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Laufen gegen Depressionen

Laufen kann gegen die Symptome einer Depression helfen. Wir erklären, warum Bewegung gut für die Psyche ist.
Laufen kann gegen die Symptome einer Depression helfen. Wir erklären, warum Bewegung gut für die Psyche ist.
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In diesem Artikel:
  • Was ist eine Depression?
  • Welche Symptome deuten auf eine Depression hin?
  • Was sind die Ursachen einer Depression?
  • Kann Sport die Ursache für Depressionen sein?
  • Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie bei der Entwicklung von Depressionen?
  • Wie werden Depressionen behandelt?
  • Welche Rolle spielen Sport und Bewegung bei Depressionen?
  • Buchtipps für Betroffene und Angehörige

"Was ist denn das für eine depressive Stimmung hier?!", ist ein viel genutzter Satz, wenn es darum geht, kurz und salopp zu sagen: Wir brauchen mehr positive Stimmung und mehr Spaß! Dabei sind echte Depressionen mehr als akute Unlust oder plötzliche Stimmungsschwankungen und vorübergehende Einschlafstörungen. Wie man die Erkrankung "Depressionen" erkennt, welche Therapie sinnvoll und hilfreich ist und wie man Freunde oder Familienmitglieder unterstützen kann, erfahren Sie hier.

Was ist eine Depression?

Echte Depressionen sind viel ernster als eine kurzfristige vorübergehende depressive Verstimmung, die jeder von uns mal für ein paar Tage durchlebt, wenn es privat oder beruflich nicht so gut läuft oder uns eine Verletzung dicke Striche durch die Trainingspläne machen.

Depressionen sind eine vor dem Hintergrund der Gesellschaft wandelbare Erkrankung, deren Diagnosewahrscheinlichkeit immer auch ein wenig von den Vorstellungen dessen, was als "normal" empfunden wird, abhängt. Eine objektive Betrachtung des Krankheitsbildes ist deshalb nicht einfach. Die Erkrankung beeinflusst das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen im gesamten Alltag. Menschen, die unter Depressionen leiden, können häufig selbst nicht sagen, ob es sich um eine primär körperliche oder eine psychische Erkrankung handelt.

Wir schildern hier anschaulich eine beispielhafte Situation, wie sie Depressive erleben: Sie sind mit Freunden zu einem gemeinsamen Abend verabredet, sagen aber eine Stunde vorher ab, weil Sie sich nicht aufraffen können und mit Ihrer schlechten Laune niemandem auf die Nerven gehen wollen. Sie legen sich dann aufs Sofa, weil Sie müde sind, können aber trotzdem nicht schlafen. Ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Zwei Stunden später gehen Sie mit Kopfschmerzen zur Medikamentenschublade, um sich eine Kopfschmerztablette zu holen, die nicht gegen den dumpfen Schmerz hilft, während Sie immer noch nicht schlafen können. Am nächsten Morgen stehen Sie wie gerädert auf, um sich nach dem Frühstück nochmal zwei Stunden hinzulegen und abends im Bett wieder wachzuliegen. Aus dieser Antriebslosigkeit, die eine Depression verursacht, können sich die Betroffenen meist nicht selbst befreien.

Welche Symptome deuten auf eine Depression hin?

Die Diagnose der Depression ergibt sich, wenn Sie mindestens zwei Wochen lang fünf der folgenden Fragen mit "Ja" beantworten können. Dabei muss mindestens eine der ersten beiden Fragen (Hauptsymptome) bejaht werden können. Die weiteren zutreffenden drei bis vier Fragen (Nebensymptome) müssen über die Fortdauer von zwei Wochen mit "Ja" beantwortet werden können. Abhängig von Anzahl, Ausprägung und Verteilung von Haupt- und Nebensymptomen ergibt sich daraus die Einteilung in eine leichte, mittelgradige oder schwere Depression.

  1. Leiden Sie an depressiven Verstimmungen?
  2. Haben Sie in letzter Zeit weniger Interesse und Freude an nahezu allen Aktivitäten, denen Sie sonst gerne nachgegangen sind?
  3. Leiden Sie unter vermindertem Appetit und Gewichtsverlust oder gegenteilig unter gesteigertem Appetit und Gewichtszunahme?
  4. Stellen Sie derzeit Schlaflosigkeit oder ein vermehrtes Schlafbedürfnis fest?
  5. Hat sich Ihr Aktivitätsniveau deutlich verändert (psychische Hemmung oder Unruhe)?
  6. Leiden Sie unter Energieverlust oder großer Müdigkeit?
  7. Haben Sie Schuldgefühle oder Gefühle der Wertlosigkeit?
  8. Hat sich Ihre Konzentrationsfähigkeit, Denk- oder Entscheidungsfähigkeit verringert?
  9. Haben Sie wiederkehrende Gedanken an Tod oder Suizid?

Was sind die Ursachen einer Depression?

Die Ursachen von Depressionen sind individuell. Während bei Laufverletzungen meist eine konkrete Ursache vorliegt, entstehen Depressionen aus einer Kombination mehrerer Faktoren auf neurobiologischer (also körperlicher) und psychosozialer Ebene. Ursächlich können genetische Faktoren, ein Ungleichgewicht der Stresshormone im Körper oder eine Regulationsstörung einzelner Botenstoffe in bestimmten Hirnregionen sein. Diese neurobiologischen Aspekte reichen meist jedoch nicht aus, um eine Depression auszulösen. Erst das zusätzliche Vorhandensein der psychosozialen Aspekte wie traumatische Erlebnisse oder Verlusterlebnisse sowie chronische Überlastung in Privatleben oder Beruf löst die Symptome aus, die zur Diagnose der Depression führen.

Kann Sport die Ursache für Depressionen sein?

Depressionen im Spitzensport sind ein mittlerweile viel diskutiertes Thema. Gerade im Leistungssport passen die eigenen Erwartungen häufig nicht mit der erbrachten Leistung zusammen. Das führt zu einer Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild, die den Sportler in eine dauerhafte Unzufriedenheit stürzt. Im Sport geht die Diagnose der Depression fast ausschließlich mit dem Gefühl "Ich bin nicht gut genug" einher. Interessant ist, dass Sportler aus Mannschaftssportarten offensichtlich seltener an Depressionen erkranken als Individualsportler. Das geht aus einer Studie des Journal of Sports Science & Medicine 2019 hervor.

Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie bei der Entwicklung von Depressionen?

Seit Beginn der Corona-Pandemie gewinnen Depressionen mehr und mehr an Bedeutung. Im April 2020 entwickelte sich der Begriff des "Wuhan-Syndroms". Das Wuhan-Syndrom ist der medizinische Überbegriff für Ängste, psychischen Stress und Erschöpfung, Nervosität und Schreckhaftigkeit sowie die Zunahme von Schlafstörungen als Folge der Maßnahmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie notwendig wurden. Dazu zählen vor allem Bewegungsdefizite durch Quarantäne, Homeoffice, geschlossene Trainingsstätten oder ausgesetzte Trainingszeiten und soziale Isolation durch Schließung von Vereinen, Schulen und ganzen Unternehmen. Nicht zu vergessen, all' die Unternehmer, die aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung plötzlich mit einer Insolvenz konfrontiert werden.

Depressionen sind somit eine mögliche Folgeerkrankung von COVID-19, die sich aus der veränderten Lebenssituation, aber auch aus den bisher nicht absehbaren gesundheitlichen Langzeitschäden nach durchlaufener Infektion entwickeln kann.

Wie werden Depressionen behandelt?

Die Behandlung von Depressionen basiert auf zwei Säulen: der medikamentösen Therapie mittels Antidepressiva und der Psychotherapie. Weil Depressionen sich eher als psychische Problematik äußern, ist es anfangs für viele Betroffene schwer, Medikamente als eine geeignete Therapie anzusehen. Dabei ist es für eine erfolgreiche Therapie wichtig, dass diese regelmäßig eingenommen werden. Die Antriebslosigkeit und die empfundene Sinn- und Hoffnungslosigkeit erschweren die regelmäßige Teilnahme an psychotherapeutischen Sitzungen. An dieser Stelle kommen Freunde und Angehörige ins Spiel, die für den Betroffenen genau eines gewährleisten können: Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit. Denn vor allem bei Depressionen gilt: "Aller Anfang ist schwer!" Aber: "Jeder Schlag in die gleiche Kerbe bringt dich näher ans Ziel."

Antidepressiva beeinflussen das Zusammenspiel der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin. Sie sorgen dafür, dass zwischen zwei Zellen möglichst viele Botenstoffe wie Serotonin vorhanden sind, um so eine höhere Aktivität und stärkere Reize in der Erfolgszelle zu gewährleisten. Wichtig zu wissen ist, dass Antidepressiva nicht sofort wirken, sondern erst nach ein bis zwei Wochen zu einer Verbesserung der Symptome einer Depression beitragen. Nehmen daraufhin die Antriebslosigkeit sowie Stimmungsschwankungen ab, muss das Medikament vorerst weiter eingenommen werden, bevor es schrittweise ausgeschlichen werden kann. Nur so lassen sich Rückfälle vermeiden.

Die psychotherapeutische Behandlung klärt behutsam mögliche seelische Ursachen für die Entstehung der Depression. Häufig entstehen Depressionen durch fehlende Ziele oder falsch gesetzte Ziele, durch eigene Fehleinschätzung oder eine ungeplante plötzliche Veränderung der Lebensumstände. Psychotherapeuten stellen die richtigen Fragen zur richtigen Zeit und helfen den Betroffenen dabei, negative Gedanken neu zu sortieren, alte Blickwinkel zu verändern und Strategien zu erarbeiten, die den Umgang mit der empfundenen Hoffnungslosigkeit erleichtern.

Die aktuellen Leitlinien zur Behandlung von Depressionen finden Sie hier.

Welche Rolle spielen Sport und Bewegung bei Depressionen?

Eines vorweg: Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts ist ein Drittel bis die Hälfte der Deutschen sportlich inaktiv. Klingt komisch? Mag sein. In Anbetracht der Ergebnisse von Studien, die den Zusammenhang zwischen körperlicher Bewegung und Depressionen untersuchen, sind diese Eckdaten jedoch höchst relevant.

Die HUNT-Studie wurde 2018 veröffentlicht und zeigt, dass jede regelmäßige körperliche Aktivität – und sei sie auch noch so gering – die Entstehung einer Depression verhindern oder verlangsamen kann. Schon 1,5 bis 2 Stunden körperliche Aktivität pro Woche führen zu einer deutlich geringeren Erkrankungswahrscheinlichkeit. Interessanterweise lassen sich reine Angststörungen durch sportliche Aktivität allerdings nicht verhindern. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass etwa 12 % der zukünftigen Depressionsfälle verhindert werden könnten, sofern sich der Großteil der Bevölkerung mindestens eine Stunde pro Woche kontinuierlich bewegen würde.

Während zur Prävention von Depressionen mindestens eine Stunde Sport pro Woche als ausreichend angesehen wird, verändern sich die Symptome einer bestehenden Depression erst bei mindestens drei aerob absolvierten Trainingseinheiten pro Woche. Dazu gehören Laufen, schnelles Gehen, Fahrradfahren, Rudern, Krafttraining und Tanzen über eine Dauer von mindestens 10 bis 16 Wochen. Wie lange und mit welcher Intensität genau man sich bewegen sollte, um eine eindeutige positive Wirkung auf die Entwicklung der Depression zu erlangen, ist noch nicht eindeutig geklärt. Sinnvoll erscheint es jedoch, die Empfehlungen der WHO als Grundlage für einen Trainingsplan zur ergänzenden Behandlung von Depressionen heranzuziehen:

  • Bewegen Sie sich mindestens 150 Minuten pro Woche bei moderater Intensität oder mindestens 75 Minuten pro Woche bei starker Intensität. Auch eine Kombination beider Trainingsarten ist sinnvoll.
  • Halten Sie jede Aktivität mindestens 10 Minuten durch.
  • Ergänzen Sie Ihr Ausdauertraining an mindestens zwei Tagen pro Woche durch Kraftübungen der großen Muskelgruppen (Beine, Arme, Bauch, Rücken).
  • Die gute Nachricht: Bei einer Steigerung bzw. Verdopplung der empfohlenen Intensitäten wartet eine noch bessere gesundheitliche Entwicklung auf Sie.

Auch eine Studie des Massachusetts General Hospital in Boston zeigt: Sich mehr zu bewegen kann die Häufigkeit depressiver Episoden deutlich reduzieren. Die Forscher hatten die Gesundheitsdaten von 8000 Patienten während zwei Jahren untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von depressiven Episoden an körperliche Aktivität gekoppelt ist. Bei denjenigen Probanden, die sich einige Stunden pro Woche sportlich betätigten, waren depressive Episoden seltener als bei der inaktiven Vergleichsgruppe.

Vor allem zeigte sich, dass selbst eine genetische Veranlagung nicht zwangsläufig bedeutet, dass man unter Depressionen leiden muss. "Die Studie zeigt einmal mehr, dass es ganz stark auf den persönlichen Lebenswandel ankommt", sagt Campbell Murdoch, einer von vielen Hausärzten, die ihren Depressionspatienten Laufen als Therapie verschreiben. "Die Gene mögen eine Rolle spielen, aber wichtiger als die Veranlagung ist, was wir daraus machen." Interessanterweise zeigte die Studie zudem, dass sowohl Belastungen im höheren als auch im niedrigeren Intensitätsbereich einen positiven Effekt hatten. Es war nicht einmal nötig, besonders lange Sport zu machen. "Durchschnittlich 35 Minuten zusätzliche körperliche Aktivität pro Tag könnten genügen, um das Risiko neuer depressiver Episoden zu senken", so Karmel Choi, Hauptautorin der Studie.

Buchtipps für Betroffene und Angehörige

Abseits der medizinischen Fachbücher gibt es hier ein paar Tipps für Literatur, die einem nicht nur erklären, was bei Betroffenen gerade alles "nicht normal" läuft. Depressionen bedeuten schließlich nicht, dass jemand seinen Humor verloren hat oder dass der Kampfgeist weggelaufen ist. Also: Buch raus, Kaffeetasse in die Hand, ab in den Liegestuhl.

  • How not to die von Michael Greger: Das Buch zeigt die Wichtigkeit der Ernährung bei vielen Erkrankungen auf und greift auch den Zusammenhang zwischen Depressionen und Ernährung auf.
  • Arschtritt von Holger Senzel: Der Journalist beschreibt seinen eigenen Weg aus der Depression zurück ins Leben.
  • Mein schwarzer Hund von Matthew Johnstone: Ein Buch, das hilft, ins Gespräch zu kommen.
  • Mit dem schwarzen Hund leben von Matthew Johnstone: Ein Buch für Angehörige und Freunde, das hilft Depressionen zu erkennen, mit Betroffenen umzugehen und sich selbst dabei nicht zu vergessen.
  • Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben von Matt Haig: Die humorvolle Beschreibung des Weges aus einer dramatischen schweren Depression hin zu einem lebensbejahenden Leben.
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Erscheinungsdatum 16.03.2023

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