Der Körper bezieht seine Energie aus drei Nahrungsquellen: Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß. „Wenn man sich dieses System wie einen Kleiderschrank vorstellt, dann lagern die Kohlenhydrate in den gut zu erreichenden und großzügig angelegten Hängeregalen gleich ganz vorn im Schrank, wenn man die Türen öffnet“, sagt Marathon-Topläuferin Sonja von Opel. „Die Eiweiße kann man mit den Schrauben, Scharnieren und Zwischenplatten vergleichen und die Fette lagern weit unten in den Sockenschubladen. Um da ran zu kommen, ist Geschick gefordert. Dafür haben die Sockenschubladen den Vorteil, dass immer neue Schubladen angebaut werden, wenn sie voll sind. Das ist bei den Hängeregalen anders“, führt die Münchner Personal Trainerin ihr plakatives Beispiel weiter aus.
Kohlenhydrate liefern dem Körper zwar schnellstmöglich und auf einfache Art und Weise Energie, aber wenn sie leer sind, sind sie leer und müssen neu gefüllt werden. Um beim Laufen aus dem Vollen schöpfen zu können, ist man also auf prall gefüllte „Hängeregale“ bzw. Kohlenhydratspeicher angewiesen: Kohlenhydrate müssen immer auf Vorrat gegessen und eingelagert werden. Dieses Füllen der Kohlenhydrat- bzw. Glykogenspeicher zur Verbesserung der Ausdauerleistung wird als Carboloading bezeichnet und wurde als Technik der Sporternährung bereits in den 1960er-Jahren entwickelt.
Drei Prozent schneller durch Carboloading
Man schätzt, dass die Leistung durch ein gezieltes Carboloading bei Ausdauerleistungen von über 90 Minuten um bis zu drei Prozent verbessert werden kann. Der Grund für die Leistungssteigerung liegt darin, dass durch die optimal gefüllten Glykogenspeicher der Zeitpunkt, an dem diese zur Neige gehen und die Muskeln deshalb verstärkt auf Fettverbrennung umschalten müssen, hinausgezögert wird.
Dieser Moment, beim Marathon bekannt und beschrieben als „Mauer“ oder „Mann mit dem Hammer“, ist körperlich sehr deutlich spürbar und zwingt den Läufer oder die Läuferin zu einer schlagartigen Temporeduktion um rund zehn Prozent oder mehr, da die Fette, die plötzlich als einzige Energiequelle zur Verfügung stehen, nur bei langsamerem Lauftempo erschlossen werden können.
Die Pasta Party allein reicht nicht
Laut einer Marathonstudie trifft der „Mann mit dem Hammer“ rund 25 Prozent aller Teilnehmer. Jedem vierten gehen also vorzeitig die schnell erschließbaren Kohlenhydrate aus, weil sie ihre Glykogenspeicher vor dem Wettkampf und/oder während des Rennens nicht ausreichend gefüllt haben. Um dem entgegenzuwirken, betreiben die meisten Marathonteilnehmer in der Woche vor dem Wettkampf ein gezieltes Carboloading.
Carboloading wird gern auf den sogenannten Pasta-Partys am Abend vor einem Wettkampf in Gemeinschaft praktiziert. Allerdings ist es sehr zu empfehlen, bereits einige Tage vor dem Wettkampf mit dem Füllen der Speicher zu beginnen, denn die Kohlenhydrate, die beim Rennen zum Einsatz kommen sollen, werden bereits 48 Stunden vor dem Startschuss eingelagert, also in die bereits beschriebenen „Hängeregale“ gepackt. Die Anzahl dieser Kohlenhydratspeicher kann man im Gegensatz zum Fettspeicher nicht vermehren, aber durch bestimmte Diäten versuchen Sportler die Speicherkapazität zu erhöhen.
Die Saltin-Diät erweitert die Glykogenspeicher
Die gängigste Praxis zur Erhöhung der Speicherkapazität ist die sogenannte Saltin-Diät, benannt nach dem skandinavischen Wissenschaftler Bengt Saltin. Sinnvoll ist sie vor allem für längere Ausdauerwettbewerbe, zum Beispiel einen Marathon.
Acht Tage vor dem Wettkampf beginnt der Läufer mit der Diät. An den ersten drei Tagen werden ausschließlich Nahrungsmittel verzehrt, die aus Fett und Eiweiß bestehen, also Fleisch, Fisch, Käse, das Weiße vom Ei, Tofu, vielleicht in kleinen Mengen etwas Hüttenkäse, Krabben und ein paar Kräuter. In dieser Zeit gibt es kein Brot, keinen Reis, keine Kartoffeln, keine Nudeln, aber auch kein Obst und kein Gemüse.
Nur Lebensmittel, die pro 100 Gramm weniger als zwei Gramm Kohlenhydrate beinhalten, dürfen in den drei Entleerungstagen der Saltin-Diät verzehrt werden. Durch die Beschränkung der Ernährung auf Fett und Eiweiß entzieht man dem Körper und insbesondere der Muskulatur sämtliches Glykogen.
Am vierten Tag wechselt die Nahrungsaufnahme dann von Fetten und Eiweißen zu Kohlenhydraten. Jetzt stehen ganz gezielt Laufernährungsklassiker wie Nudeln, Reis, Kartoffeln, Brot und Müsli auf den Speiseplan.
Fazit: mehr Ausdauer, kein „Mann mit dem Hammer“
Das Ziel der Übung ist Folgendes: Aufgrund des vorangegangenen Entzugs speichert der Körper nun bis zu 25 Prozent mehr Glykogen in seinen Depots, als diese zuvor, fassen konnten. Am Wettkampftag steht der Läufer dann mit prall gefüllten Glykogenspeichern an der Startlinie und wird den Mann mit dem Hammer in der Regel gar nicht erst kennenlernen.