Sind wir ehrlich: Den Halbmarathon unter zwei Stunden, der „magischen Grenze“, zu laufen ist das heimliche Ziel von mir. Meine Ausgangsbedingungen dafür sind aber nur so mittel: Diesjährige 10-Kilometer-Bestzeit liegt bei 57 Minuten (gut, war auch nicht auf der Straße, sondern bei einem Wald- und Wiesen-Volkslauf), die Halbmarathon-Bestzeit bei 2:14 Stunden (gut, der Hella Hamburg Halbmarathon dieses Jahr war auch mein erster echter Halbmarathon). Von einer 6:20er Halbmarathon-Pace auf ein 5:40er Tempo wäre schon eine ambitionierte Steigerung. Woher weiß man, ob das möglich ist?
Warum überhaupt eine Zielzeit festlegen?
Wer gerade vor seinem ersten Wettkampf überhaupt steht oder eine Premiere über die Halbmarathon- oder Marathondistanz plant, braucht sich tatsächlich nicht unbedingt Gedanken um das zeitliche Ziel zu machen. Habe ich in Hamburg auch nicht. Da war eher die Mentalität angesagt: Wäre cool, wenn‘s schnell wird, aber Hauptsache ankommen.
Wenn man dann die ersten Erfahrungen gesammelt hat, macht man sich automatisch Gedanken um die nächsten Zeiten. Zurecht, denn im Vorfeld eine Zielzeit festzulegen hilft bei der sinnvollen Trainingssteuerung:
- Ziel. Man hat ein klares Ziel vor Augen, auf das man hinarbeiten kann. Das vergrößert die mentale Fokussierung.
- Pace. Wenn man weiß, wann man ankommen will, weiß man auch wie schnell man durchschnittlich laufen muss. Die Zielzeit bestimmt also die Wettkampf-Pace.
- Taktik. Ein festgelegtes Ziel verhindert so auch eine ungünstige Renneinteilung, bei der man zu schnell losläuft.
Wie kommt man nun zur Zielzeit?
Am einfachsten über die bisher auf den Unterdistanzen gelaufenen Ergebnisse. Im RUNNER'S-WORLD-Wettkampfzeit-Rechner kann man sich sein Potential einfach ausrechnen lassen. Mit meiner 10-Kilometer-Zeit von 57 Minuten kommt da eine Halbmarathon-Bestzeit von 2:06 Stunden raus. Noch ernüchternder ist die weitverbreitete Riegelsche Formel: Hier multipliziert man seine 10-Kilometer-Zeit mit dem Faktor 2,223. Ergibt bei mir 2:11 Stunden. So wird das also schon mal eher nichts.
„Sich eine Wunschzeit in den Kopf setzen und loslegen“
Entmutigen lassen muss man sich davon aber nicht, sagt Coach Christian. „Es kann durchaus sinnvoll sein, sich früh in der Vorbereitung eine Wunschzeit in den Kopf zu setzen, von der man nicht weiß, ob sie am Ende wirklich machbar ist.“ Im Verlauf der Grundlagenphase im Training überprüft man dann immer wieder: Greifen die Trainingsmethoden so, dass man das Gefühl hat, der Zeit näher zu kommen? Verifiziert sich die Zeit in Testläufen unter Wettkampfbedingungen? Kommt man mit Umfang und Intensität zurecht? Nach unten korrigieren kann man dann gegebenenfalls immer noch. Aus diesem Grund werde ich am Wochenende einen Testlauf unter (entspannten) Wettkampfbedingungen beim Women's Run in Köln machen.
Der Pace-Test
Wem dieses Herantasten zu unkonkret ist: Runner's-World-Chefredakteur und Trainingsexperte Martin Grüning kennt einen Test, mit dem man recht zuverlässig herausfinden kann, ob die Wunschzeit realistisch ist.
Wer am Anfang der Trainingsphase die Hälfte der Wettkampfdistanz in der Zielpace schafft, der schafft nach 10-12 Wochen Training auch die gesamte Distanz in der Wunschzeit.
"Das ist ein härterer Trainingslauf, den man zu Beginn der Vorbereitung absolvieren kann", sagt Martin. Wenn ich in meinem Fall nun 10 Kilometer in 5:40er Pace schafft, stehen die Chancen gut, dass ich am Wettkampftag im Oktober auch den Halbmarathon in diesem Tempo über die Runden bringe.
Fazit: Pace testen und Erfolge im Training beobachten
Einerseits ist die Festlegung der Zielzeit also eher als längerer Prozess im Training zu verstehen. Das eigene Ziel wird dabei immer wieder verifiziert und gegebenenfalls angepasst. Andererseits lässt sich aber auch frühzeitig schon die Zielpace in einem Trainingslauf testen. Für die Praxis heißt das also: Ruhig einen Trainingsplan mit ambitionierter Zielzeit auswählen. Ob das dann realistisch oder zu ambitioniert ist, zeigt sich erst im Training.
Ich trainiere mit dem Runner’s Guide von foodspring, die auch meine Reise nach New York ermöglichen. Auf den Inhalt dieses Blogs nimmt foodspring aber keinen Einfluss.