Tabuthemen
Ihre peinlichsten Fragen

Was tun, wenn Beschwerden beim Laufen die letzten Tabuzonen des Läuferkörpers betreffen? Wir beantworten Ihre Fragen.
Ihre peinlichsten Fragen
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Als Läufer hat man hin und wieder mit beschämenden Ausfallerscheinungen seines Körpers zu kämpfen. Peinliche Fragen zum eigenen körperlichen Leid vertraut man dann oftmals nur dem engsten Laufkameraden an. Doch dieser hat meistens auch keine Ahnung, wie man am besten gegen, sagen wir, Fußpilz vorgeht. Wir haben intime, aber dennoch alltägliche Probleme für Sie von unseren medizinischen Experten lösen lassen.

Bauchkrämpfe und Durchfall?

Schuld daran könnte die Laufbewegung sein, da diese die Gedärme reizt. Und wenn der Blutfluss, der eigentlich für die Verdauung gebraucht wird, zu den Beinen umgeleitet wird, kann es passieren, dass sich die Muskeln in den Verdauungsorganen und die Bauchmuskeln krampfhaft zusammenziehen. Der Facharzt für Magen-Darm-Krankheiten und passionierte Marathonläufer David Bjorkman empfiehlt, zwei Stunden vor einem Lauf nichts mehr zu essen. Auch mit Kaffee sollten Sie vorsichtig sein, denn Koffein beschleunigt den Stoffwechsel und kurbelt die Verdauung an. Ebenso sollten Sie auf Ballaststoffbomben vor einem Rennen besser verzichten. „Langfristig aber können Ballaststoffe die Verdauung und den Zuckerstoffwechsel normalisieren“, so Bjorkman. „Sie lassen Ihren Körper wie ein Uhrwerk arbeiten, so dass Sie beruhigt laufen können.“ Haben Sie dennoch Probleme, dann sollten Sie vor einem Lauf rezeptfreie Antidiarrhoika einnehmen.

Bindehautentzündung?

Wenn das Auge rot ist, tränt, juckt oder brennt, rät Allgemein- und Sportmediziner Michael Karsch aus Osnabrück allen Betroffenen den Gang zum Arzt. Oft sprächen die Symptome für eine Konjunktivitis – eine Entzündung der Bindehaut, der man mit Augentropfen oder -salben in drei bis fünf Tagen den Garaus machen könne. Laut Karsch soll man in der akuten Phase besser nicht laufen: Zum einen bestehe bei der ansteckenden Form die Gefahr, auch andere Läufer zu infizieren, zum anderen könne Wind die Beschwerden verschlimmern. „Wer dennoch trainieren möchte, trägt am besten eine Sonnenbrille, um das gereizte Auge abzuschirmen“, rät der Mediziner.

Blasenschwäche?

Harninkontinenz ist ein Problem, das vor allem Frauen betrifft, insbesondere nach der Geburt eines Kindes. Wenn die Beckenbodenmuskulatur geschwächt ist, kann schon ein Husten ausreichen, um einen unfreiwilligen Urinabgang zu provozieren“, sagt Patty Kulpa, Sportgynäkologin aus Washington, die selbst schon an acht Marathonläufen teilnahm. Leider kann weiteres, intensives Training den Zustand verschlechtern, denn die klassische Laufbewegung sei eine Abfolge von Sprüngen, bei denen man immer etwas härter aufsetze als beim Gehen. Gezielte Übungen helfen, die Beckenbodenmusku­latur zu stärken und die meisten Ursachen von Inkon­tinenz zu beheben. Sie wissen nicht, welche Muskeln gemeint sind? „Unterdrücken Sie auf dem Weg zum Badezimmer den Harndrang“, so Kulpa. Diese Muskeln sollten Sie vor dem morgendlichen Aufstehen 10 Sekunden lang anspannen und danach für 10 Sekunden entspannen. Das Ganze zehnmal wieder­holen. Trainieren Sie die Beckenbodenmuskeln mehrmals am Tag. Hilfreich kann auch ein Tampon sein, den Sie während des Rennens tragen. Der kann ­einer Blasenschwäche vorbeugen und hilft zugleich, die Muskelspannkraft zu unterstützen. In einigen Fällen ermöglicht allerdings nur eine gezielte Behand­lung der Harninkontinenz Beschwerdefreiheit.

Blasenentzündung?

Anders als bei der Blasenschwäche handelt es sich bei einer Blasenentzündung um eine ernst zu nehmende Infektion, meist ausgelöst durch Bakterien. Zu ihren typischen Symptomen zählen starker Harndrang sowie eine schmerzhafte Harnentleerung. Karsch erteilt Betroffenen absolutes Sportverbot, bis die Entzündung vollständig auskuriert ist. „Man sollte fünf bis sieben Tage pausieren und danach moderat wieder einsteigen“, empfiehlt der Experte, der auch darauf hinweist, dass Antibiotika eine bestimmte Verweildauer im Körper haben. Eine Einmal-Gabe bedeute demnach nicht, dass am nächsten Tag wieder alles in Ordnung sei.

Blut im Urin?

"Nach langen Läufen kann es aufgrund einer erheblich reduzierten Nierendurchblutung zu Blutabgang im Urin kommen“, sagt Lewis Maharam, medizinischer Leiter der New York Road Runners. „Auch die Blase kann bei einem Lauf minderschwere Verletzungen davontragen.“ In der Regel besteht jedoch kein Grund zur Sorge. Wenn Sie ­wissen, dass Sie für Schleimhautschädigungen der Harnblasenwände anfällig sind, sollten Sie mit einem Arzt­besuch zunächst noch warten, denn Blut im Urin könnte einen ahnungslosen Mediziner unnötig aufschrecken. Sollte Ihr Urin allerdings 48 Stunden nach dem letzten langen Lauf immer noch verfärbt sein, sollten Sie besser einen Arzt aufsuchen, um mögliche andere Ursachen auszuschließen.

Fußpilz?

Bei diesem Phänomen handelt sich noch immer um ein kribbelndes Tabu. Dabei zählt Fußpilz zu den häufigsten Infektionskrankheiten in Deutschland, fast jeder Dritte ist davon betroffen. Bei Läufern liegt die Zahl sogar deutlich höher. Auslöser ­dieser Infektion sind mikroskopisch kleine Pilze, die über Hautschüppchen von Mensch zu Mensch übertragen werden. Symptome sind ein Jucken und Brennen der Füße in Verbindung mit rötlicher und schuppender Haut bis hin zur Bläschenbildung. Die Infektion wird in der Regel mit Fußpilz-Cremes behandelt, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Laut Michael Karsch spricht zunächst nichts gegen das Laufen. „Aufpassen muss man nur, wenn die Haut einreißt“, warnt der Mediziner. Offene Wundflächen öffneten Bakterien Tür und Tor und ebneten ihnen den Weg in die Lymphbahnen. Schlimmstenfalls drohe eine Blutvergiftung. Um das Fußpilzrisiko einzudämmen, sollten Sie beim Laufen für das richtige Fußklima sorgen. Tragen Sie Laufschuhe, in denen die Luft gut zirkulie­ren kann, und lüften Sie Ihre Schuhe nach jeder Lauf­einheit. Trocknen Sie die Zehenzwischenräume nach dem Duschen immer sorgfältig ab und achten Sie darüber hinaus bei der Wäschereinigung und -pflege auf besondere Gründlichkeit. Gehen Sie neben dem Laufen gern schwimmen oder saunen, dann sollten Sie in öffentlichen Feucht- und Nass-Einrichtungen nicht barfuß laufen, denn die Ansteckungsgefahr ist hier besonders hoch.

Genitalpilz?

Wenn der Intimbereich juckt und brennt, steckt möglicherweise ein Pilz dahinter. Acht von zehn Frauen machen mindestens einmal im Leben Bekanntschaft mit einem Scheidenpilz. Der Penis- oder Eichelpilz beim Mann ist dagegen wesentlich seltener. Auch wenn die Beschwerden lästig sind – ein Laufverbot bringen sie nicht mit sich. „Dennoch sollte man auf allgemeine Krankheitszeichen achten“, rät Karsch. Wer sich schlapp fühle und morgens einen auffällig erhöhten Ruhepuls habe, verzichte besser auf Sport. „Dann zeigt der Körper Symptome, die nichts mit dem Pilz zu tun haben, aber auf eine Entzündung hindeuten“, erklärt der Mediziner. Den Pilz an sich kann man mit Cremes aus der Apotheke behandeln, Frauen werden zusätzlich Vaginaltabletten empfohlen. Der Spuk ist dann meistens nach drei bis fünf Tagen vorbei.

Hämorrhoiden?

Sie jucken, bluten, stören beim Laufen und treten an einer der letzten Tabuzonen des Körpers auf: am After. Die Ursachen von Hämorrhoidal-­Leiden sind bislang nicht eindeutig geklärt. Auszuschließen ist jedoch, dass Hämorrhoiden durch das Laufen ver­ursacht werden. Um die Beschwerden abzumildern, ist es laut Karsch oft hilfreich, die eigenen Ernährungsgewohnheiten zu überdenken. „Wer gerne scharf isst, kann damit ein Hämorrhoidalleiden provozieren, auch wer sich zu ballaststoffarm ernährt oder zu wenig trinkt“, erklärt der Mediziner. Treten die Beschwerden nach anstrengenden Laufeinheiten auf, sollte man besser eine Pause einlegen. Denn ist das Enddarmleiden schon relativ weit fortgeschritten, können die Hämor­rhoidalknoten bei körperlicher Belastung, etwa bei längeren Läufen, aus dem After fallen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Analflüssigkeit. Da die Hautfalten beim Laufen aneinander reiben, kann das Nässen das Leiden verschlimmern. Bei fortgeschrittener Krankheit ist daher eine Verkleinerung der Hämorrhoiden durch eine Operation in den meisten Fällen unumgänglich.

Lippenherpes?

Herpes bildet unschöne Bläschen an den Lippen, die sich mit einer hochinfektiösen Flüssigkeit füllen und nach einigen Tagen aufplatzen. Meist handelt es sich beim klassischen Lippenherpes um keine frische Infektion. Die Erstinfektion erfolgt häufig in den ersten Lebensjahren, oft sogar unbemerkt. Danach verbleiben die Erreger lebenslang im Körper und verursachen immer mal wieder die typischen Hauterscheinungen. Gegen akute Beschwerden helfen Virostatika aus der Apotheke. Danach heilen die gelblich verkrusteten Wunden binnen ein bis zwei Wochen von selbst ab. „Ein Trainingsverbot würde ich nicht erteilen, da die Beschwerden nur lokal auftreten“, so Michael Karsch. Es sei dennoch ratsam, den morgendlichen Ruhepuls im Blick zu behalten. Sei dieser erhöht oder fühle man sich schlapp, solle man besser auf Sport verzichten.

Nagelbettentzündung?

Wenn der Nagelwall schmerzt und die Stelle pocht, liegt meist eine Nagelbettentzündung vor. „Schon bei den ersten Symptomen sollten Läufer einen Gang zurückschalten“, sagt Karsch, da ein Anstoßen des Zehennagels im Laufschuh die Beschwerden verschlimmern könne. Spätestens wenn das Gewebe um oder unter dem Nagel zu eitern beginnt, müssen Läufer pausieren. „Sonst kann die Entzündung über die Lymphbahnen fortschreiten und eine Sepsis hervorrufen“, so der Experte. Im Frühstadium der Entzündung helfen Zugsalben aus der Apotheke, den Eiter an die Hautoberfläche zu „ziehen“ und abfließen zu lassen. Andernfalls öffnet der Arzt die Stelle oder entfernt teilweise den Nagel. Ist die Wunde zugeheilt, dürfen Läufer ihr Training wieder aufnehmen. Tipp: Nägel nicht zu rund schneiden, sonst können sie schmerzhaft einwachsen.

Übermäßiges Schwitzen?

Hyperhidrose (übermäßiges Schwitzen), tritt auf, wenn die normale Regulation der Körpertemperatur versagt“, so William Roberts, medizinischer Leiter des Medtronic-Twin-City-Marathons. Selbst bei Minusgraden leiden viele Läufer unter einer gesteigerten Schweißproduktion. „Deshalb sollten Läu­fer bei kälterer Witterung darauf achten, möglichst trocken zu bleiben, um ein Auskühlen zu vermeiden“, sagt Roberts. Durch das anormale Schwitzen besteht zudem die Gefahr, unangenehm zu riechen. Diese psychische Belastung kann schlimmstenfalls zu Depressionen führen. Helfen können verschreibungspflichtige Antitranspirantien. Sie enthalten in der Regel Aluminiumchlorid und unterdrücken die Schweißbildung durch Verschließen der Drüsenausführungsgänge. Gleichzeitig werden Bakterien ab­getötet, die den Schweiß zersetzen – Schweißgeruch kann gar nicht erst entstehen. Eine Rasur der Achsel­haare ist ebenfalls ratsam, da sich dort geruchsverursachende Bakterien bevorzugt ansammeln. Da starke Schwitzer meist besonders anfällig für Blasen­bildung sind, empfiehlt Roberts, Antitranspirantien auch für die Füße zu verwenden. Bei extremen Schwitzern empfiehlt sich eine medikamentöse Behandlung oder eine Operation. Aber Achtung: Schwitzen ist auch gesund und für die Temperaturregulation des Körpers lebensnotwendig.

Weniger Lust auf Sex?

Sie gehen regelmäßig laufen, sind gesund, klagen nicht über die klassischen Erektions- oder Orgasmusstörungen und haben dennoch keine Lust auf Sex? Warum? Schieben Sie den Wettkampfgedanken im Schlafzimmer beiseite, denn Sexualität sollte nicht wie sportliche Fitness betrieben werden. Auch bei Ihren Laufeinheiten sollten Sie sich nicht verausgaben. Durch eine permanente Überanstrengung fühlen Sie sich auf Dauer abgespannt und müde – an Sex ist nicht mehr zu denken. Lassen Sie das Laufen nicht zur Sucht werden und gehen Sie Ihr Training entspannt an. Sparen Sie sich Ihre Kräfte. Ihr Partner wird es Ihnen danken.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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