Sonjas Lösung
„Keine Lust mehr auf Stillstand“

RUNNER'S WORLD-Laufcoach Sonja von Opel läuft 800 Kilometer von München nach Hamburg. Ein Interview über Ziele und Herausforderungen in Corona-Zeiten.
Garda See
Foto: Michael Reusse

Sonja von Opel läuft ab dem 15. März 2021 von München nach Hamburg, 800 km, täglich fast einen Marathon. „Sonnis Solution“ nennt die 45-jährige das Ganze. Ihre Motivation dazu ist eine sehr persönliche, aber sie will damit auch andere motivieren, sich in schwierigen Zeiten nicht entmutigen zu lassen, sich Ziele zu setzen und neuen Herausforderungen zu stellen. Sonja von Opel ist Lauftrainerin und betreut über die Online-Plattform „RUNNER’S World-Laufcoaching“ diverse Läuferinnen und Läufer verschiedenster Leistungsklassen, von denen viele in ihrer Trainerin auch ein Vorbild sehen. Wir haben vor dem Etappenlauf mit ihr gesprochen.

Hast du zu viel Zeit, oder warum läuft sonst jemand von München nach Hamburg? Seriöser gefragt: Was sind die Motive für das Projekt?

Sonja von Opel: In der Tat habe ich in diesen Tagen mehr Zeit, als mir lieb ist. Normalerweise findet im Frühjahr immer mein Laufcamp statt, das ich seit 13 Jahren in Monte Gordo, Portugal, für meine Kunden organisiere, aber wie wir alle wissen, legt die Pandemie gerade auch diesen Geschäftszweig lahm. Durch die Absage der meisten Laufveranstaltungen habe ich außerdem im Bereich des Online-Coachings aktuell auch nicht so viel zu tun wie sonst. Als mir dann auch noch eine zu rasante Fahrweise das Abgeben meines Führerscheins für einen Monat beschert hat, war die Idee geboren, von meinem Zuhause in München zum Arbeitsplatz meines Mannes nach Hamburg zu laufen.

Wie wird die Tour genau aussehen, wo läufst du lang, wie viele Kilometer sind es exakt und wie wirst du dir die Strecke einteilen?

Ich laufe mehr oder weniger den direktesten Weg über Ingolstadt, Nürnberg, Meiningen, Göttingen und Hannover nach Hamburg und das sind in Summe 775 Kilometer. Zumindest sagt das aktuell die App, über die ich die Tour angelegt habe. Allerdings habe ich einen Rennrad-Track gewählt, der sehr viel kürzer ist und fast 5.000 Höhenmeter weniger (!) aufweist, als eine klassische Lauf- oder Wanderroute. So werde ich mit Sicherheit nicht immer die schönste Strecke, dafür aber auf Asphalt laufen. Das kommt mir als Straßenläuferin entgegen. Ich will ja auch vom Fleck kommen, damit ich auch wirklich an Ostern die Hansestadt erreiche.

Sonja von Opel beim Lauftraining
Privat
Sonja beim Training für den 800-km-Lauf.

Wie meisterst du die logistischen Herausforderungen: Wer transportiert dein Gepäck, wie findest du die Strecke und wo wirst du übernachten?

Mein Motto lautet: Keep it simple! Ich habe mich bewusst gegen einen Ziehwagen und für ganz kleines Gepäck auf dem Rücken entschieden. Ich meistere die komplette Herausforderung alleine und das ist mir auch wichtig, denn ich möchte mich natürlich immer an alle Corona-Regeln halten. Da das Laufen mein Beruf ist, kann ich als Geschäftsreisende in Hotels und Pensionen übernachten. In der ersten Woche habe ich mir schon für jede Nacht die Zimmer gebucht. In den meisten Häusern läuft die Übernachtung ohne menschlichen Kontakt ab: Ich erhalte einen Code zum Einchecken und bezahle über eine App. So einsam das wird, mir ist relativ wichtig, so gut wie keine Menschen zu treffen, um die Verbreitung des Corona-Virus in unserer Welt weiterhin zu reduzieren.

In meinem Laufrucksack befindet sich Wechselwäsche, mein Kulturbeutel, meine Papiere und mein Laptop, denn ein paar Kunden betreue ich derzeit dann doch und die sollen ja nicht drei Wochen lang auf ihre Trainerin verzichten. An vier Hotels im Abstand von rund 200 Kilometern schicke ich mir jeweils ein Paket mit neuen Schuhen und frischer Kleidung. Ich navigiere über die Komoot-App bzw. ziehe mir jeden Morgen den Track aus der App auf meine GPS-Uhr. Die Streckenlänge pro Tag ist mit 30 bis 50 Kilometern eher moderat, aber ich habe keinen Ruhetag geplant, werde also 22 Tage am Stück laufen.

Du läufst also wirklich ganz alleine, oder kann man dich unterwegs begleiten?

Wie gesagt: Aufgrund der Pandemie ist mein Abenteuer darauf ausgelegt, dass ich alles im Alleingang durchziehe. Nichts desto trotz werde ich natürlich beim Start von meiner Familie verabschiedet und eine Bekannte läuft die ersten Kilometer durch München mit mir mit. Auch in Bamberg kenne ich jemanden, der sich gerade unter meinen Fittichen auf seinen ersten Ultralauf vorbereitet. Dem habe ich direkt mal einen langen Lauf in den Plan geschrieben, wenn Coach Sonja durch seine Stadt läuft, damit er mich begleiten kann. Das ist zufällig auch der Tag mit über 50 Kilometern und da freue ich mich dann schon über ein wenig Abwechslung.

Die Firma BROOKS RUNNING ruft gerade mit dem Projekt „Runfullness“ ein Konzept ins Leben, das sich zu hundert Prozent mit meiner Art des Laufens deckt, weshalb wir beschlossen haben, den Weg zumindest virtuell gemeinsam zu gehen. Ich werde also gemeinsam mit Brooks in den sozialen Medien, vor allem bei Instagram, regelmäßig Stories und Beiträge posten. Darüber hinaus bin ich mit dem Verein „Freunde fürs Leben“ vernetzt, um auf die Verknüpfung von seelischer und körperlicher Gesundheit hinzuweisen. Zu guter Letzt ist mein Kunde, das Autohaus „ernst + könig GmbH“ aus Freiburg von meiner Aktion so begeistert, dass sie mir versprochen haben, als Mobilitätspartner einzuspringen, falls ich auf die Schnelle doch ein Fahrzeug benötigen sollte. Ich gehe nicht davon aus, aber es ist gut zu wissen, dass es einen Plan B im Notfall gibt.

Laufcoach Sonja von Opel
Norbert Wilhelmi
Laufcoach Sonja von Opel.

Wie finanzierst du das Projekt? Oder sind die Kosten überschaubar?

Die Finanzierung übernehme ich komplett selbst, bzw. meine „Sonja von Opel Sports GmbH“, denn wie gesagt reise ich als Geschäftsführerin und scoute ja tatsächlich auch für ein künftiges „Opel Running Etappen Camp“. Schon lange schwebt mir nämlich vor, für meine Kunden eine Laufreise anzubieten, bei der wir uns über mehrere Tage von A nach B bewegen. Es muss ja nicht gleich die Strecke München – Hamburg sein, aber ich bin mir sicher, dass ich für ein solches Vorhaben auf meiner Tour ausreichend Erfahrung sammeln werde, um künftig anderen Läufern den Traum eines solchen Laufabenteuers ermöglichen zu können. Die Kosten belaufen sind auf gut 2.000 Euro, das betrifft die Übernachtungen und die Selbstverpflegung. Meine Laufschuhe, die ich sehr strapazieren werde, stellt mir freundlicherweise die Firma Brooks zur Verfügung. Ich werde deren Schuhe also einem ordentlichen Test unterziehen!

Das Wichtigste: Was willst du mit dem Projekt erreichen? Wie kann das auch andere inspirieren, motivieren? Dir das konkret nachmachen, können ja nur die wenigsten?

Ehrlich gesagt schlage ich durch mein Laufabenteuer viele Fliegen mit einer Klappe. Ich gebe zu, dass mir – trotz meines angeborenen Optimismus – in der letzten Zeit aufgrund der Corona-Einschränkungen ganz schön die Decke auf den Kopf gefallen ist. Mir fehlen die Menschen, die Camps, die Arbeit. Ich muss dringend raus und was erleben. In dem Zusammenhang will ich allen, denen es in den Tagen des Stillstands ähnlich geht, mit meiner Aktion sagen: Laufen geht immer! Laufen hilft gegen depressive Verstimmungen. Der Begriff „Depression“ wird gerade in der heutigen Zeit fast inflationär benutzt, aber es ist ein Fakt, dass viele Menschen aktuell depressiv sind.

Dagegen kann man etwas tun, wenn man raus geht, um sich zu bewegen. Laufen ist die beste Lösung! Das ist schon lange mein Wahlspruch und den möchte ich mit meinem Projekt „Sonnis Solution“ unter Beweis stellen. Naja, und dann ist natürlich die ganze Sache auch ein Tool für Selbstmarketing. Ich bin Läuferin und ich lebe vom Laufen, da macht es Sinn, mit einem solchen Laufabenteuer Furore zu machen.

Da ich drei Wochen unterwegs sein werde, in denen ich eh kein Auto fahren kann, wird der Monat Fahrerlaubnisentzug ein Kinderspiel. Und zu guter Letzt bin ich ja nicht nur Coach, sondern auch Athletin. Seit einiger Zeit „bastele“ ich an meinem 100-Kilometer-Lauf, den ich gerne eines Tages unter neun Stunden laufen möchte. Wenn ich den Weg von München nach Hamburg geschafft habe, habe ich einen ordentlichen Batzen Grundlagenausdauer im Kasten. Danach wird regeneriert, dann wieder Grundschnelligkeit aufgebaut – die mit Sicherheit auf der Tour verloren gehen wird – und im Herbst klappt es dann hoffentlich mit der 8:59 h.

Sonja von Opel als Siegerin des Freiburg-Marathons 2010
Norbert Wilhelmi
Sonja von Opel jubelt über ihren Sieg beim Freiburg-Marathon 2010.

Hast du eine Idee, wie das Projekt über die drei Laufwochen hinauswirken kann? Gibt es daran anknüpfend Ideen, weitere Projekte?

Neben den körperlichen, sportlichen Effekten, die ich gerade angesprochen habe, dem Marketing, das ich für mich selbst damit betreibe, der Planung für künftige „Opel Running Camps“ und der Motivation für andere Läufer, etwas aus dieser tristen Zeit der Pandemie zu machen, habe ich tatsächlich noch ein weiteres Anliegen: Ich möchte gerne eine App entwickeln, die Menschen für ihre täglichen Schritte belohnt. Mein Großvater hat in den 60er Jahren die Stiftung „Spazierengehen e.V.“ ins Leben gerufen und bei der Aktion „Goldener Schuh“ konnte man seine Spazierstunden in ein Kontrollheft eintragen, um dafür dann ein Abzeichen in Form eines goldenen Schuhs zu erhalten.

Diese Idee finde ich so grandios, dass ich sie gerne in die Neuzeit transportieren möchte, aber das Kontrollheft muss natürlich durch eine App ersetzt werden. Hier bin ich gerade mit Programmierern im Gespräch und suche finanzkräftige Partner wie Krankenkassen, Versicherungen oder gar Gesundheitsämter. Rückenwind für dieses Projekt bekomme ich außerdem von einem großartigen Netzwerk, bestehend aus erfolgreichen Unternehmerinnen im Kreis Starnberg. Wir nennen uns SeeSalon – www.seesalon.de – und das Knowhow dieser Frauen gepaart mit meinem Bewegungsdrang ist eine vielversprechende Mischung.

Zum Schluss: Wie kann man deinen Lauf verfolgen und wie kann man dich am besten unterstützen?

Auf Instagram werde ich auf mehreren Kanälen präsent sein. Natürlich poste ich die meisten Beiträge auf meinem eigenen Kanal, aber auch auf der Seite von Brooks werde ich alle paar Tage verkünden, wo ich gerade bin und wie es mir geht. Ebenso auf dem Kanal von Runner’s World wird es Lebenszeichen von mir geben. Wenn dann alles geschafft ist, werde ich den Track und einen Erfahrungsbericht auf meiner Homepage – www.sonjavonopel.com – veröffentlichen, und wer ganz neugierig ist, der kann auf Strava jeden Tag sehen, wo ich gerade bin und wie viele Kilometer ich schon geschafft habe. Virtuell werde ich also nicht sehr einsam sein und klar, jedes Like, jeder Kommentar motiviert mich und spornt mich an. Drei Wochen werden eine lange Zeit und knapp 800 Kilometer sind ein langer Weg. Das Wetter wird zumindest am Anfang eher schlecht und die Beine werden vor allem am Ende sicher weh tun, aber wenn ich das jetzt nicht mache, wann dann?

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