Ein Punkt fällt beim Modell Lynx der chinesischen Marke 361° direkt ins Auge: die grobstollige Außensohle. Sie scheint wie gemacht für anspruchsvolle Pfade im alpinen Gelände. Und in der Tat positioniert 361° den Lynx als „high-performance“ Trailschuh. Im Test zeigte das Modell aber woanders seine wahren Stärken. Wir verraten, für wen und was der 361° Lynx eine gute Option ist.
Grobe Außensohle
Arbeiten wir uns von unten nach oben und starten mit der Außensohle. Diese ist vom italienischen Gummispezialisten Vibram und nennt sich Litebase Megagrip. Der Name ist Programm: Die Basis, die mit der Mittelsohle verbunden wird, ist aus Gründen der Gewichtsoptimierung sehr dünn gestaltet. Das Profil hat fünf Millimeter hohe Stollen, die eher flächig sind und recht viel Abstand zueinander aufweisen. Da wir diese Vibram-Sohle bereits von anderen Schuhen kennen, wissen wir, dass der Grip hervorragend und der Verschleiß gering ist. Ob lockerer Boden, scharfkantige Steine, rutschige Wurzeln oder tiefer Schlamm – Stollen und Gummimischung sorgen bei jedem Terrain für sicheren Halt. Wo andere Schuhe rutschen, passiert im Lynx: nichts.

Die Außensohle von Vibram verfügt über ein grobes Profil und sorgt dank der Gummimischung auch bei feuchten Bedingungen für sicheren Halt.
Erstaunlicherweise rollt die Außensohle auch gut auf Asphalt ab. Man hat nicht das Gefühl, dass man auf derart hohen und freien Stollen läuft, was wohl an der flächigen Konstruktion und der daraus resultierenden Steifigkeit des Profils liegt. Kurzum: Die Außensohle von Vibram ist in jedem Gelände eine gute Wahl und macht auch Abschnitte auf festem Untergrund und sogar Asphalt erstaunlich gut mit.
Schnelles Abrollverhalten
Über der Außen- sitzt die Mittelsohle. Das von 361° Primo getaufte Material soll für – Zitat – „maximale Dämpfung bei minimalem Gewicht“ sorgen. Und für einen derart voluminösen Schuh ist das Gewicht mit nachgewogenen 291 Gramm in Männergröße EU 44 wirklich gut.
Bei den ersten Schritten fällt der hohe Komfort auf. Die Dämpfung ist weich, aber nicht zu weich oder gar schwammig. Durch die vorn und hinten aufgebogene Geometrie (Rocker-Konstruktion), rollt der Schuh sehr harmonisch und flott ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob man eher auf dem Rückfuß oder dem Mittelfuß landet. Die 35 Millimeter starke Dämpfung hat ausreichend Reserven, um auch bei schweren Personen für einen sanften Bodenaufsatz zu sorgen. Gleichzeitig liefert die Reaktivität der Mittelsohle ein überraschendes Maß an Agilität. Somit gelingt dem 361° Lynx – wie dank der modernen Dämpfungsschäume vielen aktuellen Laufschuhen – der Spagat zwischen Dämpfungskomfort für viele Kilometer und Reaktivität für flotteres Tempo.
Die weiche Mittelsohle schluckt dabei natürlich jedes Gefühl für den Untergrund. Wem beim Traillaufen eine direkte Rückmeldung des Bodens wichtig ist, erhält diese hier nicht. Und das führt zu einem relevanten Nachteil: Die Propriozeption, also die Wahrnehmung über die Position des Fußes, wird stark gemindert. „Der Schuh ist ideal für Wald- und Feldwege, doch sobald der Untergrund wirklich uneben wird, wird es kippelig“, schrieb ein Tester auf seinen Testbogen. Er knickte immer mal wieder leicht um. Ein weiterer Tester sah das genauso, machte dafür aber nicht die Mittelsohle verantwortlich, sondern eher die Passform und das Obermaterial.
Mäßiger Halt

Das eher luftige Obermaterial kommt ganz ohne den für Trailschuhe eigentlich obligatorischen Zehenschutz.
Das Obermaterial ist leicht und luftig. Schuhkragen und Zunge sind angenehm gepolstert, sodass man sich direkt wohlfühlt. Die Passform ist eher breit und voluminös. Auch der Zehenbereich ist nicht zu eng gestaltet. Breite und normalbreite Füße finden ausreichend Platz, schmale Füße müssen hingegen damit leben, dass der Halt im Schuh nicht optimal ist. „Ist der Untergrund geneigt, egal ob aufwärts, abwärts oder seitlich, fühlt man sich nicht fest mit dem Schuh verbunden“, urteilte ein Testläufer mit schmalen Füßen. Im Zusammenspiel mit der weichen Mittelsohle macht das den Schuh nicht zur ersten Wahl auf wirklichen anspruchsvollen Trails. Zudem gleicht das Obermaterial des Lynx grundsätzlich eher dem eines normalen Straßenlaufschuhs. So sucht man den obligatorischen Zehenschutz, den Trailschuhe normalerweise haben, vergebens. Bleibt man mit dem Lynx an einer Wurzel hängen, tut es weh.
Fazit
Während die Außensohle einen Schuh für ruppiges, technisches Gelände vermuten lässt, ist der 361° Lynx mit seiner reaktiven, dämpfenden Mittelsohle und dem luftigen, leichten Obermaterial eher wie ein Straßenschuh konstruiert, der viel Lauffreude in Form von Komfort und Agilität liefert. Läuft man über wurzelige oder steinige Passagen, wünscht man sich etwas mehr Führung und Stabilität der Mittelsohle sowie mehr Schutz und Halt des Obermaterials.
In unseren Augen ist das Modell daher besonders gut für den Einsatz auf Wald- und Feldwegen geeignet, die steinig, matschig, sandig oder auch richtig fest sein dürfen. Auch bei herbstlichen und winterlichen Bedingungen sorgt die Außensohle stets für sicheren Grip.
Spezifikationen
- Kategorie: neutraler Dämpfungs-Trailschuh
- Gewicht: 290 Gramm (Männer), 237 Gramm (Frauen)
- Sprengung: 5 Millimeter (Rückfuß: 35 Millimeter, Vorfuß: 30 Millimeter)
- Preis: 160 Euro