1:00 bis 1:30 Stunden | 8 bis 13 Kilometer |
65 Minuten | 3 | 1:30 bis 2:00 Stunden | 12 bis 18 Kilometer |
60 Minuten | 3 | 2:00 bis 2:40 Stunden | 17 bis 25 Kilometer |
55 Minuten | 3 bis 4 | 2:20 bis 2:50 Stunden | 20 bis 27 Kilometer |
50 Minuten | 4 | 2:50 bis 3:50 Stunden | 26 bis 40 Kilometer |
45 Minuten | 4 bis 5 | 3:20 bis 4:10 Stunden | 33 bis 46 Kilometer |
40 Minuten | 5 | 4:00 bis 5:00 Stunden | 43 bis 60 Kilometer |
37:30 Minuten | 5 bis 6 | 4:00 bis 5:30 Stunden | 46 bis 69 Kilometer |
35 Minuten | 6 | 5:00 bis 6:30 Stunden | 78 bis 86 Kilometer |
Das richtige Maß im Training zu finden fällt vielen Läufern und Läuferinnen schwer. Manche laufen zu wenig, um je nennenswerte Fortschritte zu erzielen, sehr viele aber laufen tendenziell oder sogar deutlich zu viel. Das Problem daran: Dem Körper fehlt dann die Zeit, um die durch das Laufen entleerten Energiespeicher wieder aufzufüllen und belastete Muskeln, Sehnen und Gelenke voll zu regenerieren.
Der entscheidende Faktor ist die Fähigkeit des Körpers, sich an Belastungen anzupassen. Der Clou dabei: Im Zuge der Regeneration wird die Leistungsfähigkeit nicht nur wiederhergestellt, sondern sogar eine Art Reserve für den „Notfall“ eingerichtet, die über das Ausgangsniveau hinausgeht. In der Trainingslehre nennt man dieses Phänomen Superkompensation. Die Anpassungsprozesse im Körper ziehen sich jedoch über eine gewisse Zeit hin, meist über mehrere Tage. Wenn man schon vorher weitertrainiert, strapaziert man die belasteten Körperstrukturen unnötig und verschenkt einen Teil des möglichen Trainingseffekts.
Ernähren Sie sich möglichst ausgewogen
Nicht nur Training und Regeneration gehen Hand in Hand, sondern auch die Ernährung trägt zum Trainingsfortschritt bei. Dabei dürfen Sie den Körper nicht unterversorgen, ihn aber auf der anderen Seite auch nicht überproportional zu den verbrannten Kalorien zu belasten, was sich in Fettpölsterchen ansetzen oder die Verdauung beeinträchtigen kann.
Wenn Sie nach Inspiration für Rezepte suchen oder gerne einen individuell auf Sie abgestimmten Ernährungsplan hätten, der Sie mit allen wichtigen Nährstoffen und Vitaminen versorgt und Sie in Ihrem Trainingsfortschritt weiterbringt, dann könnte unser RUNNER'S WORLD Ernährungscoaching etwas für Sie sein.
Nutzen Sie den Effekt der Superkompensation im Trainingsaufbau
Bei einer Läuferin mit dem Leistungsvermögen von Petra beträgt die Dauer der Regenerationsphase etwa 48 Stunden. Das bedeutet, dass sie eigentlich nur jeden zweiten Tag laufen sollte, um den Effekt der Superkompensation richtig zu nutzen. Auf keinen Fall sinnvoll sind für Läufer ihrer Leistungsstufe zwei intensive Laufbelastungen an aufeinanderfolgenden Tagen.
Ein klug geplantes Training setzt den nächsten Trainingsreiz genau dann, wenn die Regeneration vom letzten gerade abgeschlossen ist. So wird im Idealfall erreicht, dass die gleichen Anpassungsvorgänge beim nächsten Mal von einem höheren Niveau aus erfolgen, mit der Folge, dass sich das Leistungsvermögen immer weiter steigert. Der entscheidende Punkt in der Trainingsgestaltung ist also, den Wechsel zwischen Belastung und Erholung sowie zwischen den verschiedenen Belastungsarten so zu gestalten, dass eine anhaltende, kontinuierliche Leistungsentwicklung eintritt.
Sind Sie im Übertraining? Der Herzfrequenz-Test
Legen Sie sich zehn Minuten entspannt hin. Stehen Sie anschließend langsam auf, und warten Sie exakt zwölf Sekunden, bevor Sie Ihren Puls sechs Sekunden lang messen. Notieren Sie die Pulszahl.
Messen Sie exakt 90 Sekunden, nachdem Sie aufgestanden sind, noch einmal Ihren Puls, diesmal 30 Sekunden lang. Notieren Sie sich wieder die Zahl der Schläge.
Multiplizieren Sie nun die erste Zahl mit zehn und die zweite mit zwei, dann erhalten Sie jeweils einen Wert, der die Herzfrequenz pro Minute angibt.
Machen Sie diesen Test täglich zur gleichen Zeit. Sind Sie übertrainiert, können Sie über einen längeren Zeitraum einen Anstieg der Herzfrequenz im Test beobachten. Bleibt die Herzfrequenz gleich oder sinkt sie, besteht kein Anlass, das Training zu verändern.
Einen ausführlichen Selbsttest zum Übertraining gibt es auch als RUNNER’S-WORLD-Tool. Nutzen Sie ihn alle paar Wochen bis Monate, um zu checken, dass Sie noch das richtige Maß halten:
5 Tipps, die richtige Balance zu halten
- Wenn Ihr Trainingsprogramm dazu führt, dass Sie sich müde fühlen und launisch sind, bauen Sie einen zusätzlichen Ruhetag in Ihr Wochenprogramm ein.
- Um auf Nummer sicher zu gehen, bauen Sie mindestens eine Erholungswoche pro Monat ein. In einer solchen Woche sollten Sie lediglich 30 bis 40 Prozent des gewohnten Wochenumfangs trainieren.
- Achten Sie darauf, dass Sie Ihr Trainingsprogramm nicht zu einem Zeitpunkt intensivieren oder erhöhen, wenn Sie unter Stress stehen.
- Wenn Sie morgens aufwachen, die Muskeln schmerzen und der Ruhepuls höher ist als normal (gemessen direkt nach dem Erwachen), lassen Sie das Training ausfallen, und laufen Sie an den folgenden Tagen nur leicht.
- Vermeiden Sie einen typischen Fehler, den immer noch zu viele Läuferinnen und Läufer machen: Zwingen Sie sich auf keinen Fall zu härterem Training, wenn Sie gerade ein Training (oder einen Wettkampf) hinter sich haben, mit dem Sie nicht zufrieden waren. Wenn Sie sich im Training müde und schlapp fühlen und Ihre Wettkampfergebnisse schlechter werden, vermeiden Sie es tunlichst, den Kilometerumfang und die Intensität des Trainings zu steigern. Ruhen Sie sich ein paar Tage aus, und steigen Sie körperlich und geistig ausgeruht wieder ins Training ein.