Kennen Sie die übliche Reaktion anderer Läuferinnen und Läufer, wenn man ihnen erzählt, dass man verletzt ist? „Da hast du wohl zu viel trainiert!“ Das stimmt nur manchmal. Am häufigsten verletzt sind nämlich diejenigen, die sehr viel, und diejenigen, die sehr wenig laufen. Das gesunde Mittelmaß macht’s. Und, sofern Sie es nicht gänzlich übertreiben, gilt: Training stärkt den Körper und mehr Training stärkt ihn noch mehr.
Das bestätigt auch eine Studie mit 2.300 Freizeitläuferinnen und -läufern, die im Fachblatt „BMC Sport Science, Medicine & Rehabilitation“ veröffentlicht wurde. Demnach besteht eine starke Korrelation zwischen Laufumfang und Wettkampfergebnis – unabhängig von der Renndistanz. Das beste Mittel, um schneller zu werden, ist demzufolge eine Erhöhung des wöchentlichen Kilometerumfangs. Dabei sollten Sie jedoch einerseits abschätzen, welcher Trainingsumfang zu Ihrer Leistungsfähigkeit und Ihrer persönlichen Belastungsverträglichkeit passt und andererseits ein paar Regeln zur gesunden Umfangssteigerung beachten.
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Fünf Regeln zur Umfangssteigerung beim Laufen
Ein Lauftag mehr
Erhöhen Sie die Anzahl der Lauftage pro Woche nur um eins. Das heißt, wenn Sie bisher dreimal pro Woche laufen, können Sie von einem vierten Lauftag pro Woche profitieren, ein fünfter könnte aber schon zu viel sein. Generell sollten Sie immer mindestens einen Ruhetag pro Woche einplanen.
Verteilen statt verlängern
Ein zusätzlicher Lauf pro Woche ist körperlich leichter zu verkraften als eine Erhöhung der Kilometeranzahl, die sich auf gleich viele (oder gar weniger) Läufe verteilt als bisher. Machen Sie lieber 5 bis 6 kürzere Läufe als 3 bis 4 längere.
Keine höhere Intensität
Sie müssen sich bei einer Trainingssteigerung zwischen Qualität und Quantität entscheiden – gleichzeitig lässt sich beides nicht realisieren. Von einer Erhöhung des Umfangs bleibt der qualitative Trainingsanteil (Intervalle, Tempodauerläufe) ausgenommen.
Regenerationswochen einlegen
Steigern Sie Ihren Kilometerumfang nicht kontinuierlich über viele Wochen. Wenn Sie nach drei Wochen der Umfangsteigerung eine Woche mit reduziertem Umfang einlegen, sind Sie auf der sicheren Seite. Einmal im Jahr sollten Sie sich sogar eine längere Regenerationsphase gönnen und etwa einen Monat weniger und weniger intensiv trainieren.
Persönliche Belastungsgrenze einhalten
Wie viele Kilometer Ihr Körper pro Woche verkraftet, ist sehr individuell unterschiedlich. Es hängt natürlich von der Trainingsanpassung ab, aber auch von der körperlichen Konstitution und dem Alter. Mancher ist mit 60 Kilometern pro Woche ständig verletzt, manche steckt 150 Kilometer verletzungsfrei weg. Wenn Sie merken, dass ein höherer Umfang Ihnen nicht gut tut, behalten Sie die Wochenkilometer bei und erhöhen Sie stattdessen punktuell die Intensität des Trainings.
Kurzfristige Umfangssteigerung: Die 10-Prozent-Regel
Wenn es um das richtige Maß zur Steigerung des Trainings geht, fällt bestimmt bald das Stichwort der 10-Prozent-Regel. Sie besagt ganz einfach, dass Sie Ihren Umfang von Woche zu Woche nicht um mehr als 10 Prozent steigern sollen. Laufen Sie normalerweise 20 Kilometer, steigern Sie sich nur um 2 Kilometer. Laufen Sie 80 Kilometer pro Woche, dürfen Sie in der folgenden Woche 8 Kilometer draufpacken. Wichtig: Diese Formel eignet sich nur für kürzere Phasen der Trainingssteigerung, etwa ein bis zwei Monate am Stück. Zudem sollten Sie sie nicht durchgängig anwenden, sondern beispielsweise nach drei Wochen der Umfangssteigerung eine Woche ohne Steigerung Ihrer Wochenkilometer (oder sogar einer Reduktion des Umfangs) einbauen.
Mittelfristige Umfangssteigerung
Da im Rahmen der 10-Prozent-Regel über längere Zeiträume ganz erhebliche Umfangssteigerungen zusammenkommen können (besonders für Vielläufer mit einem hohen Ausgangsniveau), eignen sich für längere Phasen der Trainingssteigerung besser solche Berechnungsmethoden, die auf einem längeren Zeitraum basieren als nur auf einer Woche. Wir stellen hier zwei vor:
Die Belastungsquotient-Regel
Diese Belastungssteigerungsformel stellt Ihren aktuellen wöchentlichen Kilometerumfang ins Verhältnis zu den Umfängen der letzten vier Wochen und liefert einen Quotienten:
Belastungsquotient = aktueller Kilometerumfang pro Woche / durchschnittlicher Kilometerumfang der letzten vier Wochen
Das Entscheidende: Laut Studien steigt das Verletzungsrisiko an, wenn der Belastungsquotient über 1,2 liegt. Ab einem Wert von 1,5 steigt es sogar signifikant. Sie sollten mit der Steigerung Ihrer Wochenkilometer also bestenfalls unter einem Belastungsquotienten von 1,2 bleiben.
Belastungsquotient < 1,2
Rechen-Beispiel: Nehmen wir an, Sie sind in den letzten vier Wochen 50, 40, 50 und dann 60 Kilometer gelaufen. Teilen Sie nun die Kilometerzahl der letzten Woche (60) durch die durchschnittliche Kilometerzahl der letzten vier Wochen (50), so kommen Sie auf einen Quotienten von 1,2, was bedeutet, dass die Steigerung von 50 auf 60 Kilometer gerade noch im verträglichen Bereich lag.
Das Besondere an dieser Formel ist, dass Sie die Kilometer der aktuellen Woche nicht nur mit der Vorwoche in Beziehung setzt (wie die 10-Prozent-Regel), sondern mit der kompletten letzten Trainingsphase.
Die 3-Wochen-Regel
Das Ausrechnen des Belastungsquotienten ist Ihnen zu kompliziert? Dann ist die 3-Wochen-Regel eine gute und simple Alternative, besonders für Läufer mit einem bereits relativ hohen Ausgangsniveau. Sie stammt vom Erfolgstrainer Pete Magill und besagt, dass man stets drei Wochen auf demselben Niveau laufen soll und dann den Umfang um 10 bis maximal 15 Kilometer steigert. (Bei einem gewöhnlichen Umfang von 30 Kilometern wählen Sie 10 Kilometer als Steigerung, wenn Sie üblicherweise 80 Kilometer laufen, schaffen Sie auch 15-Kilometer-Sprünge.)
Drei Wochen mit konstantem Umfang, erst dann 10 bis 15 Kilometer mehr
Rechen-Beispiel: Wenn Sie aktuell 25 Kilometer pro Woche laufen, sähen Ihre Wochenkilometer mit der Steigerung nach der 3-Wochen-Regel so aus: 25 km, 25 km, 25 km, 35 km, 35 km, 35 km, 45 km, 45 km, 45 km, 55 km, 55 km, 55 km.
Laufen Sie bereits üblicherweise 80 Kilometer, wäre diese Steigerung des Umfangs sinnvoll: 80 km, 80 km, 80 km, 95 km, 95 km, 95 km, 110 km, 110 km, 110 km, 125 km, 125 km, 125 km.
Für diese Regeln gilt übrigens das übliche Trainingsniveau als Basis. Wer aus Zeitmangel, Unlust oder sonstigen Gründen mal für ein, zwei Wochen weniger Kilometer macht als gewöhnlich – etwa 40 statt 80 –, muss natürlich nicht die geringere Kilometerzahl als Basis nehmen. Sollten Sie jedoch etwa aufgrund von Verletzungen länger ausgesetzt haben, steigern Sie sich anhand der Regeln oben wieder langsam auf Ihr Ausgangsniveau.
Kilometerumfang im Marathontraining steigern
Allmählich den wöchentlichen Kilometerumfang zu erhöhen, ist das Grundprinzip jedes Marathonaufbautrainings. Die Mehrzahl der Marathon-Pläne enthält eine Steigerung von anfangs zwanzig bis fünfzig Wochenkilometern auf schließlich fünfzig bis 120 Kilometer in der „heißen“ Phase, die bis mindestens zwei Wochen an den Wettkampf heranreichen kann. Die durchschnittliche wöchentliche Kilometeranzahl ist abhängig vom Leistungs- und Trainingsniveau.
Wochenkilometer richtig steigern
Überträgt man die Kilometerumfänge der meisten Marathontrainingspläne in ein Diagramm, erkennt man, dass die Linie Woche für Woche allmählich steigt, bis sie schließlich in der unmittelbaren Vorwettkampf-Phase steil fällt. (Hier erfahren Sie alles zum Tapering, der Trainingsreduktion vorm Wettkampf.) So viel zur Theorie. In der Praxis indes verläuft die Entwicklung in aller Regel nicht so kontinuierlich. Man sollte mit Höhen und Tiefen, Phasen deutlicher Steigerung, aber auch der Stagnation rechnen.
Wie geht's nach Trainingspausen weiter?
Für Ausfallzeiten im Marathontraining, sei es durch Zeitmangel, kleine Verletzungen oder anderes, raten wir: Wenn Sie sporadisch eine oder zwei Einheiten auslassen müssen, fahren Sie anschließend genau nach Plan fort. Nur wenn ganze Trainingswochen ausfallen, sollten Sie ebenso viel Zeit im Plan zurückgehen und an dieser Stelle weitermachen. Wer gezwungen ist, länger als zwei Wochen zu pausieren, sollte auf jeden Fall seine Wettkampfziele nach unten korrigieren oder auf einen späteren Marathon-Termin ausweichen.
Fazit: Mehr Kilometer = bessere Form? Ja, aber...
Um Ihre Form zu verbessern oder sich gar auf einen Marathon vorzubereiten, ist es eine gute Idee, Ihren Trainingsumfang zu erhöhen. Je mehr Kilometer Sie pro Woche trainieren, desto schneller können Sie auch laufen. Diese Faustformel gilt aber nur in sinnvollen Grenzen – ist der Umfang zu hoch für Ihre ganz individuelle Konstitution, drohen Verletzungen und Überlastungsbeschwerden. Außerdem ist es essentiell, Ihren Körper langsam an ein neues Trainingsniveau zu gewöhnen, um verletzungsfrei zu bleiben. Planen Sie im Zweifel lieber mehr Zeit für eine Umfangsteigerung ein. So steigern Sie Ihre Form langfristig und gesund.