Eine neue Studie nutzt Daten der Herzfrequenzvariabilität, um vorauszusagen, welches Training für verschiedene Läufer am besten geeignet ist.
Jeder Läufer reagiert unterschiedlich auf verschiedene Trainingsformen
Ein wichtiger Ansatzpunkt, den ich und viele andere aus dem Buch „The Sports Gene“ von David Epstein übernommen haben, ist, dass verschiedene Sportler auf unterschiedliche Trainingsarten reagieren. Das ist keine einschneidende Neuigkeit - es gibt Studien, wie beispielsweise die von Claude Bouchard, die große Unterschiede in den Reaktionen der Sportler auf das gleiche Training feststellte. Und natürlich haben Trainer ihre Lehrpläne schon immer auf die individuellen Bedürfnisse der Athleten zugeschneidert. Doch Epsteins Buch hat die Idee befeuert, dass wir irgendwann im Stande sein könnten, vorauszusagen, vielleicht indem wir auf genetische Marker schauen, auf welche Art von Training jeder Einzelne am besten reagiert.
In diesem Zusammenhang hat eine neue Studie vom Forschungsinstitut für Olympische Sportarten in Finnland, die gerade im Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports veröffentlicht wurde, meine Aufmerksamkeit erregt. Für die Studie absolvierten 29 Läufer ein achtwöchiges Grundlagentraining (vorwiegend lockeres Laufen mit einem wöchentlichen Tempolauf und Erhaltung ihres üblichen Trainingsvolumens), und dann acht Wochen lang entweder ein hohes Trainingsvolumen (erhöhtes Laufvolumen von 30 bis 50 Prozent bei gleichbleibender Intensität), oder eines mit hoher Trainingsintensität (drei Trainingseinheiten pro Woche von 6 x 2 Min mit 2 Min Pause bis zu 40-minütigen Tempoläufen).
Die zentralen Fragen waren: (a) Wie reagieren die Läufer auf das erhöhte Volumen im Vergleich zur erhöhten Intensität, und (b) Kann man irgendwelche Basisdaten verwenden, um vorauszusagen, welche Läufer auf welche Trainingsart am besten reagieren? Das Ergebnis wurde an der Laufbandgeschwindigkeit zum Zeitpunkt der Erschöpfung während eines progressiven VO2max-Tests gemessen (ein Messverfahren, das der Laufleistung entspricht, weil es aerobe Fitness und Laufökonomie miteinander verbindet).
Auf die richtige Gewichtung von Intensität und Umfang kommt es an
Wie zu erwarten, wurden große Unterschiede deutlich. Durchschnittlich übertrifft die Gruppe mit der hohen Trainingsintensität klar die mit höherem Trainingsvolumen, auch wenn sie weniger (39 km im Vergleich zu 47 km pro Woche) trainiert hat. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine höhere Intensität “besser” als ein höheres Volumen ist; denn um die Leistung zu maximieren, braucht man natürlich sowohl Intensität als auch Volumen. Deshalb ist hier eher die Herausforderung, das richtige Gleichgewicht zwischen beiden zu finden und nicht nur das eine oder andere zu wählen.
Hieraus ergibt sich die eigentlich wichtigere Frage, ob sich irgendwelche Parameter erkennen lassen, die individuelle Reaktionen auf das Training voraussagen könnten. Ein interessantes Muster taucht im Zusammenhang mit der Ruhe-Herzfrequenzvariabilität (Veränderungen des Zeitraums zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen) auf, gemessen in vierstündigen Perioden in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Nächten. Während in letzter Zeit die Verwendung der HRV zur Kontrolle der Erholung nach dem Training häufiger eher skeptisch betrachtet wurde, verwendete man sie hier, indem man die HRV vor dem Training gemessen hat, um anhand der gewonnenen Daten eine Vorhersage machen zu können, wie die Sportler auf verschiedenen Trainingsinhalte reagieren werden.
Die Ruhe-Herzfrequenz gibt Aufschluss: In der High-Volume-Gruppe reagierten die Teilnehmer mit niedrigem HRV am besten; in der High-Intensity-Gruppe war es genau umgekehrt. Warum ist das so? Vieles deutet darauf hin, dass eine hohe HRV auch eine größere Fähigkeit mit Trainingsstress umzugehen anzeigt; in diesem Falle ist man der beste Kandidat, um aus mehr Intensität einen besseren Nutzen zu ziehen. Eine niedrigere HVR, könnte darauf hinweisen, dass der Körper schneller an seine Belastungsgrenzen kommt, so dass man hier mit dem milderen Stimulus eines höheren Trainingsvolumens wohl besser dran ist.
In diesem Zusammenhang, ob hohe oder niedrige Ruhe-HRV, ist es auch interessant zu fragen, ob es sich um eine angeborene (eventuell genetische) Qualität beim jeweiligen Sportler handelt - so dass diejenigen, die am besten auf ein hohes Trainingsvolumen reagieren, wohl immer den besten Nutzen daraus ziehen werden. Oder ist es eher ein Marker für, sagen wir, die Fitness? Ist es möglich, dass Athleten mit einer niedrigen HRV von größerem Volumen profitieren, sie jedoch, wenn sie dieses Programm über ein Jahr trainiert haben und sich ihre HRV erhöht hat, mehr Nutzen aus einer höheren Intensität ziehen könnten? Viele unbeantwortete Fragen, die zum Nachdenken anregen.
Weitere Studien werden benötigt, um Schlüsse ziehen zu können
Eigentlich denke ich nicht, dass wir zu viel Gewicht auf diese spezifischen Ergebnisse legen sollten, denn es handelt sich hier um eine kleine einleitende Studie. Aber sie weist auf eine interessante Richtung für neue Studien hin: Anstatt herauszufinden, welche Trainingsmethode die „beste“ ist, sollte man versuchen festzustellen, welche Sportler am meisten Nutzen aus den jeweiligen Trainingsarten ziehen und wie man herausfindet, welcher Kategorie sie angehören. Bis dahin gilt immer noch der Ansatz der „alten Schule“: Versuchen Sie es mit unterschiedlichen Trainingseinheiten und -plänen... und sehen Sie ganz einfach, was Sie schneller macht.