Auf der Suche nach Motivation
Depressionen – so kann Laufen helfen

Laufen kann gegen die Symptome einer Depression helfen. Wir erklären, warum Bewegung gut für die Psyche ist.
Laufen kann gegen die Symptome einer Depression helfen. Wir erklären, warum Bewegung gut für die Psyche ist.
Foto: iStockphoto
In diesem Artikel:
  • Was ist eine Depression?
  • Welche Symptome deuten auf eine Depression hin?
  • Was sind die Ursachen einer Depression?
  • Was sind Neurotransmitter?
  • Welche Neurotransmitter stehen in Zusammenhang mit Depressionen?
  • Welche Neurotransmitter werden beim Joggen ausgeschüttet?
  • Was macht Laufen mit der Psyche?
  • Kann Sport die Ursache für Depressionen sein?
  • Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie bei der Entwicklung von Depressionen?
  • Wie werden Depressionen behandelt?
  • Welche Rolle spielen Sport und Bewegung bei Depressionen?
  • Kann Laufen gegen Depressionen helfen?
  • Wie viel Sport ist bei Depressionen empfehlenswert?
  • Wie bleibe ich trotz Depressionen motiviert?
  • Buchtipps für Betroffene und Angehörige
  • Fazit: Man kann Depressionen nicht davon joggen - aber Laufen kann helfen, sich besser zu fühlen

"Was ist denn das für eine depressive Stimmung hier?!", ist ein viel genutzter Satz, wenn es darum geht, kurz und salopp zu sagen: Wir brauchen mehr positive Stimmung und mehr Spaß! Dabei sind echte Depressionen mehr als akute Unlust oder plötzliche Stimmungsschwankungen und vorübergehende Einschlafstörungen. Wie man die Erkrankung "Depressionen" erkennt, welche Therapie hilfreich ist, welche Rolle Bewegung bei Depressionen spielt, warum Joggen gegen Depressionen helfen kann und wie man Freunde oder Familienmitglieder sinnvoll unterstützt, erfahren Sie hier.

In einem akuten Krisenfall finden Sie schnelle Hilfe über ein Krisentelefon. Hier geht’s zur Übersichtsseite der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention:
» Überregionale Krisentelefone

Was ist eine Depression?

Echte Depressionen sind viel ernster als eine kurzfristige vorübergehende depressive Verstimmung, die jeder von uns mal für ein paar Tage durchlebt, wenn es privat oder beruflich nicht so gut läuft oder uns eine Verletzung dicke Striche durch die Trainingspläne und die Wettkampfplanung machen.

Depressionen sind eine vor dem Hintergrund der Gesellschaft wandelbare Erkrankung, deren Diagnosewahrscheinlichkeit immer auch ein wenig von den Vorstellungen dessen, was als "normal" empfunden wird, abhängt. Eine objektive Betrachtung des Krankheitsbildes ist deshalb nicht einfach. Die Erkrankung beeinflusst das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen im gesamten Alltag. Menschen, die unter Depressionen leiden, können häufig selbst nicht sagen, ob es sich um eine primär körperliche oder eine psychische Erkrankung handelt.

Wir schildern hier anschaulich eine beispielhafte Situation, wie sie Depressive erleben: Sie sind mit Freunden zu einem gemeinsamen Abend verabredet, sagen aber eine Stunde vorher ab, weil Sie sich nicht aufraffen können und mit Ihrer schlechten Laune niemandem auf die Nerven gehen wollen. Sie legen sich dann aufs Sofa, weil Sie müde sind, können aber trotzdem nicht schlafen. Ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Zwei Stunden später gehen Sie mit Kopfschmerzen zur Medikamentenschublade, um sich eine Kopfschmerztablette zu holen, die nicht gegen den dumpfen Schmerz hilft, während Sie immer noch nicht schlafen können. Am nächsten Morgen stehen Sie wie gerädert auf, um sich nach dem Frühstück erneut zwei Stunden hinzulegen und abends im Bett wieder wachzuliegen. Aus dieser Antriebslosigkeit, die eine Depression verursacht, können sich die Betroffenen meist nicht selbst befreien. Eins der wichtigsten Ziele in der Behandlung von Depressionen ist es deshalb, den Teufelskreis aus Motivationslosigkeit, Hilflosigkeit und Rückzug zu durchbrechen.

Welche Symptome deuten auf eine Depression hin?

Die Diagnose der Depression ergibt sich, wenn Sie mindestens zwei Wochen lang fünf der folgenden Fragen mit "Ja" beantworten können. Dabei muss mindestens eine der ersten beiden Fragen (Hauptsymptome) bejaht werden können. Die weiteren zutreffenden drei bis vier Fragen (Nebensymptome) müssen über die Fortdauer von zwei Wochen mit "Ja" beantwortet werden können. Abhängig von Anzahl, Ausprägung und Verteilung von Haupt- und Nebensymptomen ergibt sich daraus die Einteilung in eine leichte, mittelgradige oder schwere Depression.

  1. Leiden Sie an depressiven Verstimmungen?
  2. Haben Sie in letzter Zeit weniger Interesse und Freude an nahezu allen Aktivitäten, denen Sie sonst gerne nachgegangen sind?
  3. Leiden Sie unter vermindertem Appetit und Gewichtsverlust oder gegenteilig unter gesteigertem Appetit und Gewichtszunahme?
  4. Stellen Sie derzeit Schlaflosigkeit oder ein vermehrtes Schlafbedürfnis fest?
  5. Hat sich Ihr Aktivitätsniveau deutlich verändert (psychische Hemmung oder Unruhe)?
  6. Leiden Sie unter Energieverlust oder großer Müdigkeit?
  7. Haben Sie Schuldgefühle oder Gefühle der Wertlosigkeit?
  8. Hat sich Ihre Konzentrationsfähigkeit, Denk- oder Entscheidungsfähigkeit verringert?
  9. Haben Sie wiederkehrende Gedanken an Tod oder Suizid?

Was sind die Ursachen einer Depression?

Die Ursachen von Depressionen sind individuell. Während bei Laufverletzungen meist eine konkrete Ursache vorliegt, entstehen Depressionen aus einer Kombination mehrerer Faktoren auf neurobiologischer (also körperlicher) und psychosozialer Ebene. Ursächlich können genetische Faktoren, ein Ungleichgewicht der Stresshormone im Körper oder eine Regulationsstörung einzelner Botenstoffe (Neurotransmitter) in bestimmten Hirnregionen sein. Diese neurobiologischen Aspekte reichen meist jedoch nicht aus, um eine Depression auszulösen. Erst das zusätzliche Vorhandensein der psychosozialen Aspekte wie traumatische Erlebnisse oder Verlusterlebnisse sowie chronische Überlastung in Privatleben oder Beruf löst die Symptome aus, die zur Diagnose der Depression führen.

Was sind Neurotransmitter?

Die Kommunikation in unserem Gehirn erfolgt mithilfe von Neuronen. Sie sind sozusagen die Signalautobahnen unseres Körpers. Diese Neuronen sind nicht alle miteinander verbunden, sondern es liegen Lücken dazwischen. Die Übertragung von Informationen über diese Lücken vom Ende eines Neurons (Synapse) zum Anfang des nächsten Neurons (Postsynaptische Membran) übernehmen die Neurotransmitter. Sie werden auf Vorrat in den Synapsen des informierenden Neurons gebildet und überbringen die Botschaft eines Neurons zum nächsten, sobald ein Reiz dort ankommt. Am nächsten Neuron angekommen, docken sie an einen Rezeptor an und bewirken so eine Reaktion in der Zielzelle. Es gibt Neurotransmitter, die eine Zielzelle in dem, was sie tut, hemmen und solche, die ihre Zielzelle fördern. Ist die Information übertragen, werden die Neurotransmitter wiederverwertet oder abgebaut. Medikamente, die den Neurotransmittern ähnlich sind, können die Rezeptoren einer Zielzelle blockieren und so den Informationsfluss stören.

Viele Neurotransmitter sind gleichzeitig Hormone und haben somit noch einen weiteren Signalweg für die Informationsweitergabe. Sie wirken nicht nur im synaptischen Spalt im Gehirn, sondern entfalten ihre Wirkung außerdem über die Blutbahn an ihrer Zielzelle.

Welche Neurotransmitter stehen in Zusammenhang mit Depressionen?

Dopamin, Serotonin und Noradrenalin sind die bekanntesten, mit Depressionen in Zusammenhang gebrachten Neurotransmitter. Serotonin und Dopamin sind auch auch als Glückshormone bekannt, weil sie stimmungsaufhellend wirken und für die Glücksgefühle in bestimmten Lebenssituationen, z. B. bei sportlichen Erfolgen, verantwortlich sein sollen. Serotonin wirkt außerdem beruhigend und schmerzhemmend. Es beeinflusst unseren Tag-Nacht-Rhythmus und unseren Appetit. Und es hat laut einer randomisierten kontrollierten (RCT-)Studie von 2021 noch eine wichtige Wirkung: Serotonin hilft unserem Gehirn, Veränderungen zuzulassen und sich daran anzupassen (Prinzip der Neuroplastizität). Dopamin ist die Vorstufe von Noradrenalin. Beide Neurotransmitter haben eine anregende und motivierende Wirkung. Dopamin, Serotonin und Noradrenalin werden nicht gezielt an einer einzelnen Synapse ausgeschüttet, sondern an vielen Synapsen gleichzeitig.

Bei Depressionen werden häufig selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) verabreicht, die dafür sorgen, dass Serotonin, hat es einmal an seinen Rezeptor angedockt und seine Wirkung entfaltet, nicht vom Körper wiederaufgenommen und verwertet wird. Stattdessen wird es wieder in den synaptischen Spalt freigesetzt. Auf diese Weise erhöht sich die Menge des verfügbaren Serotonins im Gehirn. Auch Wiederaufnahmehemmer von Noradrenalin und Dopamin werden in der Therapie von Depressionen eingesetzt, jedoch nicht so häufig wie SSRIs.

Ein weiterer wichtiger und vielleicht der bekannteste Neurotransmitter, der in Zusammenhang mit Depressionen steht: Endorphin. Endorphin ist das körpereigene Morphin, das gezielt Rezeptoren der Zielzelle blockiert und so seine analgetische Wirkung entfaltet und schmerzreduzierend wirkt. Endorphine sorgen dafür, dass wir Verletzungen im Wettkampf anfangs kaum als schmerzhaft wahrnehmen, während wir am Ende der Euphorie eines Besseren belehrt werden. Sie lassen uns Extremsituationen besser aushalten.

Übrigens: Neurotransmitter werden unter Mitwirkung von Vitamin D aus Aminosäuren gebildet und erhalten ihre Wirksamkeit durch Omega-3-Fettsäuren. Tryptophan beispielsweise ist die Vorstufe des Neurotransmitters Serotonin. Ein Mangel an bestimmten Aminosäuren, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren kann deshalb auch die Stimmung beeinflussen. In Nahrungsmitteln enthaltenes Serotonin gelangt allerdings nicht ins Gehirn. Der Mythos, man könne sich mit serotoninhaltigen Lebensmitteln glücklich essen, stimmt also so nicht. Isst man allerdings viele Kohlenhydrate, stellt der Körper vermehrt die Aminosäure Tryptophan bereit und es wird mehr Serotonin produziert.

Welche Neurotransmitter werden beim Joggen ausgeschüttet?

Ausdauersport erhöht die Menge der Neurotransmitter und Hormone Dopamin, Serotonin und Noradrenalin im Gehirn. Eine reine Glückshormonexplosion also? Moment mal: Laufen ist aber doch auch Stress. Nur dadurch, dass wir unseren Körper diesem Stress aussetzen, werden wir schließlich besser. Stimmt. Beim Laufen werden auch Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Regelmäßiges Training sorgt allerdings dafür, dass die ausgeschüttete Menge mit steigendem Trainingszustand abnimmt.

Auch im Herzen zeigt Sport seine Wirkung: Das bei Ausdauersport ausgeschüttete Eiweiß ANP (Atriales Natriuretisches Peptid) wirkt positiv gegen Angstzustände. Bei depressiven Sportlern und Sportlerinnen ist die produzierte Menge nach einer Trainingseinheit allerdings geringer als bei gesunden Sporttreibenden.

Was macht Laufen mit der Psyche?

Wer nicht von Depressionen betroffen ist und regelmäßig läuft, kennt das Hochgefühl, das sich nach mehreren Kilometern einstellt und uns motiviert, immer wieder in die Laufschuhe zu steigen: das Gefühl, "im Flow" zu sein. Unter Läuferinnen und Läufern sprechen wir hierbei oft vom Runner's High. Das ist das Gefühl während eines Laufs, in dem man einfach so dahinfliegt, ohne die körperliche Anstrengung wirklich zu merken. Und während man über den Boden schwebt, fühlt sich auch das restliche Leben plötzlich ganz leicht an. Egal, ob man vor dem Laufen über Probleme nachgegrübelt hat oder der Tag irgendwie schon am Morgen verbraucht war. Und egal, was man nach so einem Lauf anpackt: es ist irgendwie einfach. Wieso also mit Depressionen nicht einfach laufen und den "Flow-Zustand" erreichen?

Ganz so einfach ist es nicht, aber: Laufen und auch andere Sportarten stärken das Selbstwirksamkeitsgefühl und erhöhen das Selbstwertgefühl. Wer eine (geplante) Trainingseinheit absolviert hat, durchbricht damit den Teufelskreis der Hilflosigkeit, in dem sich depressive Menschen befinden. Außerdem steigert sportliche Belastung das Körperbewusstsein.

Was ebenfalls fast jeder kennt, auch abseits des Sports: Gute Musik mit dem richtigen Rhythmus hebt fast immer die Stimmung. Und tatsächlich scheint der regelmäßige Takt der Laufbewegung das Gehirn zu beruhigen und ihm dabei zu helfen, sich zu sortieren.

Kann Sport die Ursache für Depressionen sein?

Depressionen im Spitzensport sind ein viel diskutiertes Thema. Gerade im Leistungssport passen die eigenen Erwartungen häufig nicht mit der erbrachten Leistung zusammen. Das führt zu einer Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild, die den Sportler oder die Sportlerin in eine dauerhafte Unzufriedenheit stürzt. Im Sport geht die Diagnose der Depression fast ausschließlich mit dem Gefühl "Ich bin nicht gut genug" einher. Interessant ist, dass Sporttreibende aus Mannschaftssportarten offensichtlich seltener an Depressionen erkranken als Individualsportler. Das geht aus einer Studie des Journal of Sports Science & Medicine 2019 hervor.

Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie bei der Entwicklung von Depressionen?

Seit Beginn der Corona-Pandemie gewinnen Depressionen mehr und mehr an Bedeutung. Im April 2020 entwickelte sich der Begriff des "Wuhan-Syndroms". Das Wuhan-Syndrom ist der medizinische Überbegriff für Ängste, psychischen Stress und Erschöpfung, Nervosität und Schreckhaftigkeit sowie die Zunahme von Schlafstörungen als Folge der Maßnahmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie notwendig wurden. Dazu zählen vor allem Bewegungsdefizite durch Quarantäne, Homeoffice, geschlossene Trainingsstätten oder ausgesetzte Trainingszeiten und soziale Isolation durch Schließung von Vereinen, Schulen und ganzen Unternehmen. Nicht zu vergessen, all' die Unternehmerinnen und Unternehmer, die aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung plötzlich mit einer Insolvenz konfrontiert werden. Depressionen sind somit eine mögliche Folgeerkrankung von COVID-19, die sich aus der veränderten Lebenssituation, aber auch bei Long COVID entwickeln kann.

Wie werden Depressionen behandelt?

Die Behandlung von Depressionen basiert auf zwei Säulen: der medikamentösen Therapie mittels Antidepressiva und der Psychotherapie. Weil Depressionen sich eher als psychische Problematik äußern, ist es anfangs für viele Betroffene schwer, Medikamente als eine geeignete Therapie anzusehen. Dabei ist es für eine erfolgreiche Therapie wichtig, dass diese regelmäßig eingenommen werden. Die Antriebslosigkeit und die empfundene Sinn- und Hoffnungslosigkeit erschweren die regelmäßige Teilnahme an psychotherapeutischen Sitzungen. An dieser Stelle kommen Freunde und Angehörige ins Spiel, die für den betroffenen Menschen genau eines gewährleisten können: Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit. Denn vor allem bei Depressionen gilt: "Aller Anfang ist schwer!" Aber: "Jeder Schlag in die gleiche Kerbe bringt dich näher ans Ziel."

Antidepressiva beeinflussen das Zusammenspiel der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin. Sie sorgen dafür, dass zwischen zwei Zellen möglichst viele Botenstoffe wie Serotonin vorhanden sind, um so eine höhere Aktivität und stärkere Reize in der Erfolgszelle zu gewährleisten. Wichtig zu wissen ist, dass Antidepressiva nicht sofort wirken, sondern erst nach ein bis zwei Wochen zu einer Verbesserung der Symptome einer Depression beitragen. Nehmen daraufhin die Antriebslosigkeit sowie Stimmungsschwankungen ab, muss das Medikament vorerst weiter eingenommen werden, bevor es schrittweise ausgeschlichen werden kann. Nur so lassen sich Rückfälle vermeiden.

Die psychotherapeutische Behandlung klärt behutsam mögliche seelische Ursachen für die Entstehung der Depression. Häufig entstehen Depressionen durch fehlende Ziele oder falsch gesetzte Ziele, durch eigene Fehleinschätzung oder eine ungeplante plötzliche Veränderung der Lebensumstände. Psychotherapeutinnen und -therapeuten stellen die richtigen Fragen zur richtigen Zeit und helfen den Betroffenen dabei, negative Gedanken neu zu sortieren, alte Blickwinkel zu verändern und Strategien zu erarbeiten, die den Umgang mit der empfundenen Hoffnungslosigkeit erleichtern.

Die aktuellen Leitlinien zur Behandlung von Depressionen finden Sie hier.

Welche Rolle spielen Sport und Bewegung bei Depressionen?

Eines vorweg: Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts ist ein Drittel bis die Hälfte der Deutschen sportlich inaktiv. Klingt komisch? Mag sein. In Anbetracht der Ergebnisse von Studien, die den Zusammenhang zwischen körperlicher Bewegung und Depressionen untersuchen, sind diese Eckdaten jedoch höchst relevant.

Die HUNT-Studie wurde 2018 veröffentlicht und zeigt, dass jede regelmäßige körperliche Aktivität – und sei sie auch noch so gering – die Entstehung einer Depression verhindern oder verlangsamen kann. Schon 1,5 bis 2 Stunden körperliche Aktivität pro Woche führen zu einer deutlich geringeren Erkrankungswahrscheinlichkeit. Interessanterweise lassen sich reine Angststörungen durch sportliche Aktivität allerdings nicht verhindern. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass etwa 12 Prozent der zukünftigen Depressionsfälle verhindert werden könnten, sofern sich der Großteil der Bevölkerung mindestens eine Stunde pro Woche kontinuierlich bewegen würde.

Auch eine Studie des Massachusetts General Hospital in Boston zeigt: Sich mehr zu bewegen, kann die Häufigkeit depressiver Episoden deutlich reduzieren. Die Forscher hatten die Gesundheitsdaten von 8.000 Patienten während zwei Jahren untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von depressiven Episoden an körperliche Aktivität gekoppelt ist. Bei denjenigen Untersuchten, die sich einige Stunden pro Woche sportlich betätigten, waren depressive Episoden seltener als bei der inaktiven Vergleichsgruppe.

Vor allem zeigte sich, dass selbst eine genetische Veranlagung nicht zwangsläufig bedeutet, dass man unter Depressionen leiden muss. "Die Studie zeigt einmal mehr, dass es ganz stark auf den persönlichen Lebenswandel ankommt", sagt Campbell Murdoch, einer von vielen Hausärzten, die ihren Depressionspatienten Laufen als Therapie verschreiben. "Die Gene mögen eine Rolle spielen, aber wichtiger als die Veranlagung ist, was wir daraus machen." Interessanterweise zeigte die Studie zudem, dass sowohl Belastungen im höheren als auch im niedrigeren Intensitätsbereich einen positiven Effekt hatten. Es war nicht einmal nötig, besonders lange Sport zu machen. "Durchschnittlich 35 Minuten zusätzliche körperliche Aktivität pro Tag könnten genügen, um das Risiko neuer depressiver Episoden zu senken", so Karmel Choi, Hauptautorin der Studie.

Kann Laufen gegen Depressionen helfen?

Joggen kann depressive Symptome lindern und das Auftreten von Angststörungen und Panikattacken verringern und sogar akut verhindern. Während zur Prävention von Depressionen mindestens eine Stunde Sport pro Woche als ausreichend angesehen wird, verändern sich die Symptome einer bestehenden Depression erst bei mindestens drei aerob absolvierten Trainingseinheiten pro Woche. Dazu gehören Laufen, schnelles Gehen, Fahrradfahren, Rudern, Krafttraining und Tanzen über eine Dauer von mindestens 10 bis 16 Wochen.

Wie viel Sport ist bei Depressionen empfehlenswert?

Wie lange und mit welcher Intensität genau man sich bewegen sollte, um eine eindeutige positive Wirkung auf die Entwicklung der Depression zu erlangen, ist noch nicht eindeutig geklärt. Sinnvoll erscheint es jedoch, die Empfehlungen der WHO als Grundlage für einen Trainingsplan zur ergänzenden Behandlung von Depressionen heranzuziehen:

  • Bewegen Sie sich mindestens 150 Minuten pro Woche bei moderater Intensität oder mindestens 75 Minuten pro Woche bei starker Intensität. Auch eine Kombination beider Trainingsarten ist sinnvoll.
  • Halten Sie jede Aktivität mindestens 10 Minuten durch.
  • Ergänzen Sie Ihr Ausdauertraining an mindestens zwei Tagen pro Woche durch Kraftübungen der großen Muskelgruppen (Beine, Arme, Bauch, Rücken).
  • Die gute Nachricht: Bei einer Steigerung bzw. Verdopplung der empfohlenen Intensitäten wartet eine noch bessere gesundheitliche Entwicklung auf Sie.

Wie bleibe ich trotz Depressionen motiviert?

Ein Problem, die viele Betroffene umtreibt, ist Folgendes: Sport hilft? Schön und gut. Aber wie schaffe ich es, mich zum Joggen aufzuraffen, wenn mir doch irgendwie für alles die Motivation fehlt? Das schwierigste für Betroffene ist das Anfangen, der Entschluss: Ich gehe jetzt laufen! Oder einfach nur: Ich bewege mich jetzt 15 Minuten kontinuierlich. Setzen Sie sich feste Termine für sportliche Aktivitäten. Dazu gehören nicht nur ein Tag und eine Uhrzeit, sondern auch die entsprechende Vorbereitung. Legen Sie sich Kleidung und Equipment so zurecht, dass Sie nur hineinsteigen und loslegen müssen.

Bitten Sie einen Freund, eine Bekannte, Ihre Nachbarin oder eine andere Person Ihrer Wahl, sich mit Ihnen gemeinsam zu einem Zeitpunkt X zu bewegen. Eine Freundin läuft ambitioniert und weit mehr als Sie es aktuell könnten? Begleiten Sie sie auf den ersten zwei Kilometern. Dann ist sie warm und kann ins Training starten und Sie waren auch unterwegs. Oder leihen Sie den Hund von Bekannten oder Nachbarn für eine halbe Stunde aus. So schaffen Sie sich einen verbindlichen Gassi-Spaziergang-Termin und machen unterwegs vielleicht sogar neue Bekanntschaften. Wenn es in Ihrer Nähe Rehasportgruppen oder andere Sportgruppen gibt, die Sie interessieren: Schließen Sie sich einem Verein an.

Buchtipps für Betroffene und Angehörige

Abseits der medizinischen Fachbücher gibt es hier ein paar Tipps für Literatur, die einem nicht nur erklären, was bei Betroffenen gerade alles "nicht normal" läuft. Depressionen bedeuten schließlich nicht, dass jemand seinen Humor verloren hat oder dass der Kampfgeist weggelaufen ist. Also: Buch raus, Kaffeetasse in die Hand, ab in den Liegestuhl.

  • How not to die von Michael Greger: Das Buch zeigt die Wichtigkeit der Ernährung bei vielen Erkrankungen auf und greift auch den Zusammenhang zwischen Depressionen und Ernährung auf.
  • Arschtritt von Holger Senzel: Der Journalist beschreibt seinen eigenen Weg aus der Depression zurück ins Leben.
  • Mein schwarzer Hund von Matthew Johnstone: Ein Buch, das hilft, ins Gespräch zu kommen.
  • Mit dem schwarzen Hund leben von Matthew Johnstone: Ein Buch für Angehörige und Freunde, das hilft Depressionen zu erkennen, mit Betroffenen umzugehen und sich selbst dabei nicht zu vergessen.
  • Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben von Matt Haig: Die humorvolle Beschreibung des Weges aus einer dramatischen schweren Depression hin zu einem lebensbejahenden Leben.

Fazit: Man kann Depressionen nicht davon joggen - aber Laufen kann helfen, sich besser zu fühlen

Depressionen beeinflussen den gesamten Alltag der Betroffenen. Meist schaffen es betroffene Menschen nicht, den Teufelskreis aus Motivationslosigkeit, Hilflosigkeit und sozialem Rückzug zu durchbrechen. Laufen und andere Ausdauersportarten sind ein wichtiger Pfeiler der Therapie von Depressionen und können auch die soziale Komponente verbessern. Regelmäßige Bewegung wirkt nicht nur präventiv gegen Depressionen und Angststörungen, sondern kann auch bestehende Symptome lindern. Eine wichtige Wirkung des Joggens ist die Ausschüttung der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, die eine positive Auswirkung auf Symptome wie Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen haben. Unterstützend sorgen Medikamente wie Serotonin Wiederaufnahmehemmer dafür, dass die Verfügbarkeit dieser Neurotransmitter im Gehirn zunimmt. Seit 2022 sind Depressionen auch als Symptom der Corona-Folgeerkrankung Long COVID und Post-COVID-Syndrom anerkannt.

Suchen Sie in einem akuten Krisenfall schnelle Hilfe über den Notruf 112 oder über ein Krisentelefon.
Übersichtsseite der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention: » Überregionale Krisentelefone

Die aktuelle Ausgabe
04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023