Biomechanik
Gibt es den perfekten Laufstil?

Wie muss man laufen, um schneller zu werden und sich weniger zu verletzen? Und sollte man den eigenen Laufstil überhaupt ändern?­ Diese Fragen wollten wir in einem Biomechanik-­Labor klären – und lernten schnell, dass die ­Antworten darauf äußerst komplex sind.
Gibt es den perfekten Laufstil?
Foto: Dmitrij Leltschuk
In diesem Artikel:
  • Die vier Phasen der Laufbewegung
  • Laufanalyse im Laden vs. Biomechanikanalyse im Labor
  • Die Auswirkungen von Carbonschuhen auf den Laufstil
  • Der Laufstil und die Verletzungsanfälligkeit
  • Der Laufstil kann nur bedingt beeinflusst werden
  • Das sollte man beachten, wenn man den Laufstil ändern möchte
  • Eine Laufstilanalyse kann bei Schmerzen oder Verletzungen helfen

Wie eine Gazelle, eher hüpfend als laufend, so könnte man den Laufstil von Benjamin Franke beschreiben. Mit seiner Bestzeit von 2:29:00 Stunden gehört er zwar nicht zur deutschen Spitze, ist aber doch schneller als die meisten anderen. Liegt es daran, dass er leichtfüßig auf dem Vorfuß landet, wie es ja oft in den Lehrbüchern empfohlen wird? Oder könnte er sogar schneller laufen, wenn er einen weniger aufwendigen Laufstil hätte (was ich vermute)?

Um diese grundlegende Frage zu klären und der Diskussion mehr Objektivität zu verleihen, vereinbaren Benjamin und ich einen Termin in der Medical School Hamburg. In der Hafencity hat Prof. Dr. Dr. Karsten Hollander mit seinem Team ein neues Labor zur Biomechanik-Analyse aufgebaut. Da wir uns durchs Laufen alle auch privat kennen, werden Wissenschaftler Karsten und Proband Benjamin in diesem Artikel von nun an geduzt.

Gibt es den perfekten Laufstil?
Dmitrij Leltschuk
An definierten Stellen auf dem Körper des Probanden werden Klebepunkte befestigt, die von den Kameras erfasst werden können.

Sportmediziner Karsten, einer der renommiertesten Fachleute im Bereich der Biomechanik, empfängt uns in einem länglichen Raum, durch dessen Fenster man direkt auf die Elbphilharmonie blickt. Bis auf ein Laufband und einen Schreibtisch ist der Raum beinahe leer. Auf dem Boden ist eine rote Bahn markiert, von der Decke hängen Traversen, an denen mehrere Hochgeschwindigkeitskameras befestigt sind. Dieser Raum ist ein Labor und die ganze Technik dient letztlich vor allem einem Zweck: die individuelle Biomechanik von Läuferinnen und Läufern zu analysieren.

Biomechanik ist ein Zweig der Wissenschaft, der sich mit dem Bewegungsapparat des menschlichen Körpers und anderer Lebewesen beschäftigt. „Es gibt Biomechanikerinnen und Biomechaniker, die analysieren das Gangbild von Ameisen“, erklärt Karsten. „Wir beschäftigen uns hier mit der Laufbewegung beim Menschen.“

Die vier Phasen der Laufbewegung

Die Laufbewegung des Menschen wird häufig auch als kontrolliertes Fallen beschrieben: Wir stoßen uns mit einem Bein nach vorn, die Schwerkraft zieht uns hinab, mit dem anderen Bein fangen wir den Sturz auf und stoßen uns wieder ab. Je schneller und häufiger man das macht, desto flotter wird die daraus resultierende Vorwärtsbewegung. Die Biomechanik unterteilt die Laufbewegung meist in vier Phasen: frühe und späte Schwungphase sowie frühe und späte Stützphase. Wir durchlaufen sie, ohne darüber nachzudenken, denn das äußerst komplexe Zusammenspiel von Muskeln, Gelenken, Sehnen, Knochen, Bändern, Nerven und Organen funktioniert unbewusst.

Wenn man von einem „guten“, „effizienten“ oder gar „perfekten“ Laufstil liest, wird dieser meist mit folgenden Parametern beschrieben: stabiler, leicht nach vorn geneigter Oberkörper, Arme im 90-Grad-Winkel angewinkelt und seitlich am Körper geführt, hoher Kniehub, starkes Anfersen, gestrecktes Bein beim Abdruck, Vorfuß- oder Mittelfußaufsatz bei der Landung, 180 Schritte pro Minute.

Diese Angaben haben viele als Ideal eines guten Laufstils im Kopf. Aber wenn Sie sich mal Läuferinnen und Läufer im Park oder bei Rennen anschauen, werden Sie vermutlich bemerken, dass so gut wie niemand diesem Idealbild entspricht. Die meisten landen auf dem Rückfuß, heben die Beine kaum an, schaukeln mit dem Oberkörper und haben die Arme stark angewinkelt. Laufen die alle falsch?

Letztlich sei schon dieses reine Betrachten einer vorbeilaufenden Person der erste Schritt zu einer biomechanischen Analyse, erklärt der Experte. Wir erkennen ziemlich schnell, ob jemand „schön“ läuft oder eben nicht. Doch erst die moderne Technik erlaube es, genau hinzuschauen.

Und exakt aus diesem Grund sind wir heute in Karstens Labor gekommen. Benjamin wird an vorgegebenen Punkten am Körper mit kleinen Kügelchen beklebt. Anschließend läuft er zunächst Dutzende Male auf der rot markierten Laufbahn entlang und danach einige Minuten bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf dem Laufband. Dabei zeichnen die Kameras aus verschiedenen Perspektiven auch die kleinsten Bewegungen der Kügelchen auf.

So kann Karsten Benjamin auf seinem Bildschirm zum Beispiel zu einem dreidimensionalen Skelett werden lassen. „Das schauen wir uns aber eigentlich gar nicht an“, sagt der Experte. „Wir achten mehr auf Zahlen, Kurven und Diagramme, die wir aus den Parametern, die wir aufzeichnen, berechnen.“

Neben den Bewegungsdaten fließen zusätzlich „Kräfte“ und „Zeit-Raum-Parameter“, wie sie der Biomechaniker nennt, in die Berechnungen mit ein. Diese werden durch eine Kraftmessplatte in der Laufbahn und eine Druckmessplatte unter der Laufbandoberfläche ermittelt. Sie erfassen die Kräfte beim Fußaufsatz und -abdruck sowie die Druckverteilung beim Abrollvorgang. So sieht man nicht nur, dass jemand beispielsweise mit dem 2,74-Fachen seines Körpergewichts aufkommt, sondern auch, ob diese Kraft auf einen kleinen Bereich der Ferse drückt oder sich eher gleichmäßig unter dem gesamten Fuß oder nur dem Ballen verteilt.

Laufanalyse im Laden vs. Biomechanikanalyse im Labor

Das ist auch der große Unterschied zur Laufanalyse, die in vielen Laufläden angeboten wird. Dabei wird häufig rein optisch allein der Fußaufsatz analysiert. Knickt der Fuß stark nach innen, wird dann gern mal ein Stabil- beziehungsweise Bewegungskontrollschuh empfohlen. Der bietet eine in der Mittelsohle integrierte Stütze, mit der die Überpronation, also ein ausgeprägtes Nach-innen-Knicken des Fußes, aufgefangen wird. „Das klingt erst einmal nachvollziehbar und sinnvoll, aber aus sportmedizinischer Sicht gibt es keine Evidenz für solche Maßnahmen“, sagt der Experte. Im Gegenteil: Pronationselemente griffen ganz empfindlich in unsere Biomechanik ein, was wiederum zu anderen Problemen führen könne. Wenn ein Stabilschuh zum Beispiel die Kippbewegung des Sprunggelenks mindert, kann diese vermeintliche Verbesserung auch zu biomechanischen Effekten im Kniegelenk führen und bewirken, dass sich die Kräfte unter dem Fuß anders verteilen.

Gibt es den perfekten Laufstil?
Dmitrij Leltschuk
Für die Analyse muss Proband Benjamin Franke Dutzende Male die Laufbahn entlanglaufen.

Die Biomechanik der Laufbewegung ist viel mehr als nur der Fußaufsatz. Wie bewegen sich der Kopf, die Hüfte, das Kniegelenk? Wie bewegen sich Unter- und Oberschenkel zueinander, wie ist der Kniegelenkswinkel beim Fußaufsatz? Es gibt eine fast unbegrenzte Anzahl an Parametern, die miteinander in Beziehung stehen. Schon eine kleine Veränderung an einem Punkt kann große Auswirkungen auf andere Punkte im Bewegungsapparat haben. Wie genau sich welche Maßnahmen auswirken, lässt sich auch heute noch nicht immer exakt nachvollziehen.

Immer mehr Laufschuhhersteller verzichten mittlerweile darauf, ihre Laufschuhe mit Pronationsstützen auszustatten, bei denen es sich meist einfach nur um einen harten Keil an der Innenseite der Schuhe handelt.

Die Auswirkungen von Carbonschuhen auf den Laufstil

Doch Pronationsstützen sind nicht das einzige Problem, das moderne Schuhe heute mit sich bringen. Seit einigen Jahren beobachtet Karsten, der neben seiner Professur an der Medical School auch als Leitender Disziplinarzt im Block Laufen/Gehen beim Deutschen Leichtathletik-Verband tätig ist und sich um deutsche Kaderathletinnen und -athleten kümmert, ganz neue Verletzungsmuster. „Vielleicht liegt es an den neuen Schuhen mit viel Dämpfung und Carbonelementen, dass wir jetzt häufiger Beschwerden im Bereich des Fußes oder Fußwurzelknochens sehen, die bisher selten waren.“ Erste Kausalzusammenhänge, dass die neuen Verletzungen darauf zurückzuführen sind, dass durch die neuen Schuhe die Kräfte im Fuß anders verteilt werden, haben Karsten und sein Team inzwischen in einer Studie veröffentlicht.

Minimalistische Schuhe mit wenig Dämpfung, fehlender Stütze und hoher Flexibilität greifen im Vergleich deutlich weniger stark in unsere Biomechanik ein. Weiterer Vorteil: „Wer mit solchen Schuhen läuft, trainiert seine intrinsische Fußmuskulatur.“ Wenn man bedenkt, dass bei einem zehn Kilometer langen Lauf jeder Fuß etwa 4000-mal das Zwei-, Drei- oder sogar Vierfache des Körpergewichts abfangen muss, sind starke Muskeln, Sehnen und Bänder sehr wichtig. Die Krux: Die meisten von uns wachsen mit Schuhen an den Füßen auf und haben keine starke Fußmuskulatur, die in Kombination mit dem Fußgewölbe und der Achillessehne sehr viel Dämpfung und Energierückgewinnung generieren könnte.

Die neuen Carbonschuhe sind vielleicht der Grund, dass wir jetzt oft Verletzungen sehen, die bislang selten waren.

Auch Benjamin ist meist in modernen Schuhen mit viel Dämpfung und Carbonelementen unterwegs. Kein Wunder, dass bei der Biomechanikanlyse die oben genannten Phänomene daher auch bei ihm messbar sind. „Er setzt extrem supiniert auf dem Vorfuß auf, hat dann aber diesen Moment, wo der Fuß gerade aufrollt. Dabei werden die Sehnen auf der Fußinnenseite sehr stark belastet, was aber nicht unbedingt ein Problem sein muss“, erklärt der Experte. „Allerdings erkennen wir eine starke Verwringung des Fußes, bei der eine hohe Kraftbelastung entsteht, die durchaus ein Problem sein kann.“ Tatsächlich hatte Benjamin erst im vergangenen Jahr eine Stressfraktur im Mittelfuß, also eine Schädigung der Knochensubstanz durch dauernde Überlastung. Wurde sie durch die starke Verwringung des Fußes ausgelöst? Möglich. Oder lag es eher an den Schuhen? Auch möglich. Sollte Benni seinen Laufstil verändern oder andere Laufschuhe tragen? Möglicherweise.

Der Laufstil und die Verletzungsanfälligkeit

Ja, das klinge in der Tat ein wenig unbefriedigend, aber mit Blick auf die Leistungsfähigkeit und Verletzungsanfälligkeit sei Biomechanik immer nur ein Teil des Puzzles, sagt Karsten. Auch Nährstoffmangel, Krankheiten und die Gene können Einfluss auf die Verletzungsanfälligkeit haben. Nicht jede Laufverletzung kommt daher, dass wir mit einer vermeintlich falschen Lauftechnik oder in vermeintlich falschen Laufschuhen unterwegs sind.

Es gibt natürlich auch gute Gründe, warum viele Athletinnen und Athleten mit Carbonschuhen laufen: Sie sorgen bei den meisten von uns für eine bessere Laufökonomie und ermöglichen es so, schneller zu laufen. Das dadurch bewirkte Leistungsplus fällt individuell jeweils unterschiedlich aus, für die meisten jedoch sind Carbonelemente durchaus sinnvoll. Hier bestehe auch die Herausforderung für Karsten als Teamarzt in der Zusammenarbeit mit Topathleten. „Als ehemaliger Leistungssportler kann ich verstehen, dass jemand diese Schuhe tragen möchte, um schneller und konkurrenzfähig rennen zu können. Allerdings habe ich als Mediziner die Gesundheit im Fokus und nicht die Verbesserung der Performance.“ Letztlich betrachte er aber beide Aspekte, also Leistungsfähigkeit und Gesundheit.Viele Läuferinnen und Läufer trainieren mit ihren Carbonschienen auch über längere Zeiträume ohne jegliche Probleme. Es kommt halt immer darauf an, wie genau ein Schuh die individuelle Biomechanik beeinflusst und ob er zu besonders hohen Kräften führt oder nicht.

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Dmitrij Leltschuk
Eine Kraftmessplatte misst die Kräfte, die beim Bodenkontakt auftreten.

„In der Gesamtschau könnte man bei Benjamin durchaus überlegen, ob eine Fußaufsatzveränderung sinnvoll wäre“, fasst Karsten die Auswertungen zusammen. Nicht nur wegen der Verwringung im Fuß, sondern auch aufgrund seiner sportlichen Ziele. Benjamin ist Marathonläufer, sein Laufstil entspreche aber eher dem eines Mittelstrecklers. Er verwende sehr viel Energie, um den Körper nach oben zu bewegen, was die Wadenmuskulatur sehr fordere. Mit einer Umstellung zu einem flacheren Laufstil, der weniger nach oben, sondern mehr nach vorn gerichtet sei, könnte er möglicherweise effizienter und gar noch schneller laufen – ganz unabhängig von den Schuhen.

Der Laufstil kann nur bedingt beeinflusst werden

„Wir können nicht alle so schön laufen wie Eliud Kipchoge“, sagt Karsten. Es gebe Dinge, die man körperlich mitbringe, und Dinge, die man verändern könne. An der Länge von Schienbein, Achillessehne oder Fersenbein kann man nicht viel ändern. Aber die Schrittfrequenz, den Fußaufsatz und die Schrittlänge kann man recht leicht selbst beeinflussen. Gleiches gilt für Laufschuhe oder Einlagen. „Jeder kann seinen Laufstil optimieren. Die Frage ist: Möchte ich Verletzungen vorbeugen oder die Leistung verbessern?“, so Karsten.

Benjamin könnte sich sehr gut vorstellen, seinen Laufstil flacher zu gestalten und eher auf dem Mittelfuß zu landen. Helfen könnten dabei die Laufsensoren, die bereits in vielen Laufuhren verbaut sind und die beim normalen Training viele Daten ermitteln. So zeigt das vertikale Verhältnis, wie sehr sich der Körper bei jedem Schritt auf und ab bewegt. Die Bodenkontaktzeit wiederum verrät, wie lange der Fuß am Boden bleibt.

Eine Anpassung des Laufstils sei aber, selbst wenn man mittels einer Biomechanikanalyse vermeintliche Probleme festgestellt hat, nicht der Heilige Gral. „Unser Körper ist sehr gut darin, möglichst effizient zu arbeiten.“ Selbst bei den meisten Hobbyläuferinnen und -läufern seien das Verhältnis von Schrittlänge und -frequenz sowie die Laufökonomie, also der Energieverbrauch, schon ziemlich optimal, selbst wenn ihr Laufstil nicht lehrbuchhaft ist. Ändere man etwas, etwa die Schuhe oder den Fußaufsatz, würde das ganze System aus dem Gleichgewicht geraten, was zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit und einer größeren Verletzungsanfälligkeit führen kann.

Das könne sogar dann gelten, wenn jemand durch eine Verletzung eine Schonhaltung entwickelt hat und sehr unrund läuft. Unser Körper ist derart darauf spezialisiert, möglichst effizient zu arbeiten, dass Fehlstellungen, etwa durch Verletzungen, oft vollständig kompensiert werden können. „Diese Kompensationsmechanismen können nach einer gewissen Zeit so stabil sein, dass man besser nichts daran ändert“, erklärt Karsten. Wer weiß, vielleicht wäre Paula Radcliffe ohne ihre rudernden Arme und das ständige Kopfnicken 2003 nicht zu einem Marathonweltrekord gerannt.

Nur weil jemand nicht so läuft, wie es in den Lehrbüchern steht, heißt das nicht, dass es schlecht ist. „Auch ich kenne Läufer, bei denen man denkt: Das sieht echt alles andere als optimal aus“, sagt Karsten. Solange diese Athleten verletzungsfrei sind und es bei der Analyse keine Auffälligkeiten wie etwa deutlich zu hohe Kräfte gebe, lasse man besser alles, wie es ist.

Das sollte man beachten, wenn man den Laufstil ändern möchte

Wer trotz allem etwas ändern möchte oder muss, der benötigt vor allem Geduld. „Muskeln passen sich bereits nach sechs bis acht Wochen an veränderte Belastungen an“, erklärt Karsten. Sehnen brauchen mit drei Monaten schon länger. Bei Knochen erfordert eine strukturelle Veränderung sechs bis zwölf Monate. Wer also Hals über Kopf seine Schuhe oder den Laufstil ändert, riskiert im Zweifel eine Verletzung. Die Umstellung sollte daher schrittweise erfolgen: Tragen Sie die neuen Schuhe erst nur für wenige Kilometer und erhöhen Sie dann nach und nach Distanz und Häufigkeit Ihrer Einheiten.

Gibt es den perfekten Laufstil?
Dmitrij Leltschuk
Fürs Foto schauen sich die Wissenschaftler Dominik Fohrmann (sitzend) und Karsten Hollander auch mal die ­dreidimensionale Skelett-Animation an. Für ihre Analysen setzen sie aber mehr auf Algorithmen und Machine Learning, die die enormen Datenmengen, die bei der Analyse gesammelt werden, auswerten und dabei Zusammenhänge und Muster erkennen.

Den perfekten Laufstil oder den besten Laufschuh gibt es nicht. Dennoch kann man mit einer Biomechanikanalyse zumindest individuell beidem näherkommen. Die Analyse-Kombination von Biomechanik und Laufökonomie bietet beispielsweise die Möglichkeit, ganz individuell den schnellsten Schuh und den effizientesten Laufstil zu finden, bei dem wir im Wettkampftempo den geringsten Energiebedarf haben und gleichzeitig vertretbar hohe Kräfte auf den Körper wirken.

Eine Laufstilanalyse kann bei Schmerzen oder Verletzungen helfen

Die meisten biomechanischen Analysen werden jedoch aufgrund von Schmerzen oder Verletzungen durchgeführt, erklärt Karsten. Wer Probleme hat, kann mittels einer Biomechanikanalyse die Ursache höchstwahrscheinlich besser finden als mit vielen anderen Methoden. Denn unser Körper und die Laufbewegung sind so komplex und so gut darin, alles Mögliche zu kompensieren, dass Knieschmerzen beispielsweise aus anderen Regionen wie etwa der Hüfte oder dem Rücken kommen können.

Karsten arbeitet mit seinem Team derzeit vor allem im Bereich der Verletzungsprävention. In einer Studie analysieren die Wissenschaftler die individuelle Biomechanik von über 100 Läuferinnen und Läufern, protokollieren ein Jahr lang deren Training sowie Verletzungen und kombinieren alles mit den Daten eines Bewegungssensors, den die Probanden beim Training tragen. „Mit Algorithmen, Big Data und Machine Learning suchen wir in diesen Daten Zusammenhänge und Muster, die eine Prognose hinsichtlich der Verletzungen zulassen.“ Die meisten Laufverletzungen entstünden selten durch nur eine Einheit, sondern durch kumulierte Belastungen. „Wenn wir es schaffen, sich anbahnende Überlastungen zu erkennen, können wir Verletzungen frühzeitig verhindern“, so Karsten. Das wäre eine schöne Zukunft, in der wir alle besser laufen und seltener durch Verletzungen ausgebremst würden.

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