Wenn die Rede von Endorphinen, auch: Endomorphin, ist, geht es meist auch um glückselige Rauschzustände beim und nach dem Sport, um den „Flow-Zustand“ des Runner’s High und um Glücksgefühle nach dem Verzehr einer Tafel Schokolade. Ihren Namen erhielten die endogenen Morphine, kurz Endorphine, durch ihre verblüffende Ähnlichkeit mit dem Rauschgift Morphin (endo = griech. innen, innerlich). Und wie das Wort „Morphin“ schon erahnen lässt, geht es eigentlich gar nicht um Glück, sondern um Schmerzlinderung (Analgesie).
Was sind Endorphine?
Die Produktion der Endorphine erfolgt in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) und im Hypothalamus. Hypophyse und Hypothalamus sind endokrine Organe, also Hormondrüsen. Sie setzen in bestimmten Situationen Hormone in die Blutbahn frei. Auf diese Weise regulieren sie Körperfunktionen, wie beispielsweise Muskelwachstum oder Hunger. Sie stehen im Zusammenspiel mit den Sexualhormonen und beeinflussen das Nervensystem.
Endorphine sind in erster Linie körpereigene Schmerzmittel und sollen Extremsituationen erträglicher machen. Sie docken an Rezeptoren in Rückenmark und Gehirn an, sodass Schmerzreize nicht mehr in das schmerzverarbeitende Zentrum im Gehirn weitergeleitet werden. Die Ausschüttung in Notfallsituationen sorgt also dafür, dass der Schmerz einer Verletzung nicht sofort spürbar ist.
Was bewirken Endorphine im Körper?
Umgangssprachlich sind Endorphine auch als Glückshormone bekannt, da sie als Reaktion auf positive Ereignisse ausgeschüttet werden und eine Art rauschartige Euphorie in uns entfachen. Grund hierfür ist, dass sie an die gleichen Rezeptoren wie Opiate (zum Beispiel Morphin) in unserem Körper andocken. Im Gegensatz zu Dopamin und Serotonin, beide ebenfalls als „Glückshormone“ bezeichnet, sind Endorphine tatsächlich Hormone und keine Neurotransmitter. Neurotransmitter übertragen Informationen de Gehirns zwischen zwei Nervenzellen, indem sie an der Zielzelle an bestimmte Rezeptoren andocken und damit eine Reaktion bewirken. Hormone übertragen Informationen über das Blut, indem sie die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe hemmen oder fördern, die wiederum eine Reaktion eines Organs bewirken.
Des Weiteren haben Endorphine folgende Wirkungen:
- beruhigende Wirkung für verbesserten Schlaf und stressige Situationen
- Stärkung des Immunsystems und Erhalt der psychischen und physischen Gesundheit, auch durch besseren Schlaf und ein durchschnittlich geringeres Stresslevel
- Regulierung von Hunger
- Bildung von Sexualhormonen
Wodurch werden Endorphine ausgeschüttet?
Endorphine werden, wie bereits erwähnt, im Gehirn in der Hypophyse und dem Hypothalamus gebildet. Im Hypothalamus wird dazu ein Vorläuferprotein gebildet, von dem in der Hypophyse neben den Endorphinen noch andere Stoffe abgespalten werden. Damit die Endorphine ihre Wirkung entfalten können, benötigen sie Rezeptoren. Diese befinden sich vor allem im Rückenmark, im Gehirn und im vegetativen Nervensystem. Aktiviert wird das System sowohl durch Notfallsituationen als auch durch positive Ereignisse wie Erfolgserlebnisse beim Sport, Lachen, eine wunderschöne Umgebung, Sonnenschein oder unser Lieblingsessen.
Mit einem Lächeln im Gesicht können wir nicht nur unser Gegenüber erfreuen und die Endorphin-Produktion anregen, sondern auch unser Gehirn austricksen. Dazu müssen wir nicht einmal in geselliger Umgebung sein. Selbst ein aufgesetztes Lachen und das Hochziehen der Mundwinkel reicht aus, um Endorphine auszuschütten. Sonneneinstrahlung erhöht die Produktion von Beta-Endorphin in der Haut. Der Konsum von Schokolade setzt zwar Glückshormone frei, jedoch in deutlich geringerer Menge als es bei körperlicher Bewegung der Fall ist. Für ein Aufhellen der Stimmung sorgt auch der Verzehr von beispielsweise Chili, Avocado, Nüssen, Kefir, Beeren oder Sauerkraut – alles Lebensmittel mit einem hohen Probiotika-Gehalt.
Setzt Joggen Endorphine frei?
Geht es um Joggen und Endorphine, liegt das Thema schnell auf dem Tisch: das Runner’s High. Bei der Frage, wie genau dieser Zustand im Körper entsteht, gehen die Meinungen weiter auseinander. Weitläufig heißt es, die Freisetzung von Endorphinen sorge dafür, dass wir bei extrem langen Läufen (Marathon, Ultradistanzen) trotz Erschöpfung und Schmerzen das Ziel erreichen und allgemein bei Ausdauerbelastungen in einen Zustand der Euphorie kommen. Eigentlich ist man sich aber gar nicht einig, ob Endorphine oder körpereigene cannabisähnliche Stoffe das sogenannte Runner’s High erzeugen. Grund ist die Blut-Hirn-Schranke, für deren Durchdringung das Molekül Endorphin eigentlich zu groß sei.
Schon 2008 konnten Forscher der TU München nachweisen, dass bei einer Ausdauerbelastung wie dem Laufen tatsächlich Endorphine an die Opiatrezeptoren des Gehirns andocken und so schmerzreduzierend wirken und für das bekannte Hochgefühl sorgen. In der Studie liefen die Sportler zwei Stunden lang. Die Endorphine wurden dabei vor allem im Frontallappen und im limbischen System des Gehirns freigesetzt, zwei Gehirnregionen, die für das emotionale Befinden maßgeblich sind.
Da Endorphine unter anderem dann ausgeschüttet werden, wenn der Körper unter Stress gerät, erleben Läuferinnen und Läufer das Runner’s High insbesondere dann, wenn sie kurz vorher aufgrund von Erschöpfung aufgeben wollten, mindestens aber eine Stunde laufend mit einem Puls von etwa 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax) unterwegs waren. Nicht nur die langen Läufe sollen den Beta-Endorphin-Spiegel im Körper erhöhen, sondern auch intensive Tempoläufe und Intervalltraining.
Eine aktuelle randomisierte kontrollierte Studie (RCT) aus dem Jahr 2021 zeigt wiederum, dass die Besetzung der Cannabis-Rezeptoren für das Runner’s High ausschlaggebend sein soll und die Opiatrezeptoren gar nicht relevant seien. Diese Studie wurde allerdings an Mäusen durchgeführt.
Zusätzlich scheint das Hormon Leptin eine Rolle für das Hochgefühl beim Laufen zu spielen. Es wird von Fettzellen freigesetzt, wenn bei Hunger der Fettstoffwechsel angekurbelt wird.
Ob Endorphine, cannabisähnliche Stoffe, Leptin oder die Kombination aus allen drei Möglichkeiten: Laufen macht glücklich! Das ist die wichtigste Erkenntnis.
Möglicherweise ist die Anzahl der Opiatrezeptoren, die Endorphine aufnehmen und damit die Stärke des Glücksgefühls beeinflussen kann, genetisch vorgegeben. Und vielleicht ist das Bedürfnis, viel und lange zu laufen, damit ebenfalls in unseren Genen veranlagt. Auch zu diesen Theorien laufen die wissenschaftlichen Untersuchungen noch. Wir sind auf die Ergebnisse gespannt.
Nach wie vielen Minuten werden beim Joggen Endorphine freigesetzt?
Ergebnisse verschiedener Studien zeigen eine Freisetzung von Endorphinen bei Ausdauerbelastungen wie Joggen nach 45 bis 120 Minuten. Die Belastungsherzfrequenz, mit der die Sportlerinnen und Sportler dabei laufen, scheint eine entscheidende Rolle zu spielen. Je höher die durchschnittliche Herzfrequenz bei einem Lauf, desto schneller eine stimmungsaufhellende Wirkung durch Endorphine.
Wie lange wirken Endorphine?
Die Halbwertszeit von Endorphinen im menschlichen Körper und damit die Wirkdauer beträgt 15 bis 20 Minuten. In Untersuchungen gaben Probanden allerdings an, bis zu 48 Stunden nach einem positiven Erlebnis in besserer Stimmung zu sein.
Welche Folgen hat ein Mangel an Endorphinen?
Da Endorphine für unseren Gemütszustand zuständig sind und bei vermehrter Ausschüttung für eine positive Stimmung sorgen, bewirkt ein Mangel an Endorphinen genau das Gegenteil: Wir werden gereizt, antriebslos und in manchen Fällen sogar depressiv. Dementsprechend betroffene Personen entwickeln mitunter ein an Sucht grenzendes Verhalten, um mit anderen Mitteln, z. B. durch Alkohol, in einen „Rausch“ zu gelangen. Treten die negativen Anzeichen eines Endorphin-Mangels regelmäßig auf, können Bewegung, ein Aufenthalt in der Sonne oder auch ein herzliches Lachen helfen (siehe oben).
Welche weiteren Glückshormone gibt es?
Zusätzlich zu den Endorphinen werden in unserem Körper noch weitere „Glückshormone“ gebildet.
- Serotonin – nimmt an Prozessen im zentralen Nervensystem teil und sorgt für mehr Elan, vor allem dann, wenn die Tage nach dem Winter länger und heller werden
- Dopamin – leitet Gefühle und Empfindungen weiter, kontrolliert die Durchblutung innerer Organe und leitet Impulse an Muskeln weiter
- Noradrenalin – steuert unseren Wachheits- und Aufmerksamkeitsgrad und wird vor allem in geistigen und körperlichen Stresssituationen ausgeschüttet
- Phenethylamin – verantwortlich für unser Lust- und Glücksempfinden, wenn hierfür körperliche oder psychische Ursachen vorliegen
- Oxytocin – reduziert das Gefühl von Angst und Stress und fordert das allgemeine Wohlbefinden, auch als "Kuschelhormon" bekannt
Fazit: Endorphine unterdrücken Schmerzen, machen aber auch glücklich
Endorphine, auch als Endomorphine bezeichnet, sind im Gegensatz zu Dopamin und Serotonin Hormone und keine Neurotransmitter. Endorphine haben eigentlich fälschlicherweise den Namen „Glückshormon“ erhalten. Ihre ursprüngliche Wirkung besteht darin, Schmerzen in Extremsituationen zu reduzieren, indem sie die Reizweiterleitung ins Gehirn verhindern. Deswegen spüren Verletzte kurz nach ihrem Unfall kaum Schmerzen.
Neben der Wirkung als körpereigenes Schmerzmittel können Endorphine aber auch Höhenflüge auslösen. Zum Beispiel bei Läuferinnen und Läufern, die gerne bis zum Runner’s High laufen. Bei der Frage, wie genau das Glücksgefühl im Körper entsteht, gehen die Meinungen jedoch auseinander. Neben der Endorphin-Ausschüttung stehen auch Endocannabinoide (cannabisähnliche Stoffe) und das Hormon Leptin im Zusammenhang mit dem Hochgefühl beim Laufen. Weitere Wirkungsweisen der Endorphine sind eine beruhigende Wirkung (hilfreich vor allem bei Stress und einem unruhigen Schlaf), die Regulation von Hunger und die Stärkung des Immunsystems. Bei einem Endorphin-Mangel sollten möglichst schnell entgegenwirkende Maßnahmen getroffen werden, um die Produktion zu erhöhen, damit depressive Verstimmungen, Antriebslosigkeit und Gereiztheit nicht überhandnehmen.